21.12.2021
Bundesliga

Alte Muster, neue Helden

Die Hinrunde ist lange geprägt von einem gewissen Wankelmut. Nun stehen international das Achtelfinale und national Platz sechs sowie 27 Punkte zu Buche.

Auf einmal sind sie da. Im oberen Tabellendrittel der Bundesliga, unter den letzten 16 der UEFA Europa League. Mehr als vor wenigen Wochen, gewissermaßen Tagen, kaum jemand erwartet hätte. Selbst Oliver Glasner hatte im Herbst sinngemäß gemeint, dass es bis zum Winter mehr um Ergebnisse als um Eleganz ginge. Am Ende wissen die Adlerträger beiderseits aufzutrumpfen. Dies an einem Moment festmachen zu können, verwies der Cheftrainer erst neulich wieder ins Reich der Fabeln, als er aufzeigte: „Es gibt nicht den einen Hauptgrund. Es war mehr das, was wir alle immer betont haben: Wir haben Geduld mit den Spielern gebraucht.“ Was auch mit sich brachte, sich nicht Woche für Woche mit der Tabelle und dem vergangenen Resultat auseinanderzusetzen. Sondern einfach mit sportlichen Inhalten und wiederkehrenden Diskrepanzen. Derer gab es so manche zu bekämpfen. Es hat sich bis hierhin gelohnt.

Langjähriger Leader, diesjähriger Kapitän: Sebastian Rode.

„Es war relativ viel los“, blickte Glasner erst in der vergangenen Woche auf die erste Phase nach der rekordverdächtigen Vorsaison zurück, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen. Doch selten sei der Begriff Umbruch so zutreffend gewesen wie bei Eintracht Frankfurt in der Jahresmitte. Wie der Fußballlehrer noch im Spätsommer erklärte, betraf das nicht nur die sportliche Führung, ob Trainerteam, Sportvorstand, mehrere Posten im Staff. Sondern, und das wertet die jüngste Entwicklung noch mehr auf, auch im Team selbst. Auf den ersten Blick galt es an Leistungsträgern allein den Abgang von André Silva mitsamt dessen 28 Bundesligatoren zu ersetzen. Bei genauerem Hinsehen lag aber beispielsweise auch der Abschied von David Abraham erst wenige Monate zurück. Der neue Spielführer Sebastian Rode verletzte sich im ersten Pflichtspiel bei Waldhof Mannheim. Aus für den Captain, zudem raus im DFB-Pokal. Anfangseuphorie lässt sich anders wahren.

Der Ligastart geriet nicht weniger ernüchternd. 2:5 bei Borussia Dortmund. Findungsphase lautete von Woche zu Woche das nächste geflügelte Schlagwort. Logisch, so wirklich komplett im Sinne aller Verantwortlichen war der Kader Ende August. Die ersten Englischen Wochen bahnten sich an, Trainingsgelegenheiten wurden seltener. Und wenn Länderspielpause war, war die halbe Belegschaft auf Reisen. Damals zeigte Glasner das Dilemma auf, auf der einen Seite seinen Jungs so schnell und so viel wie möglich von seinen Ideen beizubringen – aber gleichzeitig nicht in Gefahr zu laufen, die Kicker mental zu überfrachten. Physisch, wie sich herausstellen sollte, hatte sich die ausgiebige Vorbereitung in jedem Fall ausgezahlt. Um es auf einen Nenner herunter zu brechen: Das neue Eintracht-Kapitel brauchte einfach Zeit. Und diese lässt sich nicht erzwingen. Sie ist einer neuen Philosophie einfach zuzugestehen.

Hat seinen Platz wie so viele Adlerträger gefunden: Kristijan Jakic.

Exemplarisch zu nennen wäre etwa mit Kristijan Jakic einer derjenigen, die kurz vor Schließung des Transferfensters am Main aufschlugen. Bei der höchsten Niederlage in Dortmund noch nicht angestellt, trug er sich dreieinhalb Monate später beim höchsten Saisonsieg, dem 5:2 gegen Leverkusen erstmals in die Torschützenliste ein. Bestens positioniert, wissend, was zu tun, wie er sich zu verhalten hatte. Wie insgesamt 14 verschiedene Torschütze in wettbewerbsübergreifend 24 Pflichtspielen. Automatismen, die sich nicht herbeireden lassen, sondern entwickeln müssen.

Bayern, Berlin, Bochum

Das Spektakel gegen die Werkself war schließlich eines der nachhaltigeren Highlights, nachdem sich die Hessen bereits wesentlich früher etwas weiter gewähnt hatten. Nach sechs Remis am Stück gelang in der UEFA Europa League in Antwerpen in letzter Minute per Elfmeter der erste Dreier. Drei Tage darauf der erste Auswärtssieg beim FC Bayern seit knapp 21 Jahren – Knoten geplatzt war der öffentliche Grundtenor. Während es europäisch in der Folge weiter erfolgreich lief, mussten sich die Adler im Brot-und-Butter-Geschäft Bundesliga aber erstmal mit zwei Niederlagen gegen Hertha BSC und den VfL Bochum auseinandersetzen. Und bei Greuther Fürth hätte es beinahe die nächsten Punkteverluste gegeben, ehe Rafael Santos Borré nach dem Ausgleich in der Nachspielzeit doch noch zum 2:1-Sieg einschob. Der Startschuss für die Kampagne Last-Minute-Eintracht, als welche sich die Kicker vom Main fast spieltäglich einen Namen machten.

Ekstase Marke Eintracht in Fürth. Nicht zum ersten, nicht zum letzten Mal.

Ob das nun Glück oder Können ist, kann nur jeder für sich ausmachen. Gewissermaßen trifft hier doch ein früherer Ausspruch von Golf-Legende Tiger Woods zu, der darauf angesprochen, er habe zuletzt viel Glück gehabt, sinngemäß erwiderte: „Das mag zutreffen – aber je mehr ich trainiere, desto mehr Glück habe ich.“

Und überhaupt: Wer aus den vergangenen sieben Bundesligaspielen sechs gewinnt, befindet sich nicht mehr in einem Lauf, sondern einfach auf dem richtigen Weg. Es hat etwas von einem Dampfer, der erstmal sehr schwer in Bewegung zu setzen war – aber einmal losgefahren ganz schwer zu bremsen ist. Ein Phänomen, das bei Eintracht Frankfurt kein unbekanntes ist. Aber selten so verhältnismäßig früh eingetreten ist. Es gibt also hier und da alte Muster. Nur die meisten Helden sind neu. Und längst nicht am Ende.