Jürgen Kalb war vielleicht nicht der bekannteste Eintracht-Spieler. Auf dem Weg zum ersten DFB-Pokalsieg überhaupt spielte der Abwehrmann allerdings eine entscheidende Rolle.
Sepp Maiers Wettschulden
Im Halbfinale trat der FC Bayern München am 13. April im Frankfurter Waldstadion an. Kurz vor Schluss stand es 2:2, als Bernd Hölzenbein durch den gegnerischen Strafraum marschierte. Die Eintracht-Legende wurde im Strafraum gefoult, es gab Elfmeter. Die Bayern beschimpften nicht nur den Schiri wüst, Sepp Maier trat den Ball auch einfach wieder weg. Ein Spielchen, das sich mehrfach wiederholte. Trainer Dietrich Weise hatte Jürgen Kalb als Schützen vorgesehen. Plötzlich bot der Nationalkeeper dem Eintrachtler eine Wette an: "100 Mark, dass ich ihn halte." Der Schütze Kalb ließ sich nicht darauf ein, aber Roland Weidle ergriff Maiers Hand: "Die Wette halte ich." Als das Theater endlich beendet war, lief Kalb an: "Ich hatte Glück, Maier war noch am Ball, aber vom Innenpfosten ging er ins Tor." 3:2, Abpfiff, Finale. Hier feiernde Gastgeber, dort wütend schimpfende Gäste, derbe Flüche drangen durch die Kabinentür. So derb, dass sich Roland Weidle nicht getraute, sie zu öffnen und seinen Wettgewinn einzufordern. Noch heute erinnert sich Jürgen Kalb mit einem Schmunzeln an diesen Tag: "Irgendwann habe ich mir die Szene noch mal angeschaut. Klar, Hölzenbein marschierte in vollem Tempo los, wurde etwas an der Schulter gerempelt. Aber ich kann den Ärger der Bayern verstehen, da pfeift nicht jeder Schiedsrichter."
Grabowskis falsches Trikot
Aufgrund der Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik konnte das DFB-Pokalfinale aus Terminnot erst nach der Sommerpause und zu Beginn der neuen Saison ausgetragen werden. Das Kontingent von 20.000 Tickets, das der Eintracht zugeteilt wurde, erhöhte die Anhängerschaft der SGE über verschiedene Kanäle auf rund 30.000. Weil die Eintracht und der HSV erstmals im Endspiel mit Werbung auf dem Trikot aufliefen und auch im Düsseldorfer Rheinstadion Werbung platziert wurde, entschied das ZDF aus Protest zunächst, auf eine Live-Übertragung zu verzichten, lenkte schließlich jedoch ein. Das 1:0 durch Trinklein (40.) egalisierte der HSV durch Björnmose (75.). In der Verlängerung schossen Hölzenbein (96.) und Kraus (115.) den ersten Pokalsieg für die Eintracht heraus. Für Irritationen beim Sponsor sorgte der frischgebackene Weltmeister Grabowski: Etwas voreilig hatte Grabi sein Trikot mit dem seines Gegenspielers getauscht und nahm nun den Pokal im "falschen" Trikot entgegen. Für den Werbepartner der Unterlegenen sicher ein Glücksfall, nicht aber für den Sponsor der Eintracht. Nach einer Intervention kehrte Grabi noch einmal mit dem "richtigen" Shirt vor die Kameras der TV-Sender und Fotoreporter zurück. Vor einigen Jahren hat Grabi übrigens schmunzelnd berichtet, dass die Firma Campari ihm zum Dank ein Paket mit einigen Flaschen hat zukommen lassen. Zitiert wurde Grabi nach Spielende übrigens mit den Worten: "Der Pokalsieg ist für mich genauso wichtig wie der Gewinn der Weltmeisterschaft!"
Der Olympia-Amateur
Für Jürgen Kalb war dies der Höhepunkt seiner Zeit bei der Eintracht, die im Sommer 1968 begonnen hatte und nach der Saison 74/75 endete. Er war übrigens in Frankfurt nicht als Profi, sondern als "Olympia-Amateur" angestellt. "Aber Steuern mussten wir trotzdem zahlen." Der DFB hatte mit diesem Trick versucht, eine möglichst schlagkräftige Amateur-Mannschaft auf die Beine zu stellen, um gegen die damaligen Ostblock-Staaten, die immer mit ihren besten Spielern, den Staats-Amateuren, antraten, halbwegs mithalten zu können. Die Saison nach dem Pokalsieg sollte Kalbs letzte Spielzeit bei den Adlerträgern werden. Der bisherige Stammspieler wurde durch mehrere Bänderverletzungen am Knöchel zurückgeworfen und erlebte 1975 den erneuten Pokaltriumph nur als Zuschauer. Kalb war ehrgeizig, wollte spielen und entschloss sich für einen Vereinswechsel. So hießen die nächsten Stationen Karlsruher SC (75-78) und SV Darmstadt 98 (78-80), ehe er beim VfB Unterliederbach (80/81) sowie beim FC Hanau 93 (81-84) seine Karriere ausklingen ließ.
Tennis statt Fußball
Dem Ball rennt der rüstige Rentner noch heute hinterher. Der ehemalige Anzeigenberater des Höchster Kreisblattes ist in seiner Altersklasse einer der besten Tennisspieler in Hessen. Weshalb er auch im vergangenen Jahr die Einladung der Eintracht nach Berlin schweren Herzens ausschlug: "Wir hatten selber ein wichtiges Spiel." Doch diesmal ist er in der Hauptstadt dabei, hofft natürlich auf einen erneuten Sieg über den FC Bayern. Wobei er an der Spree so oder so etwas zu feiern hat: Am Tag nach dem Finale wird Jürgen Kalb 70 Jahre alt.