20.05.2023
Historie

Alles Gude, Jürgen Kalb!

Der Mann, der mit seinem Elfmetertor im Halbfinale gegen die Bayern den DFB-Pokalsieg 1974 erst möglich machte, feiert seinen 75. Geburtstag.

Bernd Hölzenbein wird gefoult, es gibt Elfmeter, das Team vom „Holz“ siegt. Was klingt wie Deutschlands Weg zum Weltmeistertitel 1974, als Paul Breitner im Finale einen Elfmeter gegen die Niederlande verwandelt, ist die Geschichte zum vielleicht wichtigsten Tor von Jürgen Kalb. Der Hesse wird am Samstag 75 Jahre.

In diesen Tagen ist das Pokalfieber in Frankfurt und Umgebung wieder ausgebrochen, das DFB-Pokalfinale in Berlin steht am 3. Juni an. Im Vorfeld sind natürlich auch die Helden von den bisherigen fünf DFB-Pokalsiegen der Eintracht Thema. Man schwelgt in Erinnerungen, Jahreszahlen wie 2018 und 1988 werden sofort in Verbindung mit den Triumphen von Berlin gebracht.

Kalb übernimmt für Grabowksi

Freilich hat man beim ersten DFB-Pokalsieg der Eintracht 1974 das Bild von Jürgen Grabowski im Kopf, der im HSV-Trikot den Cup entgegennimmt, weil er schon mit seinem Hamburger Gegenspieler das Trikot getauscht hatte. All dies wäre unter Umständen nicht möglich gewesen, hätte es wenige Wochen zuvor beim Spielstand von 2:2 gegen den FC Bayern München nicht Elfmeter gegeben. Hier kommt Jürgen Kalb ins Spiel.

62.000 Zuschauer sind an jenem 13. April 1974 ins Frankfurter Waldstadion gekommen, als die in der Bundesliga gerade auf Rang vier verdrängte Eintracht den FC Bayern München empfängt. Die Gäste sind Tabellenführer in der Liga und stehen auch im Europapokal der Landesmeister im Halbfinale. Als Hölzenbein in der 90. Minute zu Fall kommt, zeigt der Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt – eine umstrittene Entscheidung. Sei’s drum, Kalb übernimmt Verantwortung. Er hatte in der Bundesliga sechs Strafstöße in Folge verwandelt, war aber nicht mehr etatmäßiger Schütze. Doch Jürgen Grabowski hatte zuvor in der 63. Minute verschossen.

13. April 1974, DFB-Pokalhalbfinale gegen den FC Bayern München: Jürgen Kalb überwindet in der 90. Minute Sepp Maier vom Elfmeterpunkt.

Kalb gegen Sepp Maier lautete das Duell, und der Schütze ließ sich auch von einigen Nebengeräuschen – unter anderem schlossen Weidle und Maier eine Wette ab, nachdem Kalb das Angebot des Nationaltorhüters abgelehnt hatte – nicht irritieren. Kalb verwandelte mithilfe des Pfostens – 3:2 für die Eintracht, die Entscheidung. „Mich hat das Gerede eigentlich mehr von meiner eigenen Aufregung abgelenkt als beunruhigt", gab Kalb nach dem Spiel zu Protokoll.

Jürgen Kalb kam 1967 vom VfL Unterliederbach zur Eintracht, als Olympia-Amateur wurde er in den Lizenzspielerkader aufgenommen. Ab 1968 war er Stammspieler, gleich in seiner ersten Saison absolvierte er unter Trainer Erich Ribbeck 28 Spiele und erzielte ein Tor. Bis 1975 absolvierte er für die Eintracht 216 Pflichtspiele, in denen er 28 Treffer markierte und an den beiden DFB-Pokalsiegen 1974 und 1975 seinen Anteil hatte. Sein einziges Tor in diesem Wettbewerb war jenes gegen die Bayern.

Die schlimmste Erinnerung ist die an das Attentat bei den Spielen in München.

Jürgen Kalb

Bei den Olympischen Spielen 1972 in München gehörte Kalb zur Nationalmannschaft, er stand bei allen sechs deutschen Spielen auf dem Platz und erzielte ein Tor. Auch nach den Olympischen Spielen blieb er der Amateurnationalmannschaft treu, bis 1975 absolvierte er insgesamt 48 Einsätze für das Team. Damit steht Jürgen Kalb in der Statistik der Olympiaspieler an zweiter Position hinter Rekordnationalspieler Egon Schmitt.

In München erlebte Kalb auch den schlimmsten Moment seiner Sportlerkarriere. In einem Interview berichtete er einst: „Die schlimmste Erinnerung ist die an das Attentat bei den Spielen in München. Wir waren mittendrin, es war eine tolle Stimmung, Olympia in Deutschland. Und dann war plötzlich alles voll mit Soldaten, Polizei und Trauer.“

Der Region immer treu geblieben

1975 wechselte Kalb zum Karlsruher SC, von 1978 bis 1980 spielte er unter anderem unter den Cheftrainern Lothar Buchmann und Jörg Berger für den SV Darmstadt 98. Seine Karriere ließ er danach bei Hanau 93 und seinem ersten Verein VfL Unterliederbach ausklingen. Der Region ist er immer treu geblieben.

Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er beim Höchster Kreisblatt als Anzeigenberater, mit seiner Familie lebt er in Hofheim im Taunus. 2018 feierte er seinen 70. Geburtstag mit der Eintracht beim DFB-Pokalfinale in Berlin. In diesem Jahr setzt Kalb, der nach seiner Fußballerlaufbahn im Tennis große Altersklassenerfolge feierte, aus. Aber die Eintracht-Familie freut sich immer, wenn Jürgen seine Eintracht wieder besucht.