Er war einst der teuerste Transfer des HSV, als er vor etwas mehr als 50 Jahren aus Hannover an die Elbe wechselte. Er war auch der erste Trainer, der Ablöse kostete, als er im November 1987 im Eilverfahren aus St. Pauli ein paar Straßen weiter zum Hamburger SV wechselte. Er war auch der Trainer, der die bis dato höchste Strafe im deutschen Fußball einstecken musste – fünf Spiele Innenraumverbot, weil er den vierten Schiedsrichter geschubst hatte: Willi Reimann. Der ehemalige Chefcoach der Eintracht, der 2003 am Main sensationell den Bundesligaaufstieg feierte, wird am 24. Dezember 75 Jahre alt.
Bei der Eintracht handelte sich Reimann aufgrund der besagten Strafe den Spitznamen „Container-Willi“ ein, weil er die Spiele auf der Baustelle im damaligen Waldstadion in einem Container verfolgte. Das war in der Saison 2003/04, der zweiten des früheren HSV-Stürmers am Main. Es sollte die letzte sein, nach dem Abstieg im Mai 2004 wurde Reimann entlassen. Viel spektakulärer und auch erfolgreicher war seine erste Saison, und das ging schon mit seiner Verpflichtung los. Nachdem Martin Andermatt im März von seinen Aufgaben entbunden worden war und Armin Kraaz interimistisch übernommen hatte, war der Klub auf Trainersuche. Karl-Heinz Körbel, der damals nach seiner Rückkehr Chefscout war, erinnert sich.
Man habe eine Trainerfindungskommission ins Leben gerufen, erzählt Körbel, der sich daraufhin das kicker-Sonderheft schnappte und durchblätterte. Er stieß auf Willi Reimann, der nach dem plötzlichen Tod seiner Frau Ende 1998 den 1. FC Nürnberg auf eigenen Wunsch verlassen und nach einer kurzen Rückkehr zum FC St. Pauli rund ein Jahr ohne Job war. „Ich habe mich mit Willi in Hamburg getroffen, keiner wusste davon. Ich habe ihn gefragt, ob er Trainer bei uns werden möchte. Er war nicht abgeneigt“, erinnert sich Körbel. Die erste Hürde war genommen, weitere sollten folgen. Sportvorstand Tony Woodcock kannte Reimann ebenso nicht wie der neue starke Mann Gábor Várszegi. „Nach einem Treffen in größerer Runde hat Willi gesagt: Wenn die das so wollen, fahre ich wieder heim“, sagt Körbel.
Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Volker Sparmann wurde eingeschaltet. „Seitdem waren die beiden dicke Freunde“, so Körbel. Reimann war bereit, die Eintracht im Sommer 2002 zu übernehmen. Doch dann wurde es eng, der Lizenzentzug drohte. In diesem Fall wäre Reimann wohl nicht gekommen. „Mich hat die Aufgabe aber von Anfang an gereizt, mit den Fans und dieser Region“, sagte er einst im Buch „Frankfurter Fußballwunder“ von Jörg Heinisch. Letztlich durfte die Eintracht in der Zweiten Liga an den Start gehen, und Reimann machte das Unmögliche möglich – den Aufstieg. Körbel erzählt weiter: „Wir haben Spieler wie Ervin Skela und David Montero geholt. Die waren billig, aber gut. Wie Willi gearbeitet hat, war beeindruckend, gerade nach seinem Schicksalsschlag durch den Tod seiner Frau. Er war konsequent, hat die Mannschaft fit gemacht, hat für Disziplin gesorgt.“ Der Aufstieg sei nicht völlig unerreichbar gewesen, meinte Reimann hinterher, „aber die Situation, die wir vorfanden, machte es nicht sonderlich realistisch, um den Aufstieg mitzuspielen.“ Die Rahmenbedingungen seien weitaus schlechter gewesen als 1996/97, als er mit dem VfL Wolfsburg den Aufstieg schaffte.
Die Reimannsche Art, manchmal auch stur und kautzig, selbst sagte er einst „verschlossen und erfolgsorientiert“, hat nicht immer jedem Spieler gefallen; er holte aber das Maximum aus der Mannschaft um Nikolov, Bindewald und Schur heraus. Das furiose 6:3 am letzten Spieltag gegen Reutlingen, das zur Rückkehr in die Bundesliga reichte, passte zu den vergangenen verrückten 15 Monaten seit der ersten Kontaktaufnahme mit Reimann. Es war auch ein persönlicher Triumph des Trainers, der als Spieler dabei war, als der HSV in den 1970er Jahren die ersten großen Titel holte. Apropos HSV: In der auf den Aufstieg folgenden Spielzeit konnte Reimann mit dem kaum verstärkten Team die Klasse nicht halten, ein 1:2 in Hamburg besiegelte den Abstieg. Es war das letzte Spiel des Norddeutschen als Trainer in Frankfurt.
Heute lebt Reimann in Norderstedt unweit von Hamburg und ist nur noch selten im Fußballkosmos zu sehen. Alles Gute, Willi, zum 75. Geburtstag!