19.03.2024
Historie

Der Sir und die Eintracht

Sir Alex Ferguson wird lebenslanges Mitglied bei Eintracht Frankfurt. Berührungspunkte finden sich zuhauf – und waren Anlass für ein persönliches Gespräch mit der Managerlegende von Manchester United.

Wer im Dezember im Namen der Eintracht im Pittodrie Stadium zugegen war, als Frankfurt das letzte Europa-Conference-League-Gruppenspiel beim Aberdeen FC bestritt, erhielt einen ungefähren Eindruck vom Legendstatus des Alex Ferguson, den Queen Elizabeth im Juli 1999 zuzeiten seines Managerwirkens bei Manchester United zum Sir ernannte. Wie im Old Trafford steht zu Ehren Fergusons auch in Aberdeen eine Statue. Schließlich verdiente sich der heute 82-Jährige mit drei Meisterschaften, vier Pokalsiegen, dem Ligapokalsieg und nicht zuletzt dem Europapokalsieg der Pokalsieger 1983 sowie im selben Jahr dem UEFA Super Cup seine ersten Meriten mit den Dons.

Einige Wochen nach dem Gastspiel der Hessen auf der Insel flog abermals eine kleine Mediendelegation der SGE nach Großbritannien, um den Sir persönlich zu treffen – und ihm die lebenslange Eintracht-Mitgliedschaft anzubieten. Ferguson zeigte sich erfreut, nahm an und die Gäste aus dem Herzen von Europa mit auf eine kleine Zeitreise, die sich unter anderem Berührungspunkten mit der Eintracht vom Main widmete.

Sir Alex Ferguson präsentiert erfreut das Eintracht-Trikot mit der Nummer zehn.

Sir Alex Ferguson, in einem Interview sagten Sie vor einiger Zeit, dass Sie 1960, als Eintracht Frankfurt die Rangers im Europapokal besiegte, bei dem Spiel dabei waren.
Das war unfassbar. Im Hinspiel schlug Frankfurt die Rangers mit 6:1. Ich war beim Rückspiel, als die Eintracht ins Ibrox kam, mit 70.000 Zuschauern. Natürlich schöpften wir Hoffnung und sagten uns, dass die Rangers zurückkommen könnten. Am Ende haben sie wieder mit sechs Toren verloren. Ich war Rangers-Fan und wohnte nur etwa 200 Meter vom Ibrox entfernt. Auch beim Finale war ich dabei und hoffte, dass Frankfurt gewinnen würde, da sie die Rangers geschlagen hatten. Damals war ich 17 Jahre alt und spielte für den FC Queens Park aus Glasgow. Es war ein tolles Spiel. Kreß hat das erste Tor geschossen. Wir sagten uns: „Wow! Eine tolle deutsche Mannschaft.“ Aber dann waren da noch Puskás, Di Stefano, Gento. Ich glaube nicht, dass es jemals eine andere Mannschaft geben wird, die so charismatisch ist wie die damalige Mannschaft von Real Madrid. Puskás schoss vier Tore und Di Stefano drei. Sie waren fantastische Spieler und das 7:3 war ein unglaubliches Spiel. Es war keine Schande, diese Partie zu verlieren. Frankfurt hatte sich im Halbfinale gegen die Rangers bewährt.

Gibt es einige Spieler von Eintracht Frankfurt, an die Sie sich erinnern?
Kreß und Stein natürlich. Sie waren die beiden Stars und Kreß war ein wirklich guter Spieler. Hans-Walter Eigenbrodt ist auch ein Name, an den ich mich aus dieser Mannschaft erinnere.

Wie haben Sie Eintracht Frankfurt in dieser Zeit wahrgenommen? Haben Sie sie ein wenig verfolgt?

Sir Alex Ferguson empfängt das Eintracht-Medienteam zum Gespräch.

Ich war 17, als sie das Finale spielten, habe ich nur nebenbei Fußball gespielt. Ich habe eine Lehre als Ingenieur gemacht und musste diese abschließen, sonst hätte mich mein Vater nicht Vollzeit Fußball spielen lassen. Aber als ich dann meine Karriere als Fußballer begann, war es mein Bestreben, nie wieder zum Ingenieurwesen zurückkehren zu müssen. Als ich in meinen 20ern war, begann ich, meine Trainerscheine zu machen und zu diesem Zeitpunkt wurde mein Interesse am Fußball global. Einmal besuchte ein berühmter deutscher Trainer unsere Trainerschule, Karl-Heinz Heddergott, er war eine große Inspiration. Dann kam die Fußballweltmeisterschaft 1966, als ich in meinem letzten Jahr des Trainerscheins war. Als Teil einer Einheit an der Schule wurden uns Spiele zugeteilt, die wir bei der Weltmeisterschaft sehen sollten. Mir wurden Bulgarien und Ungarn zugeteilt. Ungarn hatte damals eine der besten Mannschaften, und ich dachte wirklich, sie könnten gewinnen, aber sie schieden im Viertelfinale aus. Damals erwachte mein Interesse an der Analyse von Mannschaften. Das Finale zwischen Deutschland und England war natürlich fantastisch. Als ich damals noch selbst aktiv war, haben wir mit den Rangers gegen Köln gespielt. Ich erinnere mich, dass ich mich danach mit einigen deutschen Spielern unterhielt und da es nicht lange nach dem 66er-Finale war, diskutierten wir darüber, ob der Ball über die Linie gegangen war oder nicht. Für uns Schotten war es klar, dass der Ball die Linie nicht überquert hatte. Der Linienrichter musste blind gewesen sein (lacht).

Sie haben 1967 mit den Rangers gegen Eintracht Frankfurt gespielt, ist das richtig?
Es war mein erstes Spiel für die Rangers. Wir haben 5:3 gewonnen, aber ich würde es nicht als Revanche für 1960 bezeichnen. Ich erzielte einen Hattrick gegen Hans Tilkowski im Frankfurter Tor. Auch Grabowski hat gespielt. Er war damals erst 23 Jahre alt und hat bis 1980 gespielt, unglaublich. Er hat auch bei der WM 1974 gespielt und ich erinnere mich noch an seine Flanke zum Müller-Tor gegen Italien im Jahr 1970.

Es war fantastisch, ein solches Finale zu sehen.

Sir Alex Ferguson über das Europa-League-Finale 2022 in Sevilla

Als Sie 1979/80 Trainer bei Aberdeen waren, gewann Eintracht Frankfurt den UEFA-Pokal. Zuvor gab es im Turnier ein 1:1 gegen Aberdeen.
Ja, das stimmt. Ich befand mich in meiner zweiten Saison als Trainer des Aberdeen FC und wir hatten uns abermals für den Europapokal der Pokalsieger qualifiziert [Achtelfinalaus im Vorjahr gegen Fortuna Düsseldorf, Gegner in der Ersten Runde 1979 die Eintracht; Anm. d. Red.]. Frankfurt war die bessere Mannschaft, aber wir haben das Spiel mit einem Ausgleichstreffer gerettet. Wir hatten die Chance, nach Frankfurt zu reisen, wo wir 0:1 verloren. Bernd Hölzenbein schoss im zweiten Spiel das Tor, das uns aus dem Wettbewerb warf. Ich lernte damals eine wichtige Lektion, als wir im Ausland spielten. Einige Spieler sind nach dem Spiel noch ausgegangen. Danach habe ich dafür gesorgt, dass so etwas nie wieder passiert.

Sie haben mit Manchester United nie gegen Eintracht Frankfurt gespielt. Haben Sie in dieser Zeit trotzdem Eindrücke von unserem Verein erhalten?
Eintrachts erfolgreichste Zeit war während meiner Karriere bei Aberdeen in den 70er und 80er Jahren, als sie 1980 den UEFA-Pokal gewannen. Vor kurzem haben sie Barcelona geschlagen, richtig? Das habe ich gesehen. Ich hoffe immer, dass der Außenseiter gewinnt. Die Bayern-Fans sehen das vielleicht anders, aber wie alle neutralen Fans in Deutschland hoffe ich wirklich, dass wieder jemand anderes die Liga gewinnt.

Haben Sie das Finale der UEFA Europa League zwischen Eintracht Frankfurt und den Glasgow Rangers verfolgt?
Natürlich. Ich habe das Spiel gesehen. Es war ziemlich ausgeglichen. Es war schön zu sehen, dass beide Mannschaften so viele Fans nach Sevilla gebracht haben, dass sie ein weiteres Stadion in der Stadt öffnen mussten, um zusätzliche Fans reinzubekommen. Es war fantastisch, ein solches Finale zu sehen.

Ich erinnere mich an Partien gegen Kickers Offenbach, Mainz und viele andere Spiele in dieser Region.

Sir Alex Ferguson über seine Berührungspunkte mit dem Rhein-Main-Gebiet

Wie steht es um Ihre Beziehung zum Rhein-Main-Gebiet? Wir haben gehört, Sie sind ein enger Freund von Eckhard Krautzun [ehemaliger Bundesliga- und Nationaltrainer; Anm. d. Red.].
Ja! Eckhard und ich sind seit 1973 befreundet. Wir waren zusammen auf der Trainerschule als Zimmernachbarn. In der letzten Schulwoche spielte Schottland gegen Brasilien, und er sagte mir, er würde sich dieses Spiel gerne ansehen. Also habe ich ihn eingeladen, bei mir zu wohnen. Am Ende blieb er eine Woche lang, und meine Frau fragte schon, wann er wieder abreisen würde (lacht). Er besucht mich immer noch oft. Er ist fußballverrückt. Erst kürzlich habe ich ihm Karten für das Spiel der Eintracht in Aberdeen besorgt. Auch mit Günter Bachmann hatte ich regelmäßig telefonischen Kontakt. Sowohl als Agent als auch als Manager unserer Saisonvorbereitung in Deutschland zu meiner Zeit in Aberdeen. Ich erinnere mich an Partien gegen Kickers Offenbach, Mainz und viele andere Spiele in dieser Region.

Sir Alex, letzte Frage: 14. Juni, Europameisterschaft 2024, Deutschland gegen Schottland. Glauben Sie, dass Deutschland eine Außenseiterchance hat, Schottland zu schlagen?
Keine Chance (lacht). Ich werde mir das Spiel live ansehen. Ich muss es sehen. Schottland ist nicht so schlecht, wissen Sie. Sie haben gute Mittelfeldspieler, zwei gute Außenverteidiger. Nur auf der Stürmerposition gab es in den vergangenen Jahren immer Schwierigkeiten. Auch die schottischen Fans werden fantastisch sein. Diesbezüglich werde ich mich immer an die Weltmeisterschaft 1990 in Italien erinnern. Während der Gruppenphase besuchte ich ein Spiel von Schottland und ich sah einen großen Bus aus Glasgow. Sie hatten das Dach des Busses abgenommen und grillten auf dem Doppeldeckerbus. Es gab keine Möglichkeit, das Stadion zu erreichen, ohne an dem Bus vorbeizugehen. Natürlich sahen sie mich und riefen mir zu: „Alex! Komm hoch, wir haben ein Barbecue für dich vorbereitet!“ (lacht) Die schottischen Fans sind fantastisch. Das Tolle an ihnen und am schottischen Leben ist der Kilt. Jede Stadt in Schottland hat ihren eigenen und das gilt auch für jeden Fußballverein. Jeder trägt ihn. Ich werde ihn bei der Europameisterschaft zwar nicht anziehen, aber ich freue mich schon auf das Turnier.