25.10.2019
UEFA Europa League

Am Zug

Dank des sechsten ungeschlagenen Spiels in Serie steht die Eintracht nicht nur vor ereignisreichen, sondern nicht weniger aussichtsreichen Wochen.

In der Gruppe F je drei Punkte vor dem Dritten aus Lüttich und hinter dem Ersten aus London, in der Bundesliga als Tabellenachter zwei Zähler hinter der Spitze und in der zweiten Runde des DFB-Pokals auf St. Pauli alle Möglichkeiten. Der Eintracht-Express ist drauf und dran, auf den selbst gestellten Weichen Fahrt aufzunehmen – auch wenn den R. Standard de Liège spielerisch Sand im Getriebe war. Dennoch klingt es fast wie eine Drohung, wenn Martin Hinteregger ankündigt: „Wir kommen in den Rhythmus, englische Wochen machen uns nichts aus.“Aus Lütticher Sicht beinahe bedrohlich, dürfte die einmal mehr beeindruckende Choreographie des überlebensgroßen Adlers samt Geripptem in der Kralle gewirkt haben, flankiert von einem aus unzähligen schwarz-weißen Karos bestehenden Fahnenmeer, das an die schachbrettartigen Aufwärmleibchen der Lizenzspieler erinnerte. Auch Felix Magath ist bekannt dafür, seinen Spielern das Schachbrett mindestens genauso gerne an die Hand zu geben wie den Medizinball, um sich taktisch weiterzuentwickeln. Die Quintessenz daraus aus Sicht des früheren Frankfurters: Beherrsche das Zentrum und du kontrollierst das Spiel. Erst am vergangenen Freitag hatte Adi Hütter gleichermaßen die Mittelfeldzentrale als Herzstück einer Mannschaft bezeichnet. Entsprechend lag die Erklärung für die teilweise holprigen Angriffsversuche von Sebastian Rode fast auf der Hand. „In der ersten Halbzeit haben wir es verpasst, rechtzeitig die Achter zu finden, um das Mittelfeld schnell zu überbrücken“, befand der Antreiber, selbst mehr ein Anhänger von Karten- denn Brettspielen.

Variabilität der anderen Art

Insofern konnten die Hessen die Vorschusslorbeeren von Gästetrainer Michel Preud’homme, der dem Halbfinalisten der Vorsaison ein variables Auftreten attestierte, nicht vollends gerecht werden. Wobei auf andere Weise wiederum schon. „Für uns ist es wichtig zu wissen, dass wir nach Standards treffen können und variabel sind“, betonte Hinteregger, neben David Abraham der zweite Innenverteidiger, der nicht nur bemerkenswert stürmisch auch die Räume jenseits der Mittellinie beackerte, sondern nach einem ruhenden Ball von Daichi Kamada als Torschütze in Erscheinung trat. „Man hat gemerkt, dass uns heute zwei Stürmer gefehlt haben. In diesem Zusammenhang freut es mich immer, wenn nicht nur Angreifer für die Tore zuständig sind“, verwies Chefcoach Hütter zugleich auf die Ausfälle von André Silva und Bas Dost, wodurch das bereits in der Qualifikationsphase sowie am ersten Bundesligaspieltag gegen die TSG Hoffenheim praktizierte Rezept mit zwei hängenden Spitzen – der japanische Lieferdienst Kamada und Mijat Gacinovic hinter Goncalo Paciencia – Anwendung fand.

Diabolisches Doppel

Dass der Portugiese, der nach dem Seitenwechsel mit dem sich vorschiebenden Kamada einen Sturmpartner neben sich wusste, nicht jubeln durfte, lag insbesondere an den Reflexen von Vanja Milinkovic-Savic, weshalb es bis zum Schluss spannend blieb. Auch hier sah Hütter wieder beide Seiten: „Der Gegentreffer ärgert mich, aber wir hatten auch Chancen aufs dritte Tor“, so der Fußballlehrer, der die Schwarz-Weiß-Malerei im wörtlichen Sinne den Choreographen überlässt und mahnt: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns über Siege wie heute weiter freuen und nicht als Selbstverständlichkeit ansehen.“ Erst recht, wenn in der Bundesliga zunächst der aktuelle Tabellenführer Borussia Mönchengladbach und dann der amtierende Meister Bayern München warten – beide theoretisch im direkten Duell überholbar. Ehe die Adler zudem in zwei Wochen die Könige des Royal Standard Club de Liège zum zweiten Mal nicht nur Schach, sondern endgültig Matt setzen möchten, warten vor der berüchtigten Hölle von Sclessin am Mittwoch die Höllenglocken vom Millerntor – so nah können Gruft und Glückseligkeit beieinanderliegen.