04.09.2018
Verein

Bruchhagen: "Ich bin ja noch fit"

Heribert Bruchhagen, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Eintracht, wird heute 70 Jahre alt.

Kaum zu glauben, aber Heribert Bruchhagen wird an diesem 4. September 70 Jahre alt. Ein Tag, der groß von ihm in Frankfurt gefeiert wird. Mit alten Kämpen aus seiner Eintracht-Zeit, mit, Wolfgang Steubing, mit Fredi Bobic und Bruno Hübner, auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier wird mit ihm ein Gläschen trinken, selbst zwei Journalisten hat er eingeladen: "Das wäre mir früher nie passiert, aber die beiden kenne ich seit 40 Jahren." Eine große Bedeutung misst der Jubilar seinem Ehrentag trotzdem nicht bei: "Ich bin ja noch fit, ich kann mich noch sportlich betätigen." Joggen oder auch Golf spielen. "Obwohl, dafür bin ich eigentlich zu doof", merkt er selbstkritisch an.

13 Jahre Adlerträger

Nein, seinen trockenen Humor hat der "Herry" nicht verloren. Er hat sogar nun mehr Zeit ihn auszuleben. Nicht mehr Frankfurt oder Hamburg ist sein Lebensmittelpunkt, es ist Harsewinkel. Kreis Ostwestfalen-Lippe halt. 25.000 Einwohner, mehr als 80 Prozent der Fläche ist grün. Wiesen, Wälder, Felder ja, die gewohnten TV-Kameras Fehlanzeige.

Eine Veränderung, an die man sich gewöhnen muss. Gegen acht Uhr die Zeitung aus dem Briefkasten holen, sich mit ihr noch mal gemütlich ins Bett legen, gegen halb Zehn aufstehen, sich aufs Fahrrad schwingen zum Brötchen holen und dann gemütlich frühstücken. Neuland für einen, der ein Leben lang für den Fußball gelebt hat, 13 Jahre davon für Eintracht Frankfurt.

Gutes Team im Hintergrund

Als Heribert Bruchhagen am 1. Dezember 2003 Vorstandsvorsitzender der Eintracht Frankfurt Fußball AG wurde, da stritt man sich heftig über das größte Problem: War die sportliche oder die wirtschaftliche Lage schlechter? Der ehemalige Oberliga-Kicker des FC Gütersloh formuliert das Dilemma heute so: "Die sportliche Situation war sehr, sehr schlecht, die wirtschaftliche war katastrophal." Gut 13 Jahre später, als er die Eintracht verließ, "habe ich den Verein in einem besseren Zustand zurückgelassen."

Es waren keine einfachen Jahre, zu hoch war am Anfang der Erwartungsdruck gewesen: "Ich hatte das Glück, dass ich in der zweiten Reihe erstklassige Mitarbeiter hatte." Er nennt Marketing-Spezialistin Jutta Kamolz, den heutigen Finanz-Vorstand Oliver Frankenbach sowie Philipp Reschke. Jurist und Prokurist, aber auch "Mädchen für alles". Das sei wichtig gewesen in einem Umfeld, das zunächst deutliche Reibungspunkte zwischen Verein und AG bot.

Keine Abstiegsgefahr bei der Eintracht

Heribert Bruchhagen bohrte am Main über Jahre hinweg dicke Bretter, versuchte mit markigen Sprüchen, das Umfeld an die Realität zu gewöhnen. "Die Bundesliga ist zementiert", sagte der Mann, der immer wieder vermitteln wollte: "Geld schießt Tore". Weshalb auch das TV-Ranking "die wahre Tabelle" sei. Für Träumereien war er nie zu haben. Seine Hartnäckigkeit habe sich durchaus rentiert: "Frankfurt hat dazu gelernt, die Erwartungen waren realistischer als ich ging." Weshalb er auch an eine positive Zukunft der Eintracht glaubt: "Sie wird am Ende dieser Saison irgendwo zwischen Platz acht und zwölf landen."

In der vergangenen Spielzeit habe das Pendel nach oben ausgeschlagen, jetzt könnte es halt mal wieder etwas abwärts gehen: "Aber mit dem Abstieg wird sie nichts zu tun haben." Dass erste Stimmen genau das nach Supercup-Niederlage und Pokal-Desaster befürchteten, sei "halt normal für Frankfurt".

Bruchhagen: "Auch ich habe Fehler gemacht"

Er hat sich gefreut, dass ihm die Eintracht zwei Ehrenkarten zukommen ließ: "Ich werde sie häufig nutzen." Die vielen Erinnerungen an die Zeit in der Mainmetropole lassen ihn nicht los. Wenn er mal in Frankfurt ist, "dann ist das wie ein positives Spießrutenlaufen, Die Leute tun ja so, als ob ich der Messias gewesen wäre. Aber das war ich nicht." Natürlich habe er Fehler gemacht. Was würde er also anders machen, wenn er die Zeit zurück drehen könnte? "Nichts. Ich habe immer nur an den Fußball gedacht und alle Entscheidungen aus Überzeugung getroffen."

Wobei er beileibe nicht immer der große Entscheider gewesen war: "So habe ich mich gegeben. Aber die Leute wussten ja nicht, wenn ich eine unbequeme Entscheidung über Tage vor mich her geschoben habe." Er war immer Vertreter einer klaren Linie. Darunter litten dann manchmal auch Journalisten. Als eine Frankfurter Zeitung in seinen Augen zu harte Kritik an Caio übte, habe er vier Jahre lang außerhalb der Pressekonferenzen nicht mehr mit diesen Kollegen gesprochen. Der Brasilianer sein sportlich wohl eine Enttäuschung gewesen sein, "aber das ist kein Grund, ihn menschlich fertig zu machen."

Apfelkuchen war der Renner

Heribert Bruchhagen ist ein Mann, der sich nie verbog, der ein unheimliches Fachwissen hatte und der auch andere offen vorgetragene Meinungen akzeptierte. Die Einschätzung des Fanverhaltens war bei ihm immer ein heißes Thema. Während es durchaus Pyro-Befürworter gab, war er da eindeutig pragmatisch: "Ich hatte einfach keine Lust mehr, schon wieder 70 000 Euro Strafe zahlen zu müssen." Dabei habe er als ehemaliger Gymnasiallehrer durchaus Verständnis für Jugendbewegungen, "aber für mich stand immer der Fußball im Vordergrund."

Weshalb er auch fordert, Friedhelm Funkel in Frankfurt ein Denkmal zu errichten: "Was Friedhelm hier geleistet hat, war ein wirklicher Glücksfall." Jeden Tag hatten sie sich fünf Jahre lang um neun Uhr in Bruchhagens Büro getroffen, bei Kaffee und einem Stück Kuchen die Lage besprochen, Ideen ausgetauscht und Pläne geschmiedet. Apfelkuchen soll der Renner gewesen sein.

Eintracht ist Trainer-stabil

Hierzu passt ein weiterer Bruchhagen-Spruch: "Der Trainer hat immer einen Stern mehr." Frei nach seinem Motto: "Die Eintracht ist Trainer-stabil." Weshalb er sich im Nachhinein ärgert, Thomas Schaaf nicht stärker gestützt zu haben: "Wir sind Neunter geworden, er war ein guter Trainer und kein Kasper." Schaaf hatte für Bruchhagen sehr verständlich einfach keine Lust gehabt, mit angeblich wichtigen Leuten abends um die Ecken zu ziehen: Weshalb es immer wieder Stimmen gegen den Bremer gegeben habe. "Ich hätte mich breiter machen müssen." Schließlich war die Eintracht in der Ära Bruchhagen auch zweimal abgestiegen. War der erste Abstieg noch verständlich, so war der zweite total überraschend und eine Fehleinschätzung gewesen. Der trockene Bruchhagen hatte sich als Retter für Christoph Daum entschieden. Das ging schief.

"Völlig den Verstand verloren"

Entsprechend angespannt war er im Frühjahr 2016, als die Eintracht erneut in akuter Abstiegsgefahr schwebte. Zusammen mit Bruno Hübner hatte er als Retter Niko Kovac trotz Bedenken in den Gremien durchgesetzt. Der Rest ist bekannt: Relegationsspiele gegen den "Club". Als in Nürnberg der Klassenerhalt in Bruchhagens letztem Eintracht-Spiel gesichert war, da brachen bei ihm alle Dämme: Er rannte erstmals in die Fankurve und ließ sich feiern!

"Da hatte ich vollständig den Verstand verloren. Ich hatte ja nicht mitgespielt, ließ mich aber trotzdem feiern", schüttelt der nun Siebzigjährige über sich selbst den Kopf. Wobei dieser Gefühlsausbruch verständlich war. Hätte Heribert Bruchhagen die Eintracht als künftigen Zweitligisten verlassen, wäre die Beurteilung seiner langen Arbeit anders, viel negtiver ausgefallen. Alle standen an diesem Tag unter enormem Druck, aber keiner unter einem so großen wie er.