25.01.2020
Eintracht

Eintracht erinnert an Max Behrens

„!Nie wieder“. Diese Botschaft der Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau haben Fußballfreunde 2004 aufgegriffen und den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ ins Leben gerufen.

Ein Bündnis aus Fangruppen und Fanprojekten, Vereinen, Verbänden und Institutionen aus dem Fußball gedenkt seitdem rund um den Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz der im Nationalsozialismus ausgegrenzten und oftmals ermordeten Vereinsmitglieder. Die Eintracht erinnert in diesem Jahr an Max Behrens, dem die Flucht vor den Nazis gelang. Passend zum USA-Schwerpunkt in dieser Ausgabe hat auch Max Behrens eine Verbindung in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.Max Behrens entstammt einer Hamburger Journalistenfamilie. Sein Vater war 46 Jahre lang Redakteur beim „Hamburger Anzeiger“. Behrens besucht in Hamburg die Schule und macht sein Abitur, danach dient er als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg arbeitet er beim „Hamburger Anzeiger“. 1920 geht er nach Frankfurt, wo er zunächst als Journalist für das „Sport-Echo“ arbeitet. Er bezieht eine kleine Wohnung in der Rotteckstraße 2, später dann in der Offenbacher Landstraße. Schnell wird der „dicke Max“ in Frankfurt eine Institution. Er schreibt unter anderem für den „Frankfurter Generalanzeiger“,  die „Frankfurter Zeitung“, den „FN-Sport“, die „Frankfurter Nachrichten“ und auch für die „Vereins-Nachrichten“ der Eintracht. Die Zeitzeugin Hilde Kremer erinnerte sich einst in einem Interview, dass der „dicke Max“ selbst aus einem langweiligen 0:0 im Stadion noch einen großartigen Bericht machte, damit sich das Zeilenhonorar zumindest ein wenig für ihn lohnte. 1929 wird Behrens, den ganz Frankfurt nur das „wandelnde Fußballlexikon“ nennt, von der Eintracht mit der Ehrennadel des Vereins ausgezeichnet. Aber Max interessiert sich nicht nur für Sport. Er schreibt auch über lokale Themen und ist seit 1926 Korrespondent für die Filmfachzeitschrift „Die Lichtbildbühne“, die in Berlin erscheint.

Zuchthaus wegen vorgeblicher „Rassenschande“

Von den Nationalsozialisten wird Behrens wegen seines jüdischen Glaubens verfolgt. Am 16. November 1936 wird er wegen angeblicher „Rassenschande“ in Untersuchungshaft genommen. Wenige Wochen später verurteilt ihn die 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt wegen „Rassenschande in zwei Fällen“ zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Max bleibt bis zum 22. Juni 1939 im Gefängnis, unter anderem im Zuchthaus Freiendiez unweit von Limburg und in Butzbach.Nach seiner Entlassung muss Max Behrens seine Heimat unter dramatischen Umständen verlassen. Die Machthaber hatten ihm erklärt, wenn er sich nicht innerhalb einer Woche ein Visum für die Ausreise verschaffe, würde er für immer im Konzentrationslager verschwinden. Edwin Van D`Elden aus dem US-Konsulat in Stuttgart organisiert das lebenswichtige Visum. Nach dem Krieg berichtet Max‘ Schwester Hertha in einer eidesstattlichen Erklärung, dass Max am 11. oder 12. Juli 1939 von Hamburg aus mit der Hamburg-Amerika-Linie nach New York floh. Das Geld für die Flucht hatte er sich bei seiner zweiten Schwester Grete, die bereits in den USA lebte, geliehen, denn der einst wohlhabende Max war längst mittellos. In Amerika kann Behrens, der aufgrund der Strapazen in der fast dreijährigen Haft gesundheitlich schwer angeschlagen ist, sein Geld zunächst nur als Hilfsarbeiter verdienen. Erst 1945 findet er eine adäquate Stelle, fortan arbeitet er bei der „New Yorker Staatszeitung“ als Sportreporter. 1947 heiratet Max seine Freundin Irma, die auch aus Hamburg stammt.

Den heimischen Fußball vermisst

Zum 50. Geburtstag des FSV Frankfurt schreibt er 1949 für die Festschrift der Bornheimer einen Artikel mit dem Titel „Ein New Yorker an seine alten „Bernemer“. Darin klagt er über den Fußball in seiner neuen Heimat: „Wenn ich an den amerikanischen Fußball denke, so habe ich Heimweh nach dem deutschen. Zwar sind wir hier vom Deutsch-Amerikanischen Fußballbund der wohl größte und bestorganisierte Amateur-Verband der Staaten, aber leider ist Soccer immer noch eine Art Aschenbrödel in USA. Baseball und amerikanischer Football sind Könige.“ Im gleichen Jahr wird er von der Eintracht wieder mit der Ehrennadel ausgezeichnet. Max ist Mitglied im Deutsch-Amerikanischen Fußballbund und wird von seinen Kollegen beauftragt, Touren populärer deutscher Mannschaften durch Amerika zu organisieren. Diese Spielereisen haben zwei Ziele: sie dienen dazu, dem Fußball in Amerika zu Popularität zu verhelfen und sie sollen der Völkerverständigung mit Deutschland dienen. 1950 reist der Hamburger SV als erste deutsche Fußballmannschaft während einer Goodwilltour durch Amerika. 1951 kümmert sich Max mit dem ebenfalls aus der Frankfurter Region stammenden August Steuer darum, dass die Eintracht nach Amerika fliegen kann. Den Freunden vom FSV wird das nicht gefallen haben, hatte Max in der Festschrift von 1949 doch noch anklingen lassen, dass vielleicht der FSV nach Amerika reisen könne. Für die Eintracht ist die Gastspielreise durch die USA ein voller Erfolg. Anlässlich der Amerika-Reise der Eintracht trifft Max Behrens viele alte Freunde aus Frankfurt, und es ist selbstverständlich, dass Behrens die Mannschaft vor Ort betreut und für verschiedene amerikanische und deutsche Zeitungen von den Spielen berichtet.

Spätnachwirkungen der Verfolgung

Max Behrens verstirbt am 12. November 1952 in New York im Alter von nur 52 Jahren infolge eines Herzinfarkts. In einer eidesstattlichen Versicherung gibt Dr. Max William Kulik, ein alter Sportfreund aus Frankfurter Tagen, zu Protokoll, dass der frühe Tod von Max in unmittelbarem Zusammenhang mit Spätfolgen seiner Verfolgung in Deutschland steht. Kulik berichtet: „Als ich ihn nach Jahren in New York in meiner hiesigen Praxis wiedersah, fand ich ihn vorzeitig gealtert, hochgradig nervös und immer noch seelisch bedrückt von den furchtbaren Erlebnissen der Rassenverfolgung, durch die er hindurchgehen musste. Er klagte sehr über Brust- und Schulterschmerzen, die einwandfrei als Angina pectoris gedeutet werden mussten [...] Bei dieser Untersuchung wurde ebenfalls eine sehr starke unkontrollierte Zuckerkrankheit festgestellt. Beide Krankheiten, die Aderverkalkung mit Angina pectoris und die Zuckerkrankheit, setzen zu ihrer zufriedenstellenden Behandlung seelische und nervliche Ruhe voraus. Einen Zustand, den Herr Behrens auf Grund der Nachwirkungen der jahrelangen Verfolgungsmaßnahmen unter dem Nazi-Regime niemals hat erreichen können, sodass er schließlich in einem Anfall von Kranz-Nervverschluss vorzeitig sein Leben beschließen musste.“ Irma Behrens versucht nach dem Tod ihres Mannes, eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz zu erwirken. Der Antrag wird am 9. April 1959 abgelehnt.In Frankfurt widmet man Max Behrens ehrenvolle Nachrufe. Die Frankfurter Rundschau schreibt: „Wir wissen, dass viele alte Fußballer jetzt einen Augenblick trauern um diesen Mann, der in Frankfurt so viele Freunde besaß. Der gute, dicke Max hat unter denen, die ihn kannten, nicht einen Gegner besessen, und es musste ein ‚Rassenproblem‘ auftauchen, um ihn aus der Stadt seiner Freunde zu vertreiben. Freiwillig wäre der Max nie fortgegangen. Sein Werk waren die Besuche deutscher Fußballmannschaften in den USA.“