Mit einer großen Delegation war Eintracht Frankfurt zu Beginn des Jahres in New York gewesen und hat dort seine Internationalisierungspläne zielstrebig vorangetrieben. In den Räumlichkeiten des Hauptsponsors Indeed wurde ein Büro eröffnet mit dem Ziel, „langfristig Fuß zu fassen“ in den USA, wie es Sportvorstand Fredi Bobic beschrieb. Für das Jahr 2021 plant der Klub 70 Jahre nach der „Goodwill-Tour“ der Eintracht, die maßgeblich zur Finanzierung des Wiederaufbaus des Riederwalds beigetragen hat, mit den Profis ein Freundschaftsspiel in New York. Rund drei Monate später ist die Metropole an der Ostküste das Epizentrum der Coronapandemie in den USA.
Mittendrin arbeitet Kai Roemmelt, Generalrepräsentant der Eintracht für Nordamerika. Der gebürtige Frankfurter ist für die Bertelsmann Education Group tätig, die ihr Büro auf dem Broadway hat. Für die Eintracht knüpft er in Übersee Kontakte, wirkt als Türöffner und ist als einer der Initiatoren des EFC New York auch in der Fanszene tätig.
Kai, wo erreichen wir dich und wie geht es Familie Roemmelt?
Ich lebe mit meiner Frau und unseren zwei Kindern etwa eine Stunde außerhalb der Stadt, im nordöstlich von New York gelegenen Bundesstaat Connecticut. Uns geht es gut, aber die Einschläge kommen näher. Im Freundes- und Kollegenkreis hat es schon Coronafälle gegeben. Das Virus ist real, auch wenn wir von den Geschehnissen in der Stadt und den dramatischen Bildern, die durch die Medien gehen, nicht viel mitbekommen. In Deutschland schaut man sehr kritisch auf die USA. Ich glaube, das ist etwas überzogen.
Wie ist die Situation in deinem Umfeld und wie beeinflusst die Coronakrise dein Privatleben?
Bei uns sind die Vorgaben mit Kontaktsperre et cetera ähnlich wie in Deutschland; es bilden sich Schlangen vor den Supermärkten, Spielplätze und Strand sind gesperrt. Die Leute nehmen das aber mittlerweile gut an und sind diszipliniert. Ich habe zwei kleine Kinder, der große Garten ist im Moment natürlich unbezahlbar. Als Familie musst du dich viel besser organisieren, weil es keine Kinderbetreuung und keine sportlichen Aktivitäten gibt. Ich habe weniger Zeit als vorher, der Arbeitstag ist länger, weil du dich zwischendurch natürlich mit den Kids beschäftigst. Meine Frau und ich müssen uns gut strukturieren, mit vier Leuten den ganzen Tag zu Hause. Für mich hat die Krise den positiven Effekt, dass ich nicht auf Dienstreisen bin, das ist für mich sehr ungewohnt. Dadurch verbringe ich viel mehr Zeit zu Hause bei der Familie.
Du spannst schon den Bogen zum Dienstlichen. Welche Auswirkungen hat das auf deinen beruflichen Alltag?
Unsere Mitarbeiter sind quer durch die USA verteilt und schon lange ins Homeoffice geschickt worden. Das war bei uns aber kein großes Thema, weil Homeoffice hier viel üblicher ist als in Deutschland. Jede Firma, die es sich von der Arbeitsweise erlauben kann, beschäftigt Remote-Mitarbeiter, die überall ihrer Arbeit nachgehen – aber nicht im Büro. Wir haben keinen Produktivitätsverlust, Videokonferenzen und Zoom-Meetings waren für uns bereits normal. Jetzt treffen wir uns aber auch regelmäßig für rund eine halbe Stunde virtuell und reden über nichtarbeitstechnische Themen, denn dieser Austausch fällt physisch aktuell weg. Wir überlegen auch, nach der Krise komplett auf eine virtuelle Organisation zu wechseln.
„Wir unterstützen die Initiative ‚New York kicks Coronavirus‘“
Als Eintracht-Fan und Generalrepräsentant bist du täglich mit Eintracht-Fans in Kontakt. Wie hat sich der Austausch während der Coronakrise verändert?
Beim Spiel gegen Basel hatten wir noch eine Watch Party, die viel kleiner ausgefallen ist als sonst. Ich habe gehört, dass nun eine virtuelle Watch Party mit dem DFB-Pokalfinale von 2018 geplant ist. Der Austausch ist ansonsten immer noch sehr rege. Jetzt natürlich nur über die sozialen Medien. Hier lebt die Community, diskutiert und fachsimpelt. Der Podcast „Hey Eintracht Fankfurt“, der von hier aus in englischer Sprache betrieben wird, wird natürlich immer gerne gehört. Über Twitter wird gefragt, welche historischen Themen mal angesprochen werden sollen. Ansonsten haben wir uns mit dem EFC New York der Spendenaktion „New York kicks Coronavirus“ angeschlossen.
Wie kam es dazu?
Tom Fraehmke, mit mir Mitbegründer unseres Fanclubs, hat den Kontakt hergestellt. 34 New Yorker Fanclubs von Fußballvereinen überwiegend aus Europa [u.a. Juventus, Liverpool FC, AC Milan, AS Roma, Paris Saint-Germain, FC Bayern München; Anm. d. Red.] haben sich mit dem Ziel zusammengefunden, möglichst viel Geld für New Yorker Gesundheitseinrichtungen zu sammeln, die dringend finanzielle Mittel benötigen. Das ist eine tolle und wichtige Sache, die wir gerne unterstützen und jeder von uns in seinem Umfeld teilt. Wir wollen eine große Social-Media-Kampagne daraus machen.
Im kommenden Jahr plant die Eintracht das Comeback der Goodwill-Tour. Wie laufen die Planungen aktuell?
Anfang Mai wollte eine Eintracht-Delegation hierherkommen und wir wollten gemeinsam verschiedene Dinge angehen. Das fällt jetzt natürlich aus. Die Vorbereitungen laufen aber mit Telefonkonferenzen und digitalem Austausch weiter.
In Deutschland ist der Sport, vor allem der Fußball, trotz der Krise in den Medien sehr präsent. Wie sieht es mit dem Fußball in den USA aus und wie sind die Pläne, wann in der Major League Soccer wieder stattfinden werden soll?
In der Medienpräsenz ist zu erkennen, dass der Fußball in den USA eher im Sportteil bleibt, während unser Lieblingssport in Deutschland eine größere Bedeutung und auch auf den ersten Seiten ein Thema ist. Die MLS ist vorerst bis zum 10. Mai ausgesetzt. Wie in Deutschland auch kann sich das situationsbedingt auch weiter nach hinten schieben. Das meiste Geld, insbesondere in den vier großen Sportarten, wird in den Play-offs gemacht. Deswegen kann ich mir vorstellen, dass, sollten die Spiele im ohnehin schon engen Terminkalender nicht nachgeholt werden können, die reguläre Saison verkürzt wird und man früher in die Play-offs startet. Aber das ist nach jetzigem Stand noch Spekulation.
Wie groß ist die Sehnsucht nach deutschem Fußball?
Sehr groß. Ich freue mich, wenn sich die Lage bald wieder normalisiert und wir uns wieder zu Watch Partys treffen können. Bis dahin tun wir alles, um in der Coronakrise zu helfen, unter anderem durch die angesprochene Initiative „New York kicks Coronavirus“. Die Gesundheit aller, insbesondere der vielen Helfer und der Menschen aus der Risikogruppe, hat momentan oberste Priorität.