27.01.2021
Bundesliga

Alte Liebe, neuer Mut

Ein neuer Trainerstab, ein Torwart, der die Frankfurter Stürmer im Vorjahr das Fürchten lehrte, sowie die Besinnung auf bessere Tage und ein bewährtes System. Hertha BSC im Gegnercheck.

Situation: Zwischen Krisen- und Aufbruchsstimmung

Ein Punkt aus den jüngsten vier Spielen, 17 Punkte nach 18 Partien und Tabellenplatz 14 – zu wenig für die Ansprüche von Hertha BSC. Nach der 1:4-Heimniederlage gegen den SV Werder Bremen trennten sich die Berliner am Sonntag von Cheftrainer Bruno Labbadia und Geschäftsführer Michael Preetz. Mit Pál Dárdai übernahm Anfang der Woche ein alter Bekannter die sportlichen Geschicke, um Ruhe und Stabilität in den Hauptstadtklub zu bringen.

Hertha BSC 2020/21
Kompakt4 Siege, 5 Unentschieden, 9 Niederlagen, 24:32 Tore, 17 Punkte, Tabellenplatz 14
FormkurveS-N-U-N-N
TorschützenCunha (6), Córdoba (5), Piatek (4), Lukebakio (3), Guendouzi (2), Pekarik (2), Ngankam (1)

Die Verantwortlichen um den Vorsitzenden Carsten Schmidt sahen sich zum Handeln gezwungen, da der Berliner Sport-Club den eigenen Erwartungen im bisherigen Saisonverlauf hinterherhinkte. Letztmals hatte die Alte Dame am 14. Spieltag mit 3:0 gegen den FC Schalke 04 gewinnen können. Es war der einzige Sieg aus den jüngsten acht Partien. Anschließend folgten eine 0:1-Pleite in Bielefeld, ein 0:0 gegen den 1. FC Köln, ein 0:3 gegen die TSG Hoffenheim und zuletzt das 1:4 gegen Werder. Aktuell haben die Blau-weißen lediglich zwei Zähler Vorsprung auf den 1. FC Köln, der den Relegationsplatz belegt. „Wir müssen weiter dranbleiben und die Situation so annehmen, wie sie ist“, äußerte Niklas Stark im Anschluss an die Partie am Samstag. Unter anderem mit zwei Urgesteinen möchte die Hertha in der Rückrunde zu alter Stärke zurückfinden.

Trainer: Junge Haudegen mit alten Erfolgsgeschichten

„Als eingefleischter Herthaner kennt er hier jeden und benötigt keine Eingewöhnungszeit. Pál lebt Hertha BSC und wir sind absolut überzeugt davon, dass er mit seiner klaren Art der Mannschaft den nötigen Impuls geben wird“, erklärte Carsten Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung, bei der (Wieder-)Vorstellung des neuen alten Cheftrainers Pál Dárdai. Mit Dárdai kehrt eine Vereinslegende und ein Sympathieträger in den Profibereich zurück. Der ehemalige Mittelfeldspieler wechselte als 20-Jähriger aus seiner Heimat Ungarn nach Deutschland, kam in Berlin auf 286 Bundesligaspiele und ist damit der Rekordspieler der Blau-Weißen im Oberhaus.

Nachdem sein Profivertrag im Sommer 2011 ausgelaufen war, unterzeichnete Dárdai einen Amateurkontrakt bei den Berlinern und machte nebenbei seine Trainerscheine. Mit dem Ende der Saison 2011/12 beendete er seine Laufbahn als Fußballspieler. Von Februar 2012 bis Februar 2015 war der heute 44-Jährige als Co- und Cheftrainer für die Hertha-Jugend zuständig, ehe er die Lizenzspieler übernahm. Zwischen September 2014 und Juli 2015 coachte er zudem die Nationalmannschaft seines Heimatlandes Ungarn.

Rekordspieler von Hertha BSC: Pál Dárdai.

Nach fünf Niederlagen in Folge einigten sich Dárdai und die Hertha Mitte April 2019 darauf, dass er den Posten des Cheftrainers nach viereinhalb Jahren zum Saisonende abgeben würde. Nach einem Sabbatjahr kehrte er in die Berliner Nachwuchsabteilung zurück. Nun kehrt er nach anderthalb Jahren von der U16 auf die große Bühne zurück. Eine mögliche Rückkehr war nie ausgeschlossen, kam für den Ungarn, der einen Einstieg während einer Spielzeit zuvor kategorisch ausgeschlossen hatte, trotzdem früher als gedacht. „Ich brauche aber auch niemandem zu erklären, was Hertha BSC für mich bedeutet. Daher war es gar keine Frage für mich, dass ich in dieser Situation aushelfe. Ich freue mich auf diese Aufgabe und die Zusammenarbeit mit der Mannschaft.“

Eine solche hatte in der Vergangenheit immerhin zu den Endplatzierungen 15, 7, 6, 10 und 11 geführt. Angemerkt sei auch, dass die seit vier Spielen gegen Hertha BSC ungeschlagene Eintracht letztmals unter Dárdais Ägide verlor: 0:1 am 8. Dezember 2018. Ein kleiner Kreis schließt sich derweil für den neuen Co-Trainer Andreas Neuendorf, ebenfalls eine Berliner Klubikone: „Zecke“ bestritt in Frankfurt am 19. Mai 2007 sein letztes Bundesligaspiel und lieferte die Vorlage zum 2:1-Siegtreffer aus Sicht der Gäste. Rund 14 Jahre später nun das Co-Trainerdebüt in der nationalen Beletage – im Deutsche Bank Park.

Taktiktafel: Vertrautes Neuland

Muskuläre Probleme: Jhon Córdoba.

In seinen viereinhalb Jahren als Chefcoach setzte Dárdai zumeist auf ein 4-2-3-1-System, in dem die Hertha auch in einigen Partien unter Bruno Labbadia agierte. Zuletzt feierte der 17-jährige Luca Netz sein Startelfdebüt im Oberhaus. Der Linksverteidiger kam dabei neben Omar Alderete, Niklas Stark und Peter Pekarik in der Viererkette zum Einsatz. Kapitän Dedryck Boyata fehlt den Berlinern weiterhin aufgrund einer Knochenprellung im Fuß, alternativ stehen Coach Dárdai in der Abwehr Jordan Torunarigha und Deyovaisio Zeefuik zur Verfügung. Zudem könnte Maximilian Mittelstädt wieder seine Position als linker Verteidiger einnehmen. Der 23-Jährige lief gegen Bremen neben Vladimir Darida und Matheus Cunha in der offensiven Mittelfeldreihe auf, die Doppelsechs bildeten der vor einem Jahr verpflichtete Lucas Tousart und der im Oktober geholte Matteo Guendouzi. Jhon Córdoba stürmte als einzige Spitze, den 27-Jährigen plagen aktuell allerdings muskuläre Probleme. Als offensive Alternativen kann Dárdai auf Mathew Leckie, Krzysztof Piatek, Daishawn Redan und Jessic Ngankam zurückgreifen. Vor allem im Sturm sind Änderungen vorstellbar, zumal die Blau-Weißen in den jüngsten drei Ligabegegnungen nur ein Tor erzielten und der Einsatz von Cordoba fraglich erscheint.

Spieler im Fokus: Alexander Schwolow

Trieb die Adlerträger im vergangenen Sommer zur Verzweiflung: Alexander Schwolow.

Auch wenn die aktuelle Spielzeit für Alexander Schwolow wie alle Kollegen unbefriedigend verläuft, wird der Torhüter mit einem guten Gefühl ins Herz von Europa reisen. Beim 3:3 der Eintracht gegen den SC Freiburg im Mai 2020 parierte der damalige Breisgauer 13 Bälle und stellte damit sowohl seinen persönlichen Bundesliga- als auch den Saisonrekord auf. Seit der aktuellen Spielzeit steht Schwolow bei Hertha BSC unter Vertrag, zudem ist er der einzige Berliner Akteur, der bislang jede Pflichtspielminute auf dem Platz stand. Das Fachmagazin kicker bewertet den 28-Jährigen mit einem Notenschnitt von 3,17, damit ist er der notenbeste Spieler der Alten Dame. Und das, obwohl der gebürtige Wiesbadener in der bisherigen Saison mit 56,2 Prozent die geringste Paradenquote aller Keeper im vorzuweisen hat. Dennoch konnten nur Peter Gulacsi (acht Mal) und Koen Casteels (sechs Mal) in der aktuellen Spielzeit häufiger die Null halten als Schwolow (fünf Mal).

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