02.01.2016
International

Die Eintracht und Japan

2015 gastierte bei der Saisoneröffnungsfeier der FC Tokyo im Frankfurter Stadion. Die Eintracht gewann das Spiel mit 3:2 – und damit zum zweiten Mal in Folge den Frankfurt Main Finance Cup. Rund um das Spiel gegen Tokyo haben wir mal wieder in der Historie gewühlt und zwischen Japan und der Eintracht eine kleine, aber feine „Nippon-Connection“ gefunden, die weit über unseren aktuellen Spieler Hasebe hinaus geht.

Nippon-Connetion? Bei dem Namen denkt man zuerst wohl an das jährlich in Frankfurt stattfindende Festival für japanische Filme. Seit dem Jahr 2000 werden hier in jedem Frühjahr mehr als 100 Kurz- und Langfilme aus Japan gezeigt, oft als Europapremieren. Die Nippon Connection hat sich mittlerweile zur weltweit größten Plattform für aktuelle japanische Filme entwickelt. Auch die Stadt Frankfurt pflegt enge Verbindungen zu Japan, Yokohama ist seit 2011 Partnerstadt von Frankfurt.

Die Eintracht hatte schon weit vor dem Festival und der Städtepartnerschaft Kontakte nach Japan. Wobei die ersten Kontakte eher tragisch waren. Vor über 100 Jahren geriet das Vereinsmitglied Karl Feuerbach in japanische Gefangenschaft. Feuerbach war als Buchhalter für die Überseefirma H. Diederichsen & Co in der damaligen deutschen Kolonie Tsingtau tätig. Bei Kriegsausbruch wurde er als Seesoldat eingesetzt. Bei der Schlacht um Tsingtau geriet er im November 1914 in japanische Kriegsgefangenschaft und wurde in das Lager Matsuyama gebracht. Am 9. April 1917 wurde er nach Bando überführt, wo er im Dezember 1919 entlassen wurde. Nach seiner Freilassung reiste er nach Sumatra, wo er fortan für die Firma P.K. Moearaaman arbeitete.

Ende der 1920er Jahre wurden die Kontakte zwischen der Eintracht und Japan dann freundlicher: Einer der besten Leichtathleten unserer Eintracht war Eugen Eldracher. Mit der 4 x 100 Meter Staffel der Eintracht wurde er 1928, 1931 und 1932 Deutscher Meister, 1929 besiegte er sogar den ersten schwarzen Supersprinter der USA, Eddie Tolan (100-Meter-Olpympiasieger 1932). 1929 sollte für den Medizinstudenten ein unvergessliches Jahr werden. Zwar unterlag er bei den Deutschen Meisterschaften über die 100-Meter seinem Vereinskollegen Ernst Geerling, der kurzzeitig für Chemnitz gestartet war. Da Geerling aber keine Zeit für die lang geplante Asienreise der Deutschen Leichtathletikmannschaft hatte, reiste Eldracher nach Fernost. Die Reiseroute war anstrengend, insgesamt war Eldracher acht Wochen lang unterwegs. Von Frankfurt ging es nach Berlin, dann nach Moskau. Von Moskau aus fuhr die Mannschaft mit der transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok, dann per Schiff nach Tokio, wo die ersten Länderkämpfe stattfanden. Von Tokio ging es weiter nach Seoul wo weitere Wettkämpfe stattfanden. Eugen Eldracher verkraftete die Reisestrapazen bestens. In Mukden lief er die 100 Meter auf Aschenbahn in 10,5 Sekunden, in Osaka in 10,6 Sekunden. Seine beste Leistung erzielte er in Seoul. Eldracher gewann das Rennen in der Weltrekordzeit von 10,3 Sekunden. Die Anerkennung des Weltrekords scheiterte aber, da Eldracher angeblich zu viel Rückenwind hatte. Nach der Rückkehr von seiner beschwerlichen Reise berichtete Eldracher: „Ich war nie besser als in Asien“.

1929 wurde der Weltrekord von Eldracher nicht anerkannt, doch knapp 80 Jahre später feierte eine Eintrachtlerin in Japan den Weltmeistertitel. Betty Heidler gewann 2007 bei den Weltmeisterschaften in Osaka die Goldmedaille im Hammerwurf. Mit der Hammerwerferin Kathrin Klaas und dem Staffelläufer Kamghe Gaba waren damals zwei weitere Eintrachtler in Osaka vertreten. Und auch exotische Sportarten zeigte die Eintracht in Japan: 2012 vertraten Bianka Fohgrub, Sonja Böhringer und Matthias Kehl aus der Frisbee-Abteilung die bei der offizilellen Weltmeisterschaft im Ultimate Frisbee die Deutschen Farbein in Sakai. 

Auch in der jüngeren Vergangenheit gab es Berührungspunkte zwischen den Fußballern der Eintracht und Japan: Im Eintracht Frankfurt Museum steht der „Coca-Cola-Cup“, den die SGE am 3. August 1992 in Tokio nach einem 3:1 gegen den Yomiuri FC gewonnen hat. Vor 55.000 Zuschauern erzielten damals Axel Kruse, Tony Yeboah und Thomas Reis die Frankfurter Treffer. Am 26. Juli 1996 fand in Wetzlar ein Freundschaftsspiel gegen die Urawa Red Diamonds statt, die Begegnung endete vor 3.000 Zuschauern 1:1.

Bei den Red Diamonds spielten Uwe Bein und Guido Buchwald, Trainer war Holger Osieck.  Ebenfalls im Eintracht Frankfurt Museum zu bestaunen ist die Sektflasche, mit der die Spielerinnen der Japanischen Frauennationalmannschaft den Weltmeistertitel 2011 feierten, der in der Commerzbank-Arena errungen wurde. Die taktische Anweisung des Trainers ist auch erhalten geblieben und im Museum ausgestellt. 

Aktuell kickt mit Makoto Hasebe ein japanische Spieler bei der Eintracht. Takashi Inui, der die Eintracht im Mittelfeld verstärkte, ist kurz vor Saisonstart nach Spanien gewechselt. Inui wurde am 2. Juni 1988 in Ômihachiman, einer 80.000-Einwohner-Stadt in der Präfektur Shiga geboren. Der zweite Teil des Städtenamens, Hachiman, bezeichnet eine populäre japanische Gottheit. 2008 wechselte Inui zum japanischen Zweitlisisten Cerezo Osaka, 2009 stieg er mit der Mannschaft in die Erste Japanische Liga auf. In 47 Liga-Spielen gelangen ihm 20 Treffer. Im Juli 2011 folgte der Wechsel nach Deutschland, am 13. August feierte Inui beim Spiel VfL Bochum gegen den FC St. Pauli sein Debüt im Dress der Bochumer. In der Saison 2011/12 erzielte Inui in 30 Zweitligaspielen sieben Tore, danach führte ihn sein Weg nach Frankfurt. Für die Eintracht hat Inui 68 Ligaspiele bestritten, in denen ihm sieben Tore gelangen.

Makoto Hasebe, der schon für die Urawa Red Diamonds, den VfL Wolfsburg und den 1. FC Nürnberg spielte, ist seit 2014 bei unserer Eintracht. Makoto wurde 1984 in Fujieda in der Präfektur Shizuoka geboren. Nach Abschluss der Oberschule erhielt er einen Profivertrag bei den Urawa Red Diamonds. 2008 wagte er den Wechsel nach Europa, Hasebe unterschrieb einen Vertrag beim VfL Wolfsburg, mit dem er 2009 Deutscher Meister wurde. Auch mit der Nationalmannschaft feierte der 87-malige Auswahlspieler große Erfolge, 2011 wurde er mit Japan Asienmeister.   

Die Fans freuen sich über Makoto Hasebe, waren japanische Spieler bei der Eintracht doch stets Publikumslieblinge. Junichi Inamoto spielte von 2007 bis 2009 für die Adlerträger,  Naohiro Takahara von 2006 bis 2007. Die Fans widmeten Takahara sogar einen eigenen Song! Und in Japan wurde die „Naohiro-Takahara-Story“ in einem original japanischen Manga veröffentlicht – ein Belegexemplar liegt natürlich im Museum. 

Den Weg von Japan zur Eintracht fanden bislang vier Spieler, es gab aber auch Eintrachtler, die nach Japan wechselten. Zunächst ist da Uwe Bein zu nennen.1994 wechselte der Mann mit dem „tödlichen Pass“ zu den Urawa Red Diamonds“, wo er bis Dezember 1996 aktiv war. Uwe Rahn, der in der Saison 1992/93 in zwölf Bundesligaeinsätzen drei Tore für die SGE erzielte, wechselte 1993 zu den Urawa Red Diamonds. Ned Zelic, in der Saison 1995/96 (ja, die gab es!) für die Eintracht am Ball, spielte von 2002 bis 2003 zunächst für Kyoto Antlers, dann für die Urawa Red Diamonds. Und auch unser ehemaliger Co-Trainer Horst Köppel war in Japan.

Und zuletzt waren auch unser ehemaliger Trainer Thomas Schaaf und Manager Bruno Hübner zu Gast in Fernost. Im November 2014 reisten die beiden auf Einladung der Jikei Group of Colleges nach Tokio, um vor Schülern über den Fußball in Deutschland zu berichten und Kooperationen voran zu treiben. Nach der Reise betonte Bruno Hübner: „Das Interesse und die Resonanz unseres Besuchs haben gezeigt, dass Eintracht Frankfurt in Japan einen hervorragenden Namen genießt.“ Den guten Ruf sollte man festigen.

Also, auf nach Japan!