Der Ball trudelt scheinbar unerreichbar Richtung Grundlinie, die Eintracht formiert sich in Erwartung des bevorstehenden Abstoßes gedanklich schon wieder in ihrer im Vergleich zu den Vorwochen bewährten Grundordnung. Nur einer nicht: Filip Kostic sprintet früh in der Partie bei Hertha BSC dem Leder hinterher, wie es an selber Stelle im Mai nur Mijat Gacinovic vor dem goldenen Treffer im DFB-Pokalfinale getan hatte. Als der linke Flügelläufer das Leder noch erwischte und in den Sechzehner beförderte, fand sich zwar kein Abnehmer, verdeutlichte aber eines: Die Hessen wollen. Nur konnten sie am Samstagabend nicht in gewohnter Manier. Nach der ersten Niederlage seit elf ungeschlagenen Pflichtspielen stand um kurz vor halb neun am Samstagabend gleich die zweite Pleite und zugleich das erste Match ohne eigenen Treffer überhaupt in dieser Spielzeit zu Buche.
Mehr Maloche als Magie
Nun ist im Vergleich zu vor sieben Monaten längst nicht Saisonschluss und doch sei theoretisch einfach mal festzuhalten, dass gegebenenfalls Platz fünf die beste Endplatzierung seit 1994 wäre. Doch wie Adi Hütter unlängst anmerkte: „Die Erwartungshaltung hat sich verschoben.“ Im gleichen Atemzug stellte der Cheftrainer folgende Gleichung auf: „Zufriedenheit bedeutet Stillstand und Stillstand bedeutet Rückschritt.“ Gewissermaßen waren die Frankfurter Spieler in der Hauptstadt in vielen Bereichen sogar so gut wie selten: 61 Prozent Ballbesitz, 18:7 Torschüsse, kollektiv drei mehr zurückgelegte Kilometer. Aber 0:1 Tore.
Die den Fußball so faszinierende Quintessenz war in den vergangenen Monaten ein großes Faustpfand der Frankfurter (Himmels-)Stürmer, die nicht ohne Grund in mancher Vorauswahl zum „Tor des Monats“ auftauchen und wie unlängst Luka Jovic auch gewinnen. Allein der Anführer der Torschützenliste hatte in Berlin mehrere Chancen auf dem Schlappen, die sich der Serbe normal nicht entgehen lässt. Vor dem Auftritt an der Spree hatte der 20-Jährige für jedes seiner 18 Bundesligatore im Schnitt 92 Minuten benötigt, was unter allen Akteuren mit mindestens 33 Spielen historischer Bundesligarekord gewesen war. So galt für das in Anlehnung an das einst um Fredi Bobic begründete magische Dreieck wie für die gesamte Mannschaft in der früheren Heimat des Sportvorstandes: Mehr Maloche als Magie.
Mismatch als Schlüsselmoment
„So haben wir letztlich unglücklich verloren“, befand im Anschluss Carlos Salcedo, der in Berlin seine erste Begegnung seit über drei Monaten bestritt und sich kaum etwas zu Schulden hat kommen lassen. Seine Positionierung in der hintersten Linie mag es jedoch so, dass eigene Anfälligkeiten umso schwerer ins Gewicht fallen, wenn die Stärken nicht zur Geltung kommen. Stichwort: Standardsituationen. Wie beispielsweise beim Pokalaus in Ulm oder der Niederlage bei Borussia Dortmund brachte ein ruhender Ball die Adlerträger ins Hintertreffen, als Makoto Hasebe (1,80 Meter) gegen Marko Grujic (1,91 Meter) naturgemäß unterlegen war und das "Mismatch" zum Gegentor des Tages führte. So einfach kann Fußball sein.
In solchen Fällen spielt es deshalb auch keine Rolle, ob in der Startelf drei, zwei oder keine Stürmer stehen. Vielmehr waren es am Ende einmal mehr die berühmten Kleinigkeiten, die den Ausschlag gaben: Das wichtige erste Tor – pro Hertha. Der touchierte Außenpfosten – schade für Sébastien Haller. Der verwehrte Elfmeter kurz vor Schluss – unumkehrbare Tatsachenentscheidung. Fakt ist aber auch, dass nicht nur in den Augen Danny Da Costas „die letzte Konsequenz gefehlt“ habe, um die Berliner Mauer zu überwinden. Auch taktische Anpassungen blieben am Ende ohne Erfolg, als sich Frankfurt mit den Einwechslungen von Gacinovic und Jetro Willems im Mittelfeld in einem 1-2 mit zwei Achtern statt eines 2-1 mit zwei Abräumern hinter Rebic anordnete.
Entsprechend weiß Da Costa: „Wir haben nach wie vor eine gute Hinrunde gespielt, müssen diese Partie nun gut analysieren, gestärkt daraus hervorgehen und künftig wieder ein anderes Gesicht zeigen“, um die Causa „Berlin falling“ möglichst bald zu den Akten zu legen. Also: aufstehen, Krone richten, weitergehen.