25.05.2021
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Das Ende einer „Herzensangelegenheit“

Die Wege von Bruno Hübner und der Eintracht kreuzen sich schon früh, Sportdirektor wird er am heutigen Dienstag vor zehn Jahren. Nun verabschiedet sich der 60-Jährige.

Am heutigen Dienstag vor genau zehn Jahren hat Eintracht Frankfurt um 17.19 Uhr eine Pressemeldung herausgegeben. Deren Inhalt: Bruno Hübner ist zum neuen Sportmanager bestellt worden und beginnt seinen Dienst mit sofortiger Wirkung. Dass Eile geboten ist, ist Ende Mai 2011 nicht verwunderlich. Die Eintracht ist gerade in die Zweite Liga abgestiegen, ein Trainer für die neue Saison ist noch nicht gefunden. Der seinerzeit 50-Jährige ist also direkt gefordert. Kein Problem für Hübner, der zwar vom MSV Duisburg kommt, aber quasi zu seinen Wurzeln zurückkehrt.

Von Kastel nach Kaiserslautern

Bruno Hübner (stehend links) mit weiteren Zugängen 1982 beim 1. FC Kaiserslautern.

Bruno Hübner wurde am 28. Januar 1961 in Mainz-Kastel, seit 1945 ein Stadtteil von Wiesbaden, geboren. Das Fußballspielen erlernte er bei der ortsansässigen FVgg. Kastel 06, für die er zunächst im Jugend- und später im Seniorenbereich in der Oberliga Hessen spielte. Nach der Saison 1980/81 wagte er im Alter von 20 Jahren den Schritt zum 1. FC Kaiserslautern. Obwohl die hessische Oberliga zum damaligen Zeitpunkt immerhin drittklassig war, kann man rückblickend nur staunen, wie schnell sich der gelernte Mittelstürmer in der Bundesliga etablieren konnte. Sein Debüt im deutschen Oberhaus feierte er unter dem späteren Eintracht-Trainer Karlheinz Feldkamp am 8. August 1981 ausgerechnet in Frankfurt, als sich die SGE und der FCK am 1. Spieltag 2:2 trennten. "Mein erstes Profispiel war in Frankfurt, das letzte auch. Diese tollen Geschichten schreibt wirklich nur der Fußball", lacht Hübner. Der 1. FC Kaiserslautern beendete die Saison 1981/82 auf Rang vier und zog in den UEFA-Cup ein. Dort erlebte er in der darauffolgenden Saison einen seiner Karrierehöhepunkte als Spieler. Nach dem 1:3 im Bernabeu mit ihm in der Startaufstellung überrollte der FCK das Starensemble von Real Madrid im denkwürdigen Rückspiel, wenn auch ohne Hübner, mit 5:0 und zog in das Halbfinale des Wettbewerbs ein. "Die Kulisse im Bernabeu vor 90.000 Zuschauern war natürlich beeindruckend, da erinnere ich mich gerne daran", sagt er heute. Verletzungen verhinderten allerdings eine größere Spielerkarriere. So beendete er 1986 nach „nur“ 76 Bundesliga- (19 Tore), acht UEFA-Cup- und drei DFB-Pokal-Einsätzen seine Profilaufbahn.

Über zwei Jahrzehnte in Wehen

Von Kaiserslautern aus führte ihn der Weg zurück nach Hessen zum SV Wehen, seit 2007 als SV Wehen Wiesbaden bekannt. In dem Taunussteiner Ortsteil war er eines der prägenden Gesichter und ein entscheidender Faktor dafür, dass sich der Verein zu einem der erfolgreichsten in ganz Hessen entwickelte. Bestechend dabei seine Vielseitigkeit: Zunächst schnürte er für ein Jahr die Fußballschuhe, ehe er verletzungsbedingt seine Spielerkarriere endgültig beendete. Als Funktionär blieb er dem Verein jedoch erhalten und konnte sich nach den mehr als 20 Jahren Tätigkeit in Wehen als Trainer, Vizepräsident und Manager in seine Vita schreiben. 2007 verließ er den Verein kurz nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte: dem Meistertitel in der damals drittklassigen Regionalliga Süd und dem damit verbundenen Aufstieg in die Zweite Fußballbundesliga.

Pokalfinale mit Duisburg, danach Wechsel nach Frankfurt

In der Winterpause 2007/08 heuerte er beim klassenhöheren MSV Duisburg an. Die Mannschaft stieg unter dem früheren Adlerträger Rudi Bommer am Ende der Saison zwar aus der Bundesliga ab. Doch auch die Zeit bei den Meiderichern endete mit einem großen Erfolg: dem Erreichen des DFB-Pokalfinals 2010/11 gegen den FC Schalke 04 (0:5). Doch Hübner hatte in seiner zweieinhalbjährigen Tätigkeit beim MSV bewiesen, dass seine akribische Arbeitsweise und Überzeugungskraft bei Spielerverhandlungen wirtschaftliche Nachteile zumindest teilweise ausgleichen konnten. Kurz vor dem Pokalfinale erhielt er den Anruf von Heribert Bruchhagen, ob er sich einen Wechsel zur abgestiegenen Eintracht vorstellen könne. Konnte er: Bei seinem Amtsantritt betonte er, dass er nicht lange überlegen musste, da die Eintracht für ihn als gebürtigen Hessen schon immer eine „Herzensangelegenheit“ gewesen sei.

Erfolgreiche und prägende Jahre bei der Eintracht

In seinem ersten Jahr bei der Eintracht gelingt Bruno Hübner mit seinem Verein die Rückkehr in die Bundesliga.

Die Eintracht befand sich nach dem überraschenden Abstieg 2010/11 im Umbruch. Die Strukturen waren mit den heutigen kaum vergleichbar. Hübner bestach wieder durch seine Akribie und seine Überzeugungskraft. Die Verpflichtung von Stuttgarts Meistertrainer Armin Veh für die schwierige Aufgabe in der Zweiten Bundesliga erwies sich als echter Coup. Dabei war Veh anfangs nicht davon überzeugt, dass der Schritt nach Frankfurt in Liga zwei für ihn der Richtige sei. „Ich wollte das eigentlich nicht machen“, sagte er kürzlich im Gespräch mit der Eintracht anlässlich seines 60. Geburtstages, den Veh nur vier Tage nach Hübner Anfang Februar dieses Jahres feierte. Der Rest ist Geschichte: Das geliehene (und zu eng geschnittene) Hemd für Armin Veh bei der Pressekonferenz, der Wiederaufstieg 2011/12, das Erreichen von Platz sechs und dem damit verbundenen Einzug in die Europa League 2012/13 und schließlich die rauschenden Fußballfeste mit zigtausenden Eintracht-Fans in Bordeaux oder Porto 2013/14.

Ähnlich wie bei den Verpflichtungen von Veh verhielt es sich auch bei Spielern. Ein strategisch wichtiger Vorteil war für Hübner dabei zuweilen der Flughafen als internationales Drehkreuz. So erfuhr er dank seines exzellenten Netzwerks von der Zwischenlandung des norwegischen Nationalspielers Vadim Demidov in Frankfurt. Dieser war eigentlich auf dem Weg vom spanischen San Sebastian nach London, um dort einen Vertrag zu unterzeichnen. Nach dem leidenschaftlichen und überzeugenden Gespräch mit Menschenfänger Hübner stieg der Norweger nur noch deshalb ins Flugzeug, um dem englischen Verein persönlich abzusagen. Letztlich konnte sich Demidov bei der SGE zwar nicht durchsetzen und verließ den Verein nach nur fünf Spielen. Diese Geschichte zeigt jedoch, wie Hübner arbeitete und häufig die ganze Emotionalität des Vereins mit in seine Gespräche einfließen ließ. Um auch keinen wichtigen Anruf und damit mögliche Spielertransfers zu verpassen, nahm Hübner das Handy sogar mit auf die Skipiste im Winterurlaub.

Der größte Erfolg: natürlich der DFB-Pokalsieg 2018.

In seinen zehn Jahren bei der Eintracht führte der Weg fast immer nur nach oben. Die einzige kleine Erfolgsdelle mit der Abstiegsrelegation 2015/16 gegen den 1. FC Nürnberg endete, auch dank den durch ihn verpflichteten Kovac-Brüdern, glimpflich und wurde mit dem DFB-Pokalfinale 2017 (1:2 gegen Dortmund) und erst recht mit dem phänomenalen 3:1-Pokaltriumph 2018 gegen die Bayern mehr als überstrahlt. Nun verlässt er die Eintracht nach insgesamt zehn ereignisreichen Jahren, wie auch seine vorigen Vereine, mit einem großen Erfolg im letzten Jahr: 60 Punkte, Platz fünf und zum dritten Mal in den vergangenen vier Jahren die Qualifikation für die Europa League.

Fußballverrückte Familie

Was er mit der neugewonnenen Freizeit machen möchte, weiß der stets nahbare und freundliche Bruno Hübner schon ganz genau: die Atmosphäre in Frankfurt ganz ohne Verantwortung und Druck als Zuschauer genießen und vor allem endlich mal in Ruhe Fußballspiele seiner Söhne anschauen. Sein ältester Sohn Christopher Hübner (34), der einst für den SV Darmstadt 98 in der 3. Liga spielte, beendete seine aktive Karriere zwar bereits 2016. Doch seine beiden jüngeren Söhne Benjamin (31/1899 Hoffenheim) und Florian (30/1. FC Union Berlin) sind bekanntermaßen in der Bundesliga aktiv. Bemerkenswert dabei: Das Kunststück, dass gleich zwei Söhne eines ehemaligen Bundesligaspielers ebenfalls in der Beletage des deutschen Fußballs zu Einsätzen kommen, gelang außer Hübner nur Pál Dárdai. Seine beiden Söhne Palkó (22) und Márton (19) kamen wie ihr Vater für Hertha BSC zum Einsatz. Hübner meint: "Ohne den Fußball hätten wir auch bei uns in der Familie weniger Gespräche und weniger Erfolgsmomente. Das würde uns gewaltig fehlen." Nun wird Bruno Hübner dem Fußball fehlen, zumindest in offizieller Funktion. 

Ist und bleibt ein Adlerträger: Bruno Hübner.