04.01.2021
Historie

3970 Tage: Eine Nummer für sich

Amin Younes erzielte mit dem 1:1 gegen Leverkusen sein zweites Bundesligator. Acht Akteure warteten nach der Premiere noch länger, an der Spitze Henning Bürger. Der Rekordmann erinnert sich.

Nein, daran gedacht habe er in diesem Moment nicht, als Amin Younes am Samstag zum Ausgleich gegen Bayer 04 Leverkusen traf und damit erstmals nach 2869 Tagen in der Bundesliga. „Ich habe solche Daten nicht im Kopf und zähle nicht die Minuten“, schmunzelt Henning Bürger, der bis heute die längste Phase zwischen dem ersten und zweiten Tor im deutschen Fußballoberhaus aufweist: 3970 Tage liegen zwischen den ersten beiden Buden am 31. Oktober 1992 für den 1. FC Saarbrücken und dem 14. September 2003 für Eintracht Frankfurt. Das Bewusstsein haben dann schon andere geschaffen. „Am Sonntag haben mir einige Freunde und Ex-Kollegen geschrieben und mich darauf aufmerksam gemacht. Das war schon witzig“, bezieht sich der 55-malige Adlerträger auf die vom kicker veröffentlichte Top Ten: Dort findet sich Bürger weiter unangefochten an der Spitze, einzig bei ihm dauerte es über zehn Jahre. Younes rangiert mit dem ersten Treffer seit dem 24. Februar 2013, seinerzeit noch für Mönchengladbach zum 1:1-Endstand gegen Dortmund, an neunter Stelle. Platz vier nimmt übrigens Heinz Gründel ein, der erstmals für Hertha BSC und 3098 Tage später im HSV-Trikot einnetzte. Anschließend schnürte er von 1988 bis 1993 110 Mal die Schlappen für die Hessen und erzielte dabei elf Tore in drei Wettbewerben, neun davon in der Bundesliga.

55 Spiele für die SGE: Henning Bürger.

Doch zurück zum Rekordhalter, der selbst dahingestellt lässt, ob sein Alleinstellungsmerkmal „schön“ sei oder „stolz machen“ könne. Haften geblieben ist die Story in jedem Fall. „Der Fernsehmoderator – es müsste Jörg Dahlmann gewesen sein – hat das damals gleich thematisiert. Die haben sowas auf dem Zettel. Doch ich habe mich in erster Linie über das Tor und erst recht den Sieg gefreut“, berichtet Bürger vom 14. September 2003. Vor dem ersten und einzigen Tor für die SGE „saß ich zunächst auf der Bank“, sieht der 51-Jährige die Auswärtspartie bei Borussia Mönchengladbach augenblicklich vor sich. „Ich kam beim Stand von 1:0 rein“, konkret: in der 89. Minute für Markus Kreuz. Eine Minute später zappelte die Kugel zum schlussendlichen 2:0 im Netz. „Meiner erster oder zweiter Ballkontakt, es gab nicht viel zu überlegen. Der Ball musste in die lange Ecke, zum Glück hat es geklappt“, skizziert Bürger die Entstehung des Treffers, der seinerzeit den ersten Saisonsieg am fünften Spieltag zementierte.

Enge Freundschaft mit dem Aufstiegshelden

Bakary Diakité, Henning Bürger und Alexander Schur (v.l.).

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, daran hatte Bürger selbst wenige Monate zuvor keinen unwesentlichen Anteil. Die Rede ist vom berühmten Aufstiegsdrama gegen Reutlingen, als der linke Bahnspieler vor dem erlösenden 6:3 seine Füße entscheidend im Spiel hatte: Kurz ausgeführte Ecke von Jens Keller, Flanke Bürger, Kopfball Schur. Der Rest ist Geschichte. „Alex und ich sind bis heute eng befreundet“, hat sich Bürger bis heute so manchen Kontakt in die Mainmetropole erhalten. „Arbeitet Franco Lionti noch bei euch?“, möchte er wissen. Selbstverständlich. „Viele Grüße!“, lässt Bürger dem Materialwart ausrichten.

Henning Bürger steht mittlerweile beim VfL Wolfsburg II an der Seitenlinie.

Der Verein selbst sei heute nicht mehr mit den Umständen von damals zu vergleichen. „Als ich hierherkam, ging es vor allem um die Existenzsicherung. Heute ist die Eintracht ein etablierter Bundesligist mit größeren Ambitionen.“ Die hat Bürger selbst mittlerweile an der Seitenlinie. „Schon als Spieler war mir klar, dass ich nach der Karriere als Jugendtrainer arbeiten möchte, das hat sich erfüllt.“ Der ehemalige DDR-Nationalspieler leitet aktuell die Geschicke des VfL Wolfsburg II. „Die Nachwuchsarbeit macht mir großen Spaß, in Wolfsburg finde ich sensationelle Arbeitsbedingungen vor, ich sehe meine Zukunft auch im Unterbau.“ Auch wenn sich die derzeitige Situation Corona-bedingt schwierig gestaltet, weil die Regionalliga Nord seit November auf unbestimmte Zeit pausiert. „Doch wir schätzen uns glücklich, dass wir in den vergangenen vier, fünf Wochen immerhin trainieren durften. Das gilt hoffentlich auch fürs neue Jahr, auch wenn alles an den Entscheidungen der Politik hängt. Wir haben für die Fortsetzung der Saison weiter ausreichend zeitlichen Spielraum.“ Wenn auch keine 3970 Tage...