01.12.2024
Historie

Alles Gude, Charly Körbel!

Der Rekordbundesligaspieler feiert seinen 70. Geburtstag. Sieben Geschichten à zehn Sätze über den Jubilar.

Der treue Charly

Naheliegend, wenn es um Karl-Heinz Körbel geht. Wobei ihm immer wichtig ist, dass er treu – aber nicht treudoof – war. Trotz Angeboten von anderen Vereinen hat er als Spieler der Eintracht nie den Rücken gekehrt. Auch nicht in schwierigen Zeiten Mitte der 1980er Jahre, als die Leistungsträger den Verein verließen und die Weise-Bubis diese ersetzten. 602 Bundesligaspiele, und das für einen Klub – ein Rekord für die Ewigkeit. Über die Rolle als Co-Trainer wurde er auch Cheftrainer. Aber als er rausgeschmissen wurde, kam er nicht um jeden Preis zurück. Die 100-Jahr-Feier des Klubs 1999 hätte er für den Ticketpreis von 150 DM besuchen können – abgelehnt. Erst Felix Magath („Karl-Heinz, du gehörst zur Eintracht“) schaffte es, Körbel vom Timmendorfer Strand zurückzuholen. Seither ist er aus dem Klub nicht mehr wegzudenken. 

Der erfolgreiche Charly

Ein Torjäger war er nie, brachte es aber – überwiegend dank verwandelter Elfmeter – auch mal auf zehn Treffer in einer Bundesligasaison. Sein nach eigenen Angaben „wichtigster Treffer“: 1989 köpft er am letzten Spieltag in Hannover den Ausgleich, die Eintracht rettet sich in die Relegation.

„Karl-Heinz, wenn keiner das Tor macht, müssen Sie es machen.“

Dietrich Weises Traineransage im DFB-Pokalfinale 1975

Diese meistert Körbel mit den Adlerträgern ebenso wie fünf Jahre zuvor ohne ihn, als er wegen der einzigen schwereren Verletzung (Schien- und Wadenbeinbruch) fehlte. Nach vier Monaten ist er wieder zurück, den heilenden Maßnahmen auf der Insel Ischia sei Dank. Auch „echte“ Finals verliert er nicht. Viermal DFB-Pokalsieger, so oft wie niemand anderes mit der Eintracht. Darunter das Siegtor gegen Duisburg im Finale 1975, wieder in Hannover, nach Dietrich Weises Traineransage in der Halbzeit: „Karl-Heinz, wenn keiner das Tor macht, müssen Sie es machen.“ UEFA-Pokalsieger 1980 mit einer Eintracht-Mannschaft der Extraklasse. Unzählige Siege gegen Bayern München, bis kurz vor sein Karriereende bleibt Körbel im Waldstadion gegen den Rekordmeister ungeschlagen. Dazu Auszeichnungen wie Walther-Bensemann-Preis des kicker oder die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt.

Der traurige Charly

Die Diva-Zeiten erlebt Karl-Heinz Körbel wie kein anderer, und das geht sehr früh los. Erstes Bundesligaspiel: Gerd Müller, damals schon Bomber der Nation, kaltgestellt, 2:1 gewonnen. Eine Woche später: 0:1 in Oberhausen.

Das prägende Duell vom 14. Oktober 1972: Karl-Heinz Körbel (links) gegen Gerd Müller.

„Das hat die Eintracht geprägt. Wir waren immer einer der spielstärksten Mannschaften in der Bundesliga. Wir wurden nie Deutscher Meister, aber wenn es lief, haben wir den Bayern fünf, sechs Stück eingeschenkt.“ Beispiel? 6:0 gegen die Bayern 1975; danach übrigens 1:1 gegen die Hertha und 0:2 in Braunschweig. Apropos Deutscher Meister: 1992 ist Körbel Co-Trainer, ist fit, hat aufgrund eines Personalengpasses in der Verteidigung eine kurzfristige Spielgenehmigung erhalten – wird aber von Stepi nicht aufgestellt. „Wenn ich gespielt hätte, …“ – wir denken uns den Satz zu Ende, zu traurig ist dieser Tag. Seine Profitrainerkarriere in Frankfurt, Lübeck und Zwickau ist insgesamt nicht von vielen erfolgreichen Momenten gekrönt. Heute verteilt er als „Cheftrainer“ der Eintracht Frankfurt Fußballschule dagegen viele tolle Momente an bisher über 50.000 Kinder in über 20 Jahren.

Der verhinderte Charly

Nur sechs Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft – das sind deutlich zu wenig für eine Karriere des Formats von Karl-Heinz Körbel, da sind sich alle einig. Am Bayern-Block war kein Vorbeikommen, Franz Beckenbauer hatte lieber den aus dem Verein gewohnten „Katsche“ Schwarzenbeck als Absicherung hinter sich. Nicht den mit mehr Offensivdrang ausgestatteten Frankfurter. 

Nationalspieler Charly Körbel gegen Griechenland.

Der viel zu kurzen Zeit in der Auswahl – nachdem er über 50 Spiele für U-Nationalteams absolviert hatte – setzte er selbst ein Ende. „Wie blöd warst du, dass du so stur warst? Das hätte ich anders machen müssen“, sagte er vor wenigen Jahren. Beckenbauer hat er längst verziehen, und Spiele gegen Nationalmannschaften waren es immerhin 17. Siehe Kuriositäten-Artikel. Achja, und dass Körbel am 34. Spieltag der Saison 1990/91 verhindert war und so um sein 603. Bundesligaspiel gebracht wurde, dafür ist Schiedsrichter Michael Prengel verantwortlich. Dieser zeigte ihm auf St. Pauli am Spieltag zuvor eine Gelbe Karte, die zur Sperre führte. Mit Jahren Abstand bewertete Körbel die Situation so: „Ich muss eher froh sein, dass es nicht Rot war.“

Der fröhliche Charly

„Charly war immer gut gelaunt. Das ist mir manchmal fast auf den Wecker gegangen“, erzählt Bernd Hölzenbein einst. Körbel ist auch heute noch immer gut drauf, sorgt für Unterhaltung im Betriebsrestaurant, erfüllt Autogramm- und Selfiewünsche bei allen Veranstaltungen, insbesondere natürlich bei den Kids aus den Einheiten der Fußballschule oder im Rahmen der Tradispiele. Eine Frohnatur, um keinen lockeren Spruch verlegen, gerne mit einer freundlichen Umarmung oder den Arm auf die Schulter gelegt. Der Kumpeltyp, der er auch schon früher war. Kicken mit den Freunden war ihm immer wichtig, so hätte er fast sein erstes Bundesligaspiel verpasst. Als Jugendspieler hatte er regelmäßig bei den Profis mittrainiert, war zwei Tage vor dem Spiel wieder nach Dossenheim in die Heimat gefahren und kickte dort mit seinen Jungs. Da riss sich Friedel Lutz die Achillessehne und Erich Ribbeck wollte ihn in den Kader holen. In Zeiten ohne Handy gar nicht so einfach. „Irgendwann hatten sie die Nummer meiner Eltern herausgefunden, mein Vater hat mich dann ins Teamhotel gefahren“, lacht Körbel heute über diese Situation.

Der spielende Charly

602 Bundesligaspiele, 600 Mal in der Startelf. 17 Spielzeiten mit 30 oder mehr Einsätzen, alleine in der Bundesliga. Über 400 Freundschaftsspiele, über 200 offizielle Tradispiele, über 100 Cupspiele in internationalen und nationalen Wettbewerben. Karl-Heinz Körbel spielt und spielt – und das immer auf hohem Niveau.

Charly war ein fairer Spieler, er hat kaum Foul gespielt.(...) Wir haben fast immer verloren in Frankfurt, und daran hatte Charly seinen Anteil.

Gerd Müller

„Deshalb wollte ich auch schon während der Saison 1990/91 aufhören. Es sollte keiner sagen: ‚Der spielt nur weiter, um den Rekord hochzuschrauben.‘“ Einer, der oft gegen ihn spielte und dabei selten gut aussah, obwohl er Tore wie am Fließband schoss, sagte einst: „Charly war ein fairer Spieler, er hat kaum Foul gespielt. Ein richtig guter Manndecker, immer an dir dran, mit starkem Kopfballspiel. Wir haben fast immer verloren in Frankfurt, und daran hatte Charly seinen Anteil“, so Gerd Müller, der Bomber der Nation.

Der moderne Charly

Kreativ, gläubig, voller Tatendrang, immer unterwegs, sehr oft mit dem Adler auf der Brust. Karl-Heinz Körbel ist auch mit 70 Jahren fast jeden Tag im Dienst der Eintracht. Als Markenbotschafter, als Leiter der Fußballschule und Traditionsmannschaft, als Gesicht des Vereins, als Rekordbundesligaspieler. Immer am oder auf dem Platz.

Immer am oder auf dem Platz.

Auch hier konnten ihn Malaisen am Knie nicht lange stoppen. Immer die Tradition betonend und wahrend, aber nicht vor modernen Entwicklungen verschließend. Die Tradi ist sein Baby, hier holt er für fast jedes Spiel ehemalige Adlerträger zurück – die ihm dafür sehr dankbar sind. Das zeigen auch die gesammelten Geburtstagsgrüße, hier ein Auszug von Ervin Skela: „Danke für alles, was du für uns tust, insbesondere für mich. Ich bin sehr froh, dass du mich zurückgeholt hast.“ Die Fußballschule hat Körbel ebenso aus der Taufe gehoben wie die Idee zu „Eintracht in der Region“.

Auch im siebten Lebensjahrzehnt mit dem Adler auf der Brust wird Karl-Heinz Körbel, der seinen Geburtstag am heutigen Sonntag im kleinen Kreis verbringt, voller Tatendrang sprühen, um „seine“ Eintracht weiter nach vorne zu bringen. Alles Gute, lieber Charly!