23.10.2024
Eintracht

Der geliebte Quergeist

Er sorgte für die eine oder andere Schlagzeile, glänzte vor allem aber auch mit Leistung: Zum 70. Geburtstag von Uli Stein.

Wenn von Uli Stein die Rede ist, ist man schnell bei den Geschichten, die auch heute noch mit wenigen Klicks im Internet zu finden sind, und über die noch viele Jahre gesprochen wird. Stichworte Suppenkasper, Faustschlag, Platzverweise und einige mehr. Stein war der extrovertierte Torhüter, der geliebte Quergeist, einer mit Meinung, mit Ecken und Kanten – und das ist er auch heute noch. Dass so manche Verhaltensweise seine Wurzeln in der Kindheit hat, hat er kürzlich für das Buch „Stimmen der Eintracht“ erzählt. „Ich wollte damit warten, bis meine Eltern nicht mehr da sind“, sagt Stein, der davon berichtet, nachts stundenlang im Keller eingesperrt worden zu sein und „eine gefangen“ zu haben, wenn das Licht dort noch an war. Seine Kindheit war alles andere als aus dem Bilderbuch.

Wenn sportlich von Uli Stein gesprochen wird, ist der seit heute 70 Jahre alte gebürtige Hamburger aber über jeden Zweifel erhaben. Europapokalsieger, Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger mit dem HSV, DFB-Pokalsieger und fast Meister 1992 mit der Eintracht, Nationaltorhüter und in 645 Spielen in den beiden höchsten deutschen Ligen auf dem Platz – das hat keiner vor und nach ihm geschafft. Und da schließt sich der Kreis, denn: „Ich bin stolz, dass ich mich trotz all den Geschichten so lange in diesem Haifischbecken gehalten habe“, sagt Stein heute – „obwohl ich überall rausgeflogen bin. Bei all meinen Vereinen, in der Nationalmannschaft. Das fing schon früh an, auch vom Gymnasium musste ich runter.“

Für mich gab es nur Fußball.

Uli Stein

Wo man wieder bei Steins Anfangszeit ist. „Von klein auf hatte ich den Traum, Torhüter zu werden. Für mich gab es nur Fußball.“ Stein beginnt bei kleinen Vereinen in der Nähe seiner Geburtsstadt Hamburg, startet im Profifußball dann für Arminia Bielefeld – wo seine Karriere viele Jahre später enden sollte. Mit 42 Jahren absolviert er im April 1997 sein letztes Profispiel, er ist damit der zweitälteste Spieler der Bundesligageschichte. Gegner an jenem Tag ist ausgerechnet der HSV, bei dem er zwei Mal angeheuert hatte. Bei seinem ersten Engagement prägt er die glorreiche Zeit Anfang der 1980er Jahre mit, als die Norddeutschen Titel um Titel holen und sich 1983 zu Europas bester Mannschaft krönen. Sein zweites Kapitel an der Alster ab 1994 dauert nur eine Saison.

Zwischendrin: Eintracht Frankfurt. Eine dieser angesprochenen Stein-Geschichten, der Faustschlag gegen Jürgen Wegmann im Supercup und die folgende Entlassung in Hamburg sorgen dafür, dass Uli Stein auf dem Markt ist. Nach einigem Hin und Her kommt er nach Frankfurt – weil er unbedingt will. „Der HSV hat immer wieder die Ablöse erhöht. Irgendwann habe ich zu unserem damaligen Manager Scheppe Kraus gesagt: Wenn sie das nächste Mal erhöhen, zahle ich die Differenz aus der eigenen Tasche.“ Gesagt, getan. Stein kommt an den Riederwald, es gibt Filmaufnahmen mit diesem Statement eines Fans: „Zum ersten Mal ist hier ein ordentlicher Torwart.“

Uli Stein 1988 nach dem Gewinn des DFB-Pokals.

Bis es auch hier fast sieben Jahre später zu einem unrühmlichen Ende kommt, verpasst Uli Stein nur ein Pflichtspiel, ist absoluter Leistungsträger, zeitweise Kapitän, ist beliebt bei den Fans, führt das Team durch eine bärenstarke Leistung in Bremen fast im Alleingang ins später siegreiche DFB-Pokalfinale 1988, spielt international und verwandelt im Elfmeterschießen im UEFA-Cup-Viertelfinale gegen Salzburg. Er hält fast alles – nur eben nicht den Mund.

Uli Stein hütet 1994 im UEFA-Cup-Viertelfinale gegen Casino Salzburg nicht nur sein Tor, sondern trifft auch im Elfmeterschießen, in dem sich die Österreicher schließlich durchsetzen.

„Uli Stein ist das Sinnbild eines unangepassten Mannes mit eigenem Kopf, eine Persönlichkeit, einer dieser Typen, nach denen heute wieder gerufen wird. […] Er verlangte viel von sich, von den anderen, war oft ungerecht, streitlustig, eigen“, schreibt die Frankfurter Rundschau an seinem heutigen Ehrentag. Stein war getrieben von Ehrgeiz und Gerechtigkeitssinn, war keiner für den Kuschelkurs, hält mit seiner Meinung auch heute nicht hinter dem Berg. Weil er erfolgreich sein möchte. Und da nimmt ihn auch heute Rostock 1992 noch mit, wie vielleicht keinen anderen. „Lebbe geht weider“ – aus seinem Mund wäre das damals sicherlich nicht gekommen.

Er zeigt immer Rückgrat, steht zu allen Fehlern. Sechs Länderspiele hat er trotz der großen Vereinskarriere nur absolviert – unter anderem, weil die DFB-Bosse 1990 eine Rückkehr in die Nationalmannschaft verhinderten. Es hätten sicherlich mehr sein können, für den damaligen Bundestrainer Franz Beckenbauer war er seinerzeit der beste deutsche Torhüter.

In Bielefeld und beim HSV hat er ähnlich lange gespielt, aber warum seine Verbundenheit zur Eintracht so tief ist, wurde Stein erst kürzlich auf der Buchmesse gefragt. Der heutige Markenbotschafter erzählt von seiner Anfangszeit, wie er selbst den Kader mit aufgebaut habe, der dann den Fußball 2000 spielte: „Ich habe Stefan Studer und Heinz Gründel angerufen und sie überzeugt. Erst dann war es möglich, auch Topspieler wie Uwe Bein zu holen.“ Es sei eine „tiefe Freundschaft“ zu Wolfgang Steubing entstanden, dem einstigen Manager, mit dem er einst per Handschlag den Vertrag verlängert hatte.

Uli Stein ist gern gesehener Gast bei den Eintracht Frankfurt Golf Open.

„Ich war auch nach der Karriere immer mit der Eintracht verbunden.“ Als Markenbotschafter kehrt er vor wenigen Jahren auch in offizieller Mission an den Main zurück, repräsentiert den Klub und ist im neuen Buch von Michael Horeni eine „Stimme der Eintracht“. Im übertragenen Sinne sehr passend für den passionierten Golfer, bei dem der „innere Vulkan“ ausgebrochen sei, sobald der Anpfiff ertönte.

Heute geht es Uli Stein etwas ruhiger und gelassener an. Den 70. Geburtstag verbringt er in der Heimat Bielefeld, wo er seit vielen Jahren mit Frau Cornelia, mit der er seit über 40 Jahren verheiratet ist, lebt. Tochter Jennifer hat sicherlich zu den ersten Gratulanten gehört, und Eintracht Frankfurt schließt sich an: Alles Gute zum 70., Uli!

Ein Grund zum Feiern: Heute wie am 28. Mai 1988, als Uli Stein nach dem DFB-Pokalsieg die Sektdusche rausholt.