Zimbo, du bist vor Kurzem erneut Vater geworden. Herzlichen Glückwunsch. Genau das war aber auch der Grund dafür, dass du das Spiel gegen Wolfsburg, als sich Kevin Trapp verletzte und Kaua Santos zur zweiten Halbzeit reinkam, nur am Fernseher gesehen hast. Wie hast du das Spiel erlebt?
In der Szene, als Kevin den Abstoß ausgeführt hat, war mein erster Gedanke: Er muss raus. Ich kenne Kevin inzwischen sehr, sehr gut und habe es in der ersten Millisekunde gespürt. Mir hat es für ihn sehr leidgetan, da hat man natürlich viel Mitgefühl. Als Kaua reinkam, war ich entspannt. Wir arbeiten nicht erst seit gestern zusammen. Ich habe mich gefreut, ihn in einem Bundesligaspiel zu sehen.
Kaua Morais Vieira dos Santos – er kam im Sommer 2023 aus der U20 von Flamengo Rio de Janeiro nach Frankfurt, damals als frischgebackener U20-Südamerikameister. Wie bist du, wie seid ihr auf ihn aufmerksam geworden?
Wir schauen uns regelmäßig weltweit gezielt in bestimmten Altersregionen um. Er ist uns sehr positiv aufgefallen. Wir haben ihn live gescoutet, zudem hatte ich mehrere Online-Meetings mit ihm. Wenn man sich mehrere Stunden mit jemandem unterhält, bekommt man ein Gefühl für die Person.
Was hat dich beim Scouten des jungen Kaua direkt überzeugt?
Ich schaue vor allem nach den nicht trainierbaren Fähigkeiten. Ich weiß, was ich den Spielern hier beibringen und vermitteln kann. Aber die nicht trainierbaren Fähigkeiten sollten nicht vernachlässigt werden: seine Einstellung zum Spiel, wie er das Spiel liest, sein Bewegungstalent und seine Beweglichkeit. Genau diese Antwort könnte ich aber auch zu Jens Grahl geben, der wenig Bundesligaspiele auf dem Konto hatte – aber es war seine Persönlichkeit, seine Art zu spielen und seine offensiven Impulse. Das sind alles Dinge, die mir wichtig sind, weil ich weiß, dass sie uns helfen und voranbringen. Und ich weiß, was ich vermitteln und den Jungs beibringen kann. Die Basics habe ich nun gar nicht genannt, die müssen sowieso da sein. Und wenn das alles matcht, passt es für uns.
Torwart ist man oder man ist es nicht.
Jan Zimmermann, Torwarttrainer
Nach dem ehemaligen Hoffenheimer Heurelho Gomes ist Kaua nach seinem Debüt in Wolfsburg erst der zweite brasilianische Torhüter in der Bundesliga. Nicht ganz ernst gemeinte Frage: Wieso entscheidet man sich als Brasilianer freiwillig für das Tor? Wahrscheinlich aufgrund seiner Größe von 1,96 Meter?
Das kann wohl kein Torwart rational erklären. Das ist eine Gefühlssache. Torwart ist man oder man ist es nicht.
Apropos brasilianisch: Mit Ball am Fuß scheint er sehr cool und gelassen zu sein?
Das stimmt, seine brasilianische Mentalität hilft ihm dabei. Das könnte aber auch zur Gefahr werden, da bin ich auch als Mahner gefordert. Die Bundesliga ist er in dem Sinne noch nicht gewohnt, da darf man nicht jedes Risiko gehen. Da muss er das richtige Maß finden.
Wo hat Kaua Fortschritte gemacht, wo hat er sich konkret verbessert?
Dieses Feld ist sehr weit, grundsätzlich arbeiten wir an allem. Da geht es unter anderem um Klarheit, auch dass er unabhängig seiner großen fußballerischen Qualitäten auch mal die lange Lösung sucht. Da war ich sehr streng mit ihm, aber es hat geholfen.
Was hat er von Kevin Trapp gelernt, wie siehst du seine Lernbereitschaft?
Die Lernbereitschaft ist bei den Torhütern allgemein groß, da haben wir in unserer Gruppe eine außergewöhnliche Mentalität. Auch was die Bereitschaft für Veränderungen angeht – das hatte ich auch bei Kevin schon häufig gelobt. Ich erarbeite mit den Jungs ein auf sie zugeschnittenes Profil, das ihnen dabei hilft, bestmöglich zu performen. Kaua ist sehr lernwillig und hat mit Kevin Trapp jemanden an seiner Seite, der ihm neben der Arbeit auf dem Platz auch viel bei der Integration und der Vermittlung der Werte geholfen hat.
Inwieweit hat ihn die Zeit bei der U21 [13 Spiele in der Regionalliga Südwest – Anm. d. Red.] nach vorne gebracht?
Ich bin großer Fan davon. Die Spiele haben ihn neben der Spielpraxis, die er sonst nicht gehabt hätte, auch auf den deutschen Fußball vorbereitet. Er hat mir bestätigt, dass es etwa diese Art von Pressing in Brasilien nicht gab. Es hat ihm geholfen.
Es wartet das Startelfdebüt im ausverkauften Deutsche Bank Park gegen Mönchengladbach. Wie bereitest du einen jungen Kerl wie ihn darauf vor?
Seitdem er hier ist, bereite ich ihn darauf vor. Unsere Trainingsplätze liegen im Schatten des Stadions, sozusagen als „Mahnmal“ – da drin musst du performen und Leistung bringen. Mit Kevin hat er ein Paradebeispiel. Er ist unser Kapitän, bringt über Jahre konstante Leistungen – und das sind Themen, die ich gut benutzen kann. Jetzt gilt für Kaua mehr denn je: Denken bringt nichts, es zählt Leistung. Seit einem Jahr bereiten wir uns darauf vor. Er hat die Fähigkeiten. Es werden ihm als junger Spieler Fehler unterlaufen, aber er wird auch viele gute Dinge zeigen.
Ändert sich die Spieltagsvorbereitung in einer gewissen Weise?
Grundsätzlich bekommen alle drei Torhüter stets die gleiche Vorbereitung, denn es kann theoretisch passieren, dass beide über Nacht krank werden. Entsprechend ist auch die Nummer drei immer voll vorbereitet. Natürliche gehe ich mit Kaua anders um als mit Kevin [Trapp] oder Jens [Grahl], es sind drei unterschiedliche Persönlichkeiten, aber grundlegend ändert sich an der Vorbereitung nichts. Unabhängig von der Anzahl der Profispiele wird keiner der Torhüter einen Matchday locker angehen und sagen „Ach, ich brauch‘ nichts …“. Deshalb: Alles gleich, da mache ich keine großen Unterschiede. Wir arbeiten mit Kaua nun auch schon ein Jahr zusammen und sind überzeugt von ihm.
Im Podcast „Aufstehen mit der Eintracht“ sprechen Marc Hindelang und Jan Zimmermann über die Integration des jungen Brasilianers und welch große Rolle Kevin Trapp dabei gespielt hat, über Dienste in der Küche morgens um 5 Uhr, was Jan Zimmermann von jedem seiner Torhüter immer erwartet sowie über Jens Grahl.
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