Rainer Rauffmann kennt den zypriotischen Fußball wie kaum ein zweiter Deutscher. 1997 verließ der ehemalige Eintracht-Spieler sein Heimatland und wechselte zu Omonoia Nikosia nach Zypern. Der heute 51-Jährige hat dort geheiratet, sich griechisch-orthodox taufen lassen, die zypriotische Staatsbürgerschaft angenommen – und ganz nebenbei innerhalb von sieben Jahren mehr als ein Tor pro Spiel geschossen sowie zwei Meisterschaften eingefahren. Die Eintracht-Redaktion besuchte die zypriotische Legende im Rahmen des Spiels seines Vereins Omonoia Nikosia gegen Apollon Limassol, welches der kommende Gegner (Donnerstag, 25. Oktober, 21 Uhr) in der UEFA Europa League mit 2:0 für sich entschied.
Rainer, lass uns nicht über das Ergebnis sprechen. Zunächst: Warum waren heute so wenige Fans im Stadion?
Vor der Saison wurde eine Fankarte eingeführt, um „Gewalt und Kriminalität einzudämmen“, wie die Verantwortlichen sagen. Diese Plastikkarte müssen die Zuschauer bei offiziellen Spielen mit sich führen. Das machen viele Fans nicht mit. Die Zuschauerzahlen sind seither massiv in den Keller gegangen.
Was bedeutet das für das Eintracht-Spiel in Nikosia?
Ich rechne mit maximal 5.000 Apollon-Fans. Vor der Kulisse braucht die Eintracht keine Angst zu haben.
Und vor dem Gegner?
Das ist eine ganz gefährliche Mannschaft. Sie steht und fällt mit dem Kapitän, Fotis Papoulis. Er ist ein Dribbelkünstler, setzt die offensiven Mitspieler ein und ist trotz seiner 33 Jahre sehr gefährlich. Sie haben eine starke Offensive, aber zuletzt ein bisschen Verletzungspech in der Defensive gehabt. Sie ziehen unabhängig vom Gegner ihren Stiefel durch. Selbst gegen Barcelona. Das hat man auch in den ersten Gruppenspielen gesehen, und das werden sie auch gegen die Eintracht machen. Diesen Spielstil mögen die Leute hier mehr als den körperbetonten Fußball.
Hast du ihre Aufholjagd gegen Marseille gesehen?
Ja. Apollon war die letzten 20 Minuten drückend überlegen, sie hätten das eigentlich noch gewinnen können. Die Eintracht muss sehr vorsichtig sein.
Generell fällt in den vergangenen Jahren auf, dass immer mehr zypriotische Mannschaften in europäischen Wettbewerben vertreten sind. Worauf führst du das zurück?
Es wird gut gearbeitet im Scouting-Bereich. Mit den Budgets, die wir haben, schafft man es eigentlich nicht in die Gruppenphase der Europa League. Aber die gute Arbeit zahlt sich aus. Es gelingt, viele ausländische Spieler nach Zypern zu locken. Das hat das Level sehr angehoben. Zu meiner Zeit waren nur drei Ausländer erlaubt, heute spielen in manchen Teams 15.
Du sprichst deine aktive Zeit hier an. Du hast hier mal in einer Saison 42 Tore geschossen, so viele wie kein anderer in jenem Jahr in einer Profiliga. Wie hast du das nach eher mäßigen Jahren in Deutschland und Österreich geschafft?
Ich glaube, in der heutigen Zeit ist es nicht mehr möglich, so viele Tore zu machen, weil die Abwehrspieler viel besser sind. Damals waren sie noch nicht auf dem Level wie heute. Heute ist es für einen Stürmer hier schwerer.
Dennoch muss man erst mal über so viele Jahre so viele Tore schießen.
Wir hatten eine Bombentruppe, eine offensive Mannschaft. Die letzten Bälle sind immer zu mir gekommen, die brauchte ich nur noch reinzumachen. Wenn du in einer offensiven Mannschaft spielst und die Zuschauer die Mannschaft immer nach vorne peitschen, dann machst du zwangsläufig deine Tore.
Lief es in Zypern auch deshalb so gut, weil du schnell privat deinen Weg gefunden hast?
Ja. Ich habe meine Frau hier nach drei Monaten kennengelernt, mit ihr eine Familie gegründet und bin Vater geworden. Das hat mir den Anstoß gegeben, wieder professioneller zu werden. Das hat sich dann auf dem Platz ausgezahlt.
War Zypern sozusagen die letztmögliche Ausfahrt in deiner Karriere?
Mein Name war kaputt in Deutschland. Ich hätte vielleicht mit 29 Jahren meine Karriere beendet, wenn das mit Omonoia nicht geklappt hätte. Ich dachte zunächst, dass ich das nur ein Jahr mache und meinen Namen wieder etwas aufpoliere. Aus dem einen Jahr sind mittlerweile 21 geworden.
Was gefällt dir hier so gut?
Zum einen ist mir der Verein ans Herz gewachsen. Ich war hier Spieler und hatte danach verschiedene Funktionen, heute bin ich Scout. Omonoia ist die absolute Nummer eins in Zypern, obwohl er die vergangenen zehn Jahre nicht mehr so viele Titel geholt hat. Aber 40 Prozent der Einwohner auf der Insel sind Fans von uns.
Und zum anderen?
Die Zyprioten sind einfach unheimlich gastfreundlich. Wo man auch immer hingeht, wird man auf einen Kaffee, Wasser oder Bier eingeladen. Das Leben hier macht einfach Spaß.
Sind die Zyprioten auch fußballbegeistert?
Fußball ist hier die Nummer eins, alle sind fußballverrückt. Danach erst kommt die Familie und dann das Essen.
Essen aus der Heimat ist aber auch für dich eine schöne Sache.
Ich komme aus Bayern. Ich bin sehr froh, dass es in Nikosia ein Lebensmittelgeschäft mit bayerischen Spezialitäten gibt. Und wenn ich aus Deutschland komme, habe ich immer ein paar feine Sachen im Koffer.