17.09.2020
Historie

„6.500 können viel ausmachen“

100-maliger Adlerträger, Bundesligadebüt für Bielefeld. Michael Fink, zuletzt als Spielertrainer mit Hanau in die Hessenliga aufgestiegen, blickt auf das Duell seiner Ex-Klubs.

Michael, seit 2015 warst du in Mannheim, Gießen und Hanau wechselweise als Chef-, Co- und wie aktuell in Hanau Spielertrainer tätig. Die Vermutung liegt nahe, dass du langfristig eine Trainerkarriere anstrebst?
Das kann man definitiv so sehen! Dennoch bin ich nicht darauf festgelegt. Ich kann mir auch vorstellen, als Co-Trainer oder beispielsweise in einer Scoutingabteilung zu arbeiten. Dahingehend bin ich für vieles offen. Wichtig ist mir, bei einem ambitionierten Verein hauptberuflich arbeiten zu können, weil Fußball mein Leben ist. Ich brauche die Atmosphäre in den Stadien, die Spiele, muss die Mannschaften auf dem Feld sehen. Das alles ist zu lange Teil meines Lebens, als dass ich darauf verzichten möchte.

Du hast 2004 dein Bundesligadebüt bei der Arminia gefeiert, für die Eintracht wiederum die meisten Spiele bestritten. Wie würdest du die Verbindung zu beiden Vereinen beschreiben?
Hier muss man unterscheiden. Ich kam damals vom VfB Stuttgart, bei dem ich zwar einen Profivertrag besessen, aber überwiegend für die zweite Mannschaft in der dritten Liga gespielt habe, nach Bielefeld. Die Arminia hat mir die Chance gegeben, Bundesligaspieler zu werden, das vergisst niemand. Ich weiß, wie schwierig es sein kann, wenn man einen Trainer hat, der nicht auf einen setzt, deshalb bin ich für diese Erfahrung sehr dankbar und werde die Station auf der Alm immer in Erinnerung behalten. Zumal meine Frau aus der Nähe von Bielefeld stammt, ihre Familie noch dort lebt und wir deshalb öfters dort sind. Den Werdegang des DSC beobachte ich weiterhin. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass meine Beziehung zur Eintracht wesentlich enger ist. Hier lebe und wohne ich, bin bei so vielen Spielen wie möglich im Stadion – speziell von den Europa League-Spielen habe ich fast jedes im Stadtwald verfolgt. Außerdem spiele ich in der Traditionsmannschaft, sofern es die Zeit zulässt. Die Eintracht ist mein Verein Nummer eins!

Du sprichst den Europapokal an und kennst ihn noch aus eigener Erfahrung. Fehlt der Eintracht ohne diesen Wettbewerb etwas oder siehst du in der wegfallenden Doppelbelastung auch eine Chance?
Es steht außer Frage, dass die vergangenen zwei Spielzeiten auf europäischer Ebene sensationell verliefen. Das hätte vor wenigen Jahren keiner erwartet. Allerdings kann es für einen Verein wie die Eintracht auch zur Belastung werden, über einen längeren Zeitraum in mehreren Wettbewerben vertreten zu sein, weil Frankfurt in der Breite noch nicht so gut besetzt sein kann wie beispielsweise Bayern, Dortmund oder Leverkusen. Das hat man 2018/19 daran gesehen, als die erste Elf fast alle Spiele gemacht hat. Dann fehlt in der Bundesliga zwangsläufig die letzte Frische. Deshalb hat es vielleicht auch in der vergangenen Spielzeit nicht zu einem für alle zufriedenstellenden Abschneiden gereicht, zumindest in der Öffentlichkeit. Nach zwei Jahren kann es daher hilfreich sein, die Mannschaft in Ruhe weiterzuentwickeln und sie hoffentlich bald wieder international spielen zu sehen.

Ich erwarte, dass es eine kleine Überraschungssaison werden kann, weil Corona doch viel durcheinander gebracht hat.

Michael Fink

Hast du noch Kontakt zu früheren Weggefährten?
Auch die sind nach wie vor nicht abgerissen, gerade zu Alexander Huber, Daniyel Cimen oder Patrick Ochs, dem ich aufgrund seiner Vorstandstätigkeit in Dreieich regelmäßig im Rahmen der Hessenliga begegne. Fast automatisch kommen wir dann auf die Eintracht zu sprechen. Die alten Geschichten verbinden einfach. Das ist für mich eine schöne Sache, weil ich weiß, wie schnell es im Fußball gehen und man sich aus den Augen verlieren kann. Daniyel ist mein engster Freund, wir telefonieren täglich und im vergangenen Jahr habe ich ihn beim FC Gießen unterstützt. Wir sprechen viel über Fußball und haben die gleichen Vorstellungen. Nicht zu vergessen Ervin Skela, den ich natürlich jetzt in Hanau häufig sehe. Der Schritt zum Co-Trainer der U17 am Riederwald freut mich ungemein für ihn, er war schon immer ein verlässlicher Charakter.

Du galtst als zuverlässiger defensiver und zugleich torgefährlicher wie kopfballstarker Mittelfeldspieler. Wem im aktuellen Kader traust du eine ähnliche Rolle zu?
Schwer, einen hervorzuheben, weil die Eintracht in ihrem Spiel zunehmend variabler wird. Ich finde aber, dass zuletzt Mittelfeldspieler gekommen sind, die nochmal einen anderen Spielertyp verkörpern, wie etwa Steven Zuber, der dem Team mit seinen Qualitäten guttun wird. Alles ist auch immer abhängig von den taktischen Überlegungen. Als einer von zwei Achtern vor einem klaren Sechser ist der Weg zum Tor kürzer als wenn sich zwei zentrale Mittelfeldspieler die Arbeit, vor allem die extreme Laufarbeit, aufteilen. Bei Vorstößen gilt es nicht zuletzt, den richtigen Moment zu erwischen, mutig zu sein und nicht zu zögern. Positionsunabhängig macht sich bemerkbar, dass Bas Dost die volle Vorbereitung mitmachen konnte und André Silva körperlich voll da ist. Beide ergänzen sich gut: Dost als mehr der robustere Stürmer, Silva mit seinen technischen Fähigkeiten. Losgelöst davon benötigen Abläufe einfach Zeit, das Angriffsspiel wirkt immer flüssiger.

Wie schätzt du die Perspektiven der Eintracht ein?
Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass die Verantwortlichen auf allen Ebenen seit Längeren einen bestmöglichen Job machen. Ich weiß natürlich nicht, was noch auf dem Transfermarkt passieren wird, traue Fredi Bobic aber wieder zu, bis zum Schluss die Geduld zu bewahren und einen Glücksgriff zu landen, der unter normalen Umständen nicht vorstellbar gewesen wäre. Unabhängig davon ist es für mich ein großer Vorteil, dass in diesem Sommer ein Umbruch ausgeblieben und die Mannschaft weitgehend zusammengeblieben ist. Alle sind eingespielt, kennen auch Trainer Adi Hütter schon etwas länger und wissen, was er erwartet. Generell erwarte ich, dass es eine kleine Überraschungssaison werden kann, weil Corona doch viel durcheinander gebracht hat.

Die Emotionen, die von außen an die Spieler herangetragen werden, sind ganz andere und geben jedem eine Zusatzmotivation.

Michael Fink

Könnte diese Eingespieltheit der Eintracht gegen Bielefeld ein Vorteil sein, weil die Arminia viele Zu- und Abgänge hatte?
Als Bielefeld am Montag im Pokal ausgeschieden ist, habe ich schon erkennen können, dass das eine oder andere noch nicht wie gewünscht funktioniert hat. Das ist aber normal, weil Aufsteiger sich naturgemäß verstärken müssen und möchten, um in der Bundesliga mitzuhalten. Ähnlich war es in der Vergangenheit bei Düsseldorf oder Paderborn der Fall. Es wird ein paar Wochen dauern, bis sich alles gefunden hat, was zu Anfang tatsächlich ein entscheidender Vorteil für die Eintracht sein kann, die seit Monaten in dieser Besetzung zusammenspielt. Klar ist aber auch, dass zu diesem Zeitpunkt niemand mit Gewissheit sagen kann, wo er steht. Zumal die Zuschauerthematik nicht zu vernachlässigen ist.

Wobei am Samstag immerhin 6.500 Besucher im Deutsche Bank Park sein werden.
Das ist nach mehreren Monaten ohne Zuschauer sicher ein Plus, wie etwa im Pokal in Dresden und Magdeburg zu beobachten war, wo die Fans extrem Lärm gemacht haben. Nach einigen Spielen, die ohne Stimmung teilweise eine Art Freundschaftsspielcharakter hatten, können 6.500 viel ausmachen. Die Emotionen, die von außen an die Spieler herangetragen werden, sind ganz andere und geben jedem eine Zusatzmotivation. Darauf freut sich jeder Spieler. Natürlich wäre es vor ausverkauftem Haus nochmal etwas anderes. Diese Atmosphäre hat der Eintracht zuletzt gefehlt. Aber die ersten Schritte sind gemacht.

Wie lautet dein Tipp für Samstag?
2:0 für die Eintracht!