180 Pflichtspiele auf internationalem Parkett hat Eintracht Frankfurt bislang bestritten, zwei davon gegen Galatasaray A.Ş. Spricht man mit Trainer Dragoslav Stepanovic und Spielern über diese Partien, gibt es freilich zwei Komponenten – die sportliche und die emotionale. Im Herbst des Jahres 1992 geht es in Hin- und Rückspiel um den Einzug ins Achtelfinale des UEFA-Pokals, beide Teams treffen in guter Verfassung aufeinander.
Kurz zum Sportlichen: „Ich ärgere mich noch heute, dass wir ausgeschieden sind“, sagt Rudi Bommer. Im Waldstadion findet die Eintracht ohne den verletzten Spielmacher Uwe Bein nicht ins Spiel, Torhüter Uli Stein verhindert gegen technisch versierte Türken die Niederlage; das Hinspiel gegen den Europapokalviertelfinalisten der Vorsaison endet 0:0. Am Bosporus hat die Eintracht zahlreiche Gelegenheiten, vergibt sie aber alle. Manfred Binz sagt: „Ich hätte zwei Tore machen müssen.“ Auch Bommer erinnert sich noch an gute Gelegenheiten seines Mitspielers, während Uwe Bindewald harte Zweikämpfe mit Hakan Sükür führte. „Ein Weltklassestürmer damals“, sagt er rückblickend.
Bein, Schmitt, Andersen – aber keine Tore
Ugur Tütüneker, ein beim FC Bayern München ausgebildeter Mittelfeldspieler, markierte auf Vorlage des in Hessen geborenen Reinhard Stumpf das frühe und letztlich entscheidende 1:0 in der sechsten Minute. Es sollte das einzige Tor in 180 Minuten zwischen den beiden Teams bleiben, auch wenn bei der Eintracht neben Uwe Bein auch die Stürmer Edgar Schmitt und Jörn Andersen in den Kader zurückgekehrt waren. Doch auch geballte Offensivkraft half am Ende nichts.
Fast mehr in Erinnerung geblieben sind die emotionalen Begleitumstände der Partien gegen den türkischen Rekordmeister, der drei Jahre vor dem erstmaligen Aufeinandertreffen mit der Eintracht sogar im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister gestanden hatte. Während in Istanbul Binz die „Cim-Bom-Welle“ imponierte und Stepanovic „das erste Mal Wechselgesang auf der Tribüne“ vernahm, berichtet Bommer von faulen Tomaten, die schon beim Aufstellen am Spielertunnel vor der Partie in Selbigen geflogen kamen. „Die waren wenigstens noch weich, aber da kamen auch andere Dinge geflogen“, blickt Stepi mit über 30 Jahren Abstand schmunzeld auf die Wurfgeschosse am Bosporus zurück.
30.000 Türken in Frankfurt
Zwei Wochen vorher hatten die türkischen Fans im Waldstadion eine im wahrsten Sinne des Wortes hitzige Heimspielatmosphäre für ihre Mannschaft geschaffen. Von 40.000 Zuschauern im Stadtwald waren rund drei Viertel dem Lager von Galatasaray zuzuordnen, dazu gab’s reichlich Feuer mit „Raketen, Bengalos und mehr“, so Stepanovic: „Sie sind so emotional, geben alles, um ihrer Mannschaft zu helfen. Das war schon beeindruckend“, sagt der damalige Trainer, der die Heißblütigkeit der Fans zwei Mal mehr oder weniger hautnah zu spüren bekommen hatte.
„In der Nacht vor dem Spieltag haben wir kein Auge zugemacht, weil die Gala-Fans vor unserem Hotel die ganze Zeit Lärm gemacht haben. Im Stadion bin ich am Zaun von den Fans um Autogramme gebeten worden. Ich war gerade am Schreiben, als weitere Fans über den Zaun gesprungen sind und sich um mich versammelt haben. Ich bin fast erdrückt worden. Zum Glück haben unsere Sicherheitskräfte reagiert“, berichtet Stepi.
Ich habe nicht erwartet, dass wir in Frankfurt bestehen und nicht verlieren.
Karl-Heinz Feldkamp
Sein Trainerkollege auf der anderen Seite war Karl-Heinz Feldkamp, der vier Jahre zuvor mit der Eintracht den DFB-Pokal gewonnen, zwischenzeitlich mit dem 1. FC Kaiserslautern zwei nationale Titel geholt hatte und in seinem ersten Jahr 1992/93 die Durststrecke von fünf Jahren ohne Meisterschaft für die Gelb-Roten beenden sollte. „Die Eintracht hatte zu dieser Zeit eine Topmannschaft. Ich habe nicht erwartet, dass wir in Frankfurt bestehen und nicht verlieren. Für mich war das Weiterkommen eine Überraschung“, sagt Feldkamp, der die hitzige Atmosphäre von jedem anderen Spiel mit seinem damaligen Verein – zumindest im eigenen Stadion – gewohnt war. In der nächsten Runde sollten die Türken an der AS Roma scheitern. „Mit Uli Stein im Tor wären wir auch hier weitergekommen“, meint Kalli Feldkamp, der mit der 1992 weiterhin amtierenden Nummer eins 1988 den DFB-Pokal in die Mainmetropole geholt hatte.
Einer von Feldkamps Spielern damals: Okan Buruk, der heutige Trainer von Galatasaray A.Ş. „Ich bin sehr gut mit ihm zurechtgekommen. Durch einen Beinbruch hat seine Karriere einen Knick bekommen. Er ist ein sehr ruhiger, leiser, introvertierter Typ. Ich hätte ihm nicht zugetraut, dass er sich als Trainer so gut entwickelt“, erzählt Feldkamp über seinen früheren Schützling. Die Partie seiner beiden früheren Klubs wird der mittlerweile 91-Jährige in seiner Wahlheimat Spanien verfolgen. Trainerkollege Stepanovic freut sich unterdessen über den in der vergangenen Saison erstmals angewandten Spielmodus in der Champions League. „Da müssen wir nicht nach Istanbul. Und zu Hause bleibt es unser Heimspiel, nicht so wie 1992. Ich freue mich auf einen friedlichen, tollen Fußballabend mit drei Punkten für unsere Eintracht“, sagt Stepanovic, der auch 2025 im Stadion dabei sein wird.