07.03.2021
Bundesliga

Der K-Faktor

Kostic, Kalajdzic, Kobel, Kalibrierung und vieles mehr. Das 1:1 gegen den VfB Stuttgart aus elf Blickwinkeln.

Der Klassiker

Als sich Eintracht Frankfurt und der VfB Stuttgart am Samstagnachmittag zum 96. Mal in der Bundesliga gegenüberstanden, ließ sowohl die historische als auch gegenwärtige Faktenlage durchaus ein Spektakel erwarten. Am Ende sollte dann doch eintreten, wie es so oft im Fußball vorkommt, wenn sich zwei offensivstarke Teams gegenüberstehen: Die Antennen waren nochmal empfindsamer, alle Akteure jederzeit in Alarmbereitschaft – und die Strafräume lange Zeit verwaist. „Wir haben richtig gut verteidigt. Bis auf das Tor und einen Eckball war der VfB kaum in unserem Strafraum präsent“, bemerkte Martin Hinteregger entsprechend stellvertretend für die Adlerträger, während VfB-Coach Pellegrino Matarazzo speziell mit Blick auf den zweiten Spielabschnitt befand: „Wir waren bereit, kompakt zu verteidigen.“

Kompetenzgerangel

Martin Hinteregger (l.) ärgert sich über die vergebenen Eckballchancen wie hier in der 89. Minute.

Und das in jeder Spielsituation. „In den letzten Minuten haben wir durch die vielen Standards leiden müssen“, räumte Matarazzo mit Blick auf die späte Drangphase der Hessen ein, die nach 90 Minuten 13 Ecken auf der Habenseite hatten. Eine Tatsache, die im Nachgang sichtlich an den Beteiligten nagte. „Wir hatten über zehn Ecken. Das wird mich noch beschäftigen, dass wir da nicht drei, vier, fünf Prozent mehr reingeworfen haben“, bedauerte Hinteregger, der nebenbei mit neun Ballgewinnen die meisten aller Akteure verbuchen konnte. Auch Adi Hütter hätte sich „gewünscht, den einen oder anderen Eckball in der Schlussphase zu verwandeln“, wohlwissend, dass Frankfurt vor dem 24. Spieltag die gefährlichste Mannschaft nach ruhenden Bällen war.

Körner gekostet

Auf der anderen Seite ist es den Hausherren zugutezuhalten, dass die Schwaben eine ihrer Kernkompetenzen kaum zur Entfaltung bringen konnten: 14 Treffer in der Schlussviertelstunde waren vor dem Aufeinandertreffen Ligaspitze. „Gegen Ende haben etwas die Körner gefehlt“, bestätigte Matarazzo eine Erkenntnis, die auch Hütter feststellte: „Hinten raus musste Stuttgart etwas Tribut zollen.“ Dagegen stellte die Eintracht den nächsten Bestwert der laufenden Spielzeit auf: Das 1:1 war der zehnte Punktgewinn nach einem Rückstand, bei insgesamt drei Siegen und sieben Remis. Genauso häufig kam bisher nur der FC Bayern zurück, nachdem er ins Hintertreffen geraten war.

Kalajdzic knackt gleich zwei Rekorde

Sasa Kalajdzic musste hart einstecken – und traf dennoch mit dem ersten und einzigen Schuss aufs Tor.

Im Deutsche Bank Park für diesen Umstand verantwortlich zeichnete Sasa Kalajdzic in der 68. Minute. „Beim Gegentor wollte Sasa rüberlegen, dann geht der Ball auf meine Hand. Er bekommt das Tor zugeschrieben. Das ist gut so, weil ich sonst den Eigentorrekord hätte“, konnte Hinteregger den Rückstand durch seinen österreichischen Landsmann sogar mit etwas Humor nehmen. Den Kollegen aus der Nationalmannschaft freute der kuriose Gegentreffer ohnehin, immerhin ist er nun der erste Österreicher, der in der Bundesliga sechsmal hintereinander treffen konnte – und der erste Stuttgarter überhaupt seit Sean Dundee, dem dies 2002 letztmals gelungen war.

Kobel hält den Punkt fest

Was aus Sicht der Adler umso ärgerlicher erscheint, weil es der erste und einzige Schuss der Gäste auf den Kasten von Kevin Trapp blieb, während sich dessen Gegenüber Kobel letztlich mit sechs Paraden auszeichnen konnte.

Knipserdoppel erstmals von Beginn an

Ging trotz sechs Abschlüssen ausnahmsweise torlos aus: André Silva.

Denn an Versuchen mangelte es dem am Ende 19 Mal abschließenden Gastgeber keineswegs. Allein Silva zielte sechs und Jovic fünf Mal. Es war das erste Mal, dass die beiden Angreifer von Beginn an gemeinsam auf dem Feld standen. Und dann gleich über 90 Minuten. „Ich hatte schon gegen die Bayern den Plan, Luka und André gemeinsam zu bringen“, verriet Hütter auf der Pressekonferenz seine Gedankenspiele, die im Heimspiel zuvor allein eine Verletzung des Portugiesen verhinderte hatte.

Kamada kurzfristig im Krankenstand

Ob es einen unmittelbaren Zusammenhang zum mit einem Hexenschuss ausgefallenen Daichi Kamada gibt, ist hypothetisch. In jedem Fall bekräftigte Hütter mit Blick auf die Doppelspitze: „Jetzt war es der richtige Zeitpunkt. Dass beim ersten Mal von Anfang an nicht alles perfekt war, ist klar. Aber mit zunehmender Spieldauer hatte ich den Eindruck, dass Luka und André das Tor machen können, sie sind immer besser geworden.“ „Die Mannschaft hat die erste Halbzeit gebraucht, um sich auf das neue System mit zwei Stürmern einzustellen. Nichtsdestotrotz haben es die beiden vorne in der zweiten Halbzeit gut gemacht“, erkannte auch Sportdirektor Bruno Hübner einen schnellen Anpassungsprozess.

Zehn Minuten mit langfristigen Folgen: Almamy Toure.

Neben Kamada musste auch Tuta mit Problemen im Gesäßbereich passen, wofür Stefan Ilsanker als rechter Innenverteidiger startete. „Stefan hat ein sehr gutes Spiel gemacht“, bescheinigte Hütter seinem Schützling, der wie Evan Ndicka an den meisten klärenden Aktionen beteiligt war (je fünf). Doch einen personellen Wermutstropfen gab es, weil Almamy Toure zehn Minuten nach seiner Einwechslung wieder angeschlagen den Platz verlassen musste.

Konsequente Kalibrierarbeit im Kölner Keller

Wesentlich schneller verlief dabei naturgemäß die Überprüfung von Filip Kostics vermeintlicher Führung in der 55. Minute, als Jovics Hacke unfreiwillig in der verbotenen Zone aufgetaucht war, weshalb es Sportvorstand Fredi Bobic sportlich nahm und davon sprach, dass es „der VAR berechtigterweise aberkannt hat.“

Kostic gibt nicht nach

Im Schnitt alle drei Minuten eine Hereingabe: Filip Kostic.

Es war schon zu diesem Zeitpunkt kaum ein Zufall, dass Kostic kurzzeitig für den ersten Jubel gesorgt hatte und knapp eine Minute nach dem 0:1 mit einem satten Schuss den Endstand herstellte, der übrigens mit einem Expected-Goal-Wert von 2,8 Prozent der bislang unwahrscheinlichste Treffer dieses Wochenendes ist. Der serbische Nationalspieler präsentierte sich gegen seinen Ex-Klub scheinbar besonders motiviert und avancierte durchgängig zum Aktivposten auf der linken Außenbahn. Der 28-Jährige ließ sich auch nicht davon beirren, dass er der am häufigsten unter Gegnerdruck gesetzte Spieler war (43 Mal), sondern lieferte unbeeindruckt und umso mehr beeindruckende 29 Flanken und zehn Torschussvorlagen. Sage und schreibe 46,7 Prozent aller Frankfurter Angriffe liefen über seine Seite.

Hatte seine rechte Seite und Borna Sosa fest im Griff: Erik Durm.

Weil Erik Durm rechts wie gewohnt den etwas passiveren Part einnahm und vor allem Borna Sosa erfolgreich in Schach hielt. In der Folge des immer dominanteren Frankfurter Auftretens agierte Kostic gar meist auf Höhe von Jovic und Silva, was in der realtaktischen Ansicht eher einem nach links verlagerten 4-3-3 ähnelte.

Kramny bleibt der Letzte

Unabhängig von Interpretationen der Grundordnung fasste Chefcoach Hütter vor allem eines wohlwollend auf: „Nach der Niederlage gegen Bremen habe ich die erwünschte Reaktion meiner Mannschaft gesehen.“ Die zwar nicht zu drei Zählern geführt hat. Aber immerhin dazu, dass der letzte Auswärtssieg der Bad Cannstätter weiter von 6. Februar 2016 datiert. Trainer der Gäste beim damaligen 2:4: Jürgen Kramny, heutiger Cheftrainer der U19 am Riederwald.

Königklasse als Hoffnung

Die Champions League ist hier nicht in erster Linie in Bezug auf nach wie vor auf Platz vier liegende Eintracht zu sehen, sondern vielmehr mit Blick auf den nächsten Gegner. Während Trapp losgelöst von Tabelle und Gegner beherzigt, dass er und die Kollegen „unsere Aufgaben erledigen müssen und die Spiele gewinnen möchten, entsprechend auftreten und punkten sollten“, spekuliert Makoto Hasebe auch auf die Englische Woche des kommenden Konkurrenten: „Ich erwarte, dass Leipzig nach dem Champions-League-Spiel müde sein wird, das möchten wir ausnutzen.“ Eine Königsklassenhoffnung der anderen Art.