15.09.2024
Bundesliga

Defensive Durchschlagskraft

Die Eintracht muss in Wolfsburg mehr reagieren als geplant und entwickelt trotzdem mehr Torgefahr. Ausgerechnet zwei Brasilianer sorgen für Ruhe im eigenen Strafraum.

Manchmal sind es die zufälligen Begegnungen, die den Fußball so erfrischend einfach machen. Der Abpfiff ist ertönt, die Adlerträger lassen sich vom eigenen Anhang für das erkämpfte 2:1 beim VfL Wolfsburg feiern und im Übergangsbereich zwischen Medienraum und Zuschauertribüne grummelt ein Hesse mit leuchtenden Augen: „Seit zwölf Jahren fahre ich hier her, und wir holen nie was.“ Da hat sich einer wohl die siegreichen Auswärtsreisen in die Autostadt 2018 und 2020 gespart, aber sei’s drum. Der Ausspruch verdeutlichte zweierlei. Zum einen, dass die Adlerherzen nicht allein in der Gästekurve pochten, zum anderen, dass die Volkswagen Arena seit jeher ein hartes Pflaster für die SGE ist. Die Ursachenforschung, warum es diesmal keiner Trostpflaster bedurfte, fand drei Stockwerke tiefer in der Mixed Zone statt.

Auch in den Katakomben fanden die Protagonisten bei aller Komplexität, die drei Punkte in der Bundesliga so oft mit sich bringen, auch einfache Antworten. So wie Robin Koch: „Wir haben es defensiv als Mannschaft gut gemacht. Ich glaube, Wolfsburg hatte mehr Ballbesitz, aber wir hatten mehr klare Chancen.“ Und am Ende den 2:1-Sieg auf der Habenseite.

Dass die Adler mehr abwarten mussten als agieren konnten, war dabei keineswegs gewollt, wie Dino Toppmöller auf der Pressekonferenz zugab. „In den ersten 20, 25 Minuten haben wir wenig stattgefunden und haben etwas umgestellt“, leitete der Fußballlehrer ein und erklärte wenige Minuten später: „Wir stellen uns das mit Ball schon anders vor und wollen dominanter auftreten. Aber weil Wolfsburg uns häufiger unter Druck gesetzt hat als wir dachten, sind wir nicht in unsere Abläufe gekommen. Die Mannschaft hat es sehr gut gemacht, mit viel Mentalität und Leidenschaft verteidigt und immer wieder gute Umschaltmomente gehabt.“ Als Paradebeispiel nannte der Cheftrainer die Entstehung des 1:0. „Wir wollten Niels Nkounkou etwas mehr im Zentrum haben für zweite Bälle. Er legt auf Hugo Larsson ab, der einen guten Anschluss hat, und Hugo Ekitiké und Omar Marmoush spielen das hinten raus super aus!“

Wären nach dem Seitenwechsel weitere Kontertore gefallen, die defensive Deckungsarbeit würde rückblickend vielleicht weniger gewürdigt als es nach dem knappsten aller Siege der Fall ist. Insgesamt 28 Flanken prasselten auf den Frankfurter Strafraum ein, die wenigsten lieferten Anlass zur Sorge. Dabei stand der Rückhalt schlechthin in der zweiten Halbzeit nicht mal mehr auf dem Rasen. Kevin Trapp verletzte sich bei einem Abstoß wenige Sekunden vor dem Pausentee am Oberschenkel und fällt für die kommenden Wochen aus, wie das MRT am Sonntag ergab.

Bühne frei für den zur neuen Nummer zwei erklärten Kaua Santos, den zweiten brasilianischen Torwart überhaupt nach dem ehemaligen Hoffenheimer Heurelho Gomes, der in der höchsten deutschen Spielklasse zwischen den Pfosten steht.

Geschichte des Spiels: Kaua Santos

„Für sein junges Alter und das erste Bundesligaspiel hat er es sehr, sehr gut gemacht“, lobte Markus Krösche hinterher. Der Sportvorstand präzisierte: „Kaua hat eine unheimliche Ruhe ausgestrahlt, ist auch bei Flanken zur Stelle gewesen. Es zeichnet ihn schon aus, dieses brasilianische Selbstbewusstsein. Er hat auch die gewisse Größe und Ausstrahlung.“ Die Eckdaten zur Nummer 40: 196 Zentimeter lang, 21 Jahre jung, im August 2023 von Flamengo Rio de Janeiro verpflichtet.

Debütantenselfie: Kaua Santos und Aurèle Amenda.

Auch Dino Toppmöller zeigte sich wenig überrascht von der souveränen Darbietung: „Kaua hat das gemacht, was wir seit Wochen und Monaten im Training bei ihm sehen. Er hat sehr mutig agiert und geholfen, das Spiel zu gewinnen.“ Ansgar Knauff, selbst wieder als Joker gefragt, wählte nochmal einen anderen Ansatz: „An der Einwechslung von Kaua sieht man, dass wir einen top Kader haben. Er hat viele Bälle rausgeholt und Sicherheit ausgestrahlt.“ Souverän und Selbstvertrauen, zwei Schlagworte, die auch Koch gefragt nach seinem Hintermann wählte: „Er kam gut ins Spiel und hat es gut gemacht – wie viele andere auch.“

Nicht zu vergessen etwa Aurèle Amenda, der seinerseits in der Schlussphase sein Eintracht- und Bundesligadebüt feierte. Der Schweizer Innenverteidiger sei „super reingekommen und hat ein paar Mal super geklärt. Nach seiner Verletzung brauchte er etwas Zeit, nun hat er gezeigt, dass er nah dran ist und eine Hilfe sein kann“, folgerte Krösche.

Diesen Nachweis hat von der ersten bis zur letzten Sekunde auch Tuta erbracht. Vier Tackles, drei davon gewonnen, neun klärende Aktionen – mehr verzeichnete kein anderer Adlerträger. Dabei war ein Einsatz des zweiten Brasilianers angesichts bevorstehender Vaterfreuden alles andere als gewiss. Das Timing passt genauso gut wie die neue Konstellation in der Abwehrkette. Die hinteren fünf Feldspieler entschieden zehn von 15 Luftduellen für sich. Weshalb Krösche das große Ganze sah: „Tuta tut die Erfahrung von Rasmus Kristensen und Robin Koch sowie die Stabilität von Arthur Theate gut. Er kann sein Spiel spielen und das macht er gut.“

Ausblick: Nachlegen gegen Gladbach

Der Vorstand Sport war es auch, der abschließend reichlich Lob auch eine Prise Mahnung folgen ließ. „Wir haben nach zwei schwierigen Auswärtsspielen und dem Heimsieg gegen Hoffenheim sechs Punkte. Jetzt geht es darum, gegen Gladbach zu Hause wieder eine gute Leistung zu bringen und die drei Punkte einzufahren. Sonst bringen Auswärtssiege weniger, wenn du nicht zu Hause die nächsten Schritte machst. Darauf liegt der Fokus!“ So einfach ist es.