23.08.2019
Spurensuche

Die Gedenkstätte an der EZB: Ein Rundgang

„Ich weiß nicht, was vor mir liegt, vielleicht ist das gut so“ (Ernst Ludwig Oswalt, 1942).

In den Kellern unter der Großmarkthalle hatte die Gestapo einst Räume angemietet.
Dort, wo heute schwer bewacht die EZB ihren Sitz hat, befand sich von 1928 bis zur Schließung 2004 die Großmarkthalle, Frankfurts Hauptumschlagplatz für Obst und Gemüse. Dass von hier aus zwischen 1941 und 1945 auch Tausende Frankfurter Juden in den Osten deportiert wurden, blieb Jahrzehnte lang nahezu unbekannt. Erst seit 1997 erinnerte eine Plakette an die Deportationen, seit Öffnung der EZB 2015 gibt es hier eine Gedenkstätte, die nur mit einer gebuchten Führung betreten werden darf. Eine solche Führung hatte die Fanbetreuung der Eintracht gemeinsam mit dem Museum im Rahmen der Reihe „Frankfurt, Theresienstadt – Eine Spurensuche“ organisiert, und da der Andrang trotz geringer Werbung recht groß war, kam kurzerhand eine weitere Führung dazu, die ebenfalls ausgebucht war. Das Procedere war kompliziert. Zunächst mussten alle Teilnehmer vorab gemeldet werden, vor Ort ähnelte der Einlass dem Check-in am Flughafen. Neben dem obligatorischen Vorzeigen des Ausweises musste jeder Besucher durch den Sicherheitscheck. Erst dann befanden sich die Besucher auf dem Gelände, die Führung konnte beginnen. Gabriela Schlick-Bamberger, Schulleiterin der JESCHURUN Religionsschule der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main und intensiv mit der Recherche rund um die Deportationen an der Großmarkthalle befasst, führte beide Gruppen über das Gelände, bei der ersten Führung nahm sogar Helmut „Sonny“ Sonneberg teil, der mit einer der letzten Deportationen im Februar 1945 mit seiner Mutter nach Theresienstadt verschickt wurde und als Zeitzeuge über diese Zeit berichten konnte.

Entrechtet und entwürdigt

Sonny hatte Glück und überlebte den Aufenthalt im Ghetto Theresienstadt. Von den 11.000 deportierten Frankfurter Juden überlebten insgesamt keine 180, die anderen wurden ermordet oder starben an der Folge der Misshandlungen in den Lagern. Die Entrechtung und Entwürdigung aber begann schon in der Heimat. Wer den Befehl zur Abreise erhielt, durfte nur fünf Kilogramm Gepäck mitnehmen. In Gruppen mussten die Unglücklichen dann von den Treffpunkten durch die Stadt marschieren, oft hämisch begleitet von Frankfurter Bürgern, nur die wenigsten erfuhren aufmunternde Worte. „Wir haben ja von nichts gewusst...“, diese These lässt sich nach heutigem Stand der Kenntnis nicht aufrechterhalten.Und selbst bei Ankunft an der Großmarkthalle, in deren Kellern die Gestapo Räume angemietet hatte, wurden die ankommenden Juden noch verhöhnt. Nach Ankunft mussten sie oft stundenlang und dicht gedrängt in finsteren Verliesen warten, hungrig, durstig, ohne eine Möglichkeit ihre Notdurft zu verrichten. Es folgte die obligatorische bürokratische Registrierung, das sogenannte „Durchschleusen“, in dessen Verlauf Gestapo, Finanzamt und Reichsbahn den unsäglichen Vorgang akribisch protokollierten. Schon hier wurden sie, die ihre gesamte Habe zurücklassen mussten, noch ihrer allerletzten Habseligkeiten beraubt, entwürdigend zudem, dass sich auch die Frauen vor den Augen der Nazis komplett ausziehen mussten – ein für die damalige Zeit unfassbar schamvolles Vorgehen. Während dieses Procederes lief der Alltagsbetrieb in der Großmarkthalle ungerührt weiter.

Kein Entrinnen

Wer diesen Vorhof zur Hölle durchgestanden hatte, wurde in die Personenwaggons dritter Klasse, deren Scheiben abgeklebt waren, gepfercht und auf die Reise geschickt. Um die genauen Wege zu verschleiern, fuhren die Züge dann tagelang durch die Gegend – ehe sie in den Lagern landeten. In Lodz, Theresienstadt oder Auschwitz – ein Entrinnen war nahezu unmöglich. Sonny berichtete, dass er mit dem Finger ein Loch in die Wand gebohrt hatte – und so einige Ortsnamen entziffern konnte. Weshalb und wieso er aber in einem dieser Züge saß, blieb ihm unbegreiflich.Zitate Deportierter, eingelassen in die Wege und Mauern der Gedenkstätte, schildern eindringlich die Vorgänge, die sich hier zwischen 1941 und 1945 abgespielt hatten. Draußen rauschen die Güterzüge über die Deutschherrnbrücke, Radfahrer und Skater rollen über die Wege – und nur die Wenigsten dürften wissen, welches Grauen sich hier einst abgespielt hatte.