29.05.2020
Bundesliga

Alternative Antriebstechnik

Kontertore sollten es werden. Als diese ausblieben, fand Wolfsburg andere Mittel – mit Erfolg.

Xaver Schlag hat sich nach ausgestandener Knöchelverletzung in Wolfsburg Startelf festgespielt.

Situation

Im Sommer vollzog der VfL Wolfsburg einen eher unüblichen Schritt. In den zwei Spielzeiten vor der gerade abgelaufenen Saison jeweils nur über die Relegation die Klasse gehalten, tauschten die Verantwortlichen trotz Platz sechs und dem Einzug in die UEFA Europa League den Cheftrainer – einhergehend mit einer gänzlich neuen Spielidee. Weg von Bruno Labbadias Ballbesitzansatz, hin zu Oliver Glasners Umschaltapparat, der in der Theorie allerdings weniger fruchtete als erhofft. Vier Kontertore sind die wenigsten der Liga. Weshalb die Niedersachsen nach der Abkehr von der Viererkette im 3-4-3-System in der Rückrunde die Rolle rückwärts vollzogen und öfter im 4-3-3 oder 4-4-2 agierten. Der Effekt war nicht nachteilig: Nur der FC Bayern (19) kassierte weniger Gegentore aus dem Spiel heraus als der VfL Wolfsburg (20). Außerdem ließ kein anderes Team so wenige Großchancen zu wie Wolfsburg: 23 bedeuten im Schnitt nur 0,8 pro Spiel.

Formkurve

Damit einher ging nach dem Jahreswechsel eine deutlich höhere Effizienz vor des Gegners Gehäuse. 22 Rückrundentreffer sind schon jetzt mehr als in der kompletten Hinrunde (18). Gerade ihre Kopfballkompetenzen haben die Wölfe 2020 merklich gesteigert. In diesem Jahr sind es bereits neun Buden mit dem Schädel, vor der Winterpause waren es zwei. Überhaupt verlor der VfL nur eines der jüngsten neun Ligaspiele (fünf Siege, drei Remis) – am 27. Spieltag zu Hause mit 0:2 gegen Borussia Dortmund – und ist mit 42 Punkten auf Platz sechs wieder mittendrin im Kampf um das internationale Geschäft. Zum Vergleich: In der vergangenen Saison, in der sich Wolfsburg für die UEFA Europa League qualifizierte, stand der VfL zum selben Zeitpunkt ebenfalls auf Platz sechs, allerdings mit drei Zählern mehr.

Trainer: Oliver Glasner

Oliver Glasner kam im Sommer vom Linzer ASK in die Autostadt, nachdem er in der vergangenen Saison den zweiten Platz in der österreichischen Bundesliga erreicht hatte, was gleichbedeutend war mit dem Einzug in die Qualifikationsphase für die UEFA Champions League. Dennoch entschied sich der ausgewiesene Teamplayer für die Chance, in der deutschen Bundesliga Fuß zu fassen. Der gebürtige Salzburger musste seine Spielerkarriere, die er größtenteils beim SV Ried verbrachte, aufgrund einer schweren Kopfverletzung 2011 beenden. Von 2012 bis 2014 lernte er als Co-Trainer unter Roger Schmidt beim FC Salzburg das Trainerwesen kennen. Der studierte Diplom-Kaufmann kehrte dann zu seinem Stammklub, dem SV Ried, zurück, um dort als Cheftrainer zu arbeiten. Allerdings nur für eine Saison, ehe er beim LASK anheuerte. Für vier Spielzeiten leitete er die Geschicke der Linzer, bevor es 2019 zum VfL Wolfsburg ging. Mit im Gepäck hatte er übrigens den Offensivspieler João Victor, den er schon in Linz trainierte.

Oliver Glasner verbindet mit Adi Hütter eine kleine Schicksalsgeschichte.

Bemerkenswert auch die indirekte Schicksalsgemeinschaft mit Adi Hütter. Die Landsmänner verbindet eine Episode aus ihrer früheren Trainerzeit in der gemeinsamen Heimat Österreich. Im Frühjahr 2014 war Glasner – damals Co-Trainer beim FC Salzburg – auf dem Sprung nach Leverkusen, Hütter dagegen designierter Coach des SV Ried. Doch dann bekam Hütter ein Angebot aus Salzburg, das er nicht ausschlagen wollte, und sagte Ried ab. Anstelle Hütters wurde daraufhin Glasner neuer Coach in Ried – sein erster Job als Cheftrainer, und das bei seinem Stammklub als Spieler, bei dem er eine Vereinsikone ist. Hütters Vorstellung als Salzburger Trainer (als Nachfolger von Roger Schmidt, mit dem Glasner in Leverkusen ein Team hätte bilden können) im Mai 2014 fand dann während der letzten Wochen von Glasners Engagement als Salzburger Co-Trainer statt.

Taktiktafel

Kompaktheit steht beim VfL Wolfsburg über allem. Ein Ansatz, den die Wölfe gegen die Champions League-Aspiranten Dortmund (0:2) und Leverkusen (4:1) mit wechselndem Erfolg im 4-4-2 verfolgten. Die Viererkette mit den schnellen Außenverteidigern Kevin Mbabu und Jerome Roussillon sowie den großgewachsenen Innenverteidigern John Anthony Brooks (1,93 Meter) und zuletzt Doppelpacker Marin Pongracic (1,90 Meter) blieb jeweils ebenso unangetastet wie die Doppelsechs mit Maxi Arnold und Xaver Schlager. Im rechten Mittelfeld ist mit Renato Steffen mittlerweile ein verkappter Goalgetter zugange. Der Schweizer kommt allein 2020 auf sechs Treffer, von seinen insgesamt elf Bundesligatreffern erzielte er trotz 1,70 Meter Körpergröße fünf per Kopf. Im Sturmzentrum kommt nicht nur wegen dessen 197 Zentimeter Körperlänge kein Weg an Wout Weghohrst vorbei, der nach Arnold (26) die meisten Startelfeinsätze verzeichnet (24). Mit Josuha Guilavogui drängt nach ausgeheilter Verletzung ein weiterer Vielspieler (22) zurück ins Team.

Spieler im Fokus: Xaver Schlager

Dass der Verlust von Fixpunkt Guilavogui nicht mit dem von Punkten einher ging, hat auch damit zu tun, dass Xaver Schlager in die Bresche sprang. Angesichts 13 von zuletzt 14 möglichen Startelfeinsätzen darf der Anpassungsprozess des im vergangenen Sommer aus Salzburg losgeeisten zentralen Mittelfeldakteurs als vollzogen gelten. So gut wie gesetzt schien der 22-jährige Österreicher schon zu Saisonbeginn, ehe ihn am dritten Spieltag eine Knöchelverletzung bis Ende November außer Gefecht setzte.

So der VfL Wolfsburg um die Qualifikation für den Europapokal mitmischt, ist auch Schlager längst auf den Geschmack gekommen. In Salzburg führte er die U19 als Kapitän durch die UEFA Youth League 2017 bis ins Final Four, den Titelgewinn verpasste er allerdings verletzt. Hinzu kommen seit 2018 elf Länderspiele. Und überhaupt Österreich: Vier Meisterschaften und drei Pokalsiege lesen sich für einen Spieler, der noch am Anfangs seiner Laufbahn steht, nicht allzu schlecht.

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