Der Eintracht brachte es 1960 eine ungeheure Popularität, die sich darin widerspiegelte, dass die Mannschaft in den folgenden Jahren immer wieder zu Freundschaftsspielen um die Welt reiste. Als Deutscher Meister 1959 war die Eintracht für den Europapokal der Landesmeister qualifiziert, der seit 1955 ausgespielt wurde. Abonnementchampion war Real Madrid, das die Trophäe seit Einführung immer gewonnen hatten. Deutsche Mannschaften kamen im Europapokal nie weit, der größte Erfolg bis dato war die Viertelfinalteilnahme vom 1958er Meister Schalke 04.
Am 18. Mai 1960 fand im Hampden Park in Glasgow das Endspiel um den Europapokal statt. Gegner der Eintracht war Real Madrid, eine zur damaligen Zeit „Übermannschaft“ mit Stars wie Santamaria, Gento, di Stefano und Puskas. Selbstverständlich alles Profis, während die Eintracht-Spieler alle noch einem geregelten Beruf nachgingen. Doch die Eintracht startete selbstbewusst ins ungleiche Duell, zumal man die Zuschauer in Glasgow ob der beeindruckenden Vorstellung in den Halbfinals auf seiner Seite hatte. Kurz nach Anpfiff traf Meier nur die Latte, auch Stein und Kreß hatten gute Chancen. In der 18. Minute traf Kreß nach schönem Zuspiel von Stein unhaltbar zum 1:0. Auch nach dem Treffer spielte die Eintracht selbstbewusst, aber nach und nach kam Real besser ins Spiel. In der 27. Minute sorgte di Stefano für den Ausgleich, und zwei Minuten später für die Real-Führung. Die Hoffnung, mit knappem Rückstand in die Pause zu gehen, erfüllte sich nicht. Unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff erhöhte Puskas auf 3:1.
Trotzdem kam die Eintracht wieder schwungvoll aus der Kabine. Stein und Kreß kamen zu guten Chancen, doch der Anschluss wollte nicht gelingen. Dann kam die 56. Minute. Gento und Lutz lieferten sich ein Laufduell, dass im Strafraum mit einem Elfmeterpfiff für Real endete. Der Schiedsrichter entschied auf Strafstoß – und es zeugt von Größe der Eintracht-Spieler, das kaum protestiert wurde. Puskas ließ sich die Chance nicht entgehen und traf zum 4:1. Der Ungar legte auch das 5:1 (60.) und 6:1 (70.) nach. Die Eintracht konnte durch Erwin Stein noch einmal verkürzen, ehe di Stefano in der 73. Minute zum siebten Mal für Real traf. Doch für den Schlusspunkt in dem Wahnsinnsspiel sorgte Erwin Stein, der in der 75. Minute mit seinem zweiten Treffer den Endstand erzielte. Natürlich waren die Eintracht-Akteure nach dem Spiel bitter enttäuscht, doch sie hatten die Fußballwelt mit ihrem mutigen, offensiven und fairen Spiel beeindruckt. Oder wie Lutz es hinterher ausdrückte: „Wenn wir 3:0 geführt hätten, hätten wir auch verloren.“ Und sie beeindruckten auch bei der Siegerehrung, als sich die Mannschaft im Spalier aufstellte und diesmal dem Sieger Real Madrid anerkennend applaudierte. Ein Spieler der Truppe hat mal erzählt, dass sie das damals wohl nicht so freiwillig gemacht haben, aber Trainer Oßwald hatte seine Schützlinge geschnappt und zum Spalierstehen geschickt. Auch diese Geste brachte der Eintracht viel Sympathien. Oßwald befand rückblickend: „Die Abwehr hat nicht einfach genug gespielt. Der Elfmeter war eine lächerliche Entscheidung. Die Mannschaft ist mit wehenden Fahnen untergegangen, hat nie aufgesteckt und immer wieder angegriffen.“
„Menschenmenge mächtiger als im Meisterjahr“
Trotz der Niederlage wurde die Eintracht nach dem Finale in Frankfurt begeistert empfangen. Im Konvoi mit Oldtimern und Brauereiwagen ging es über die Friedensbrücke Richtung Römer, zehntausende Frankfurter begrüßten das Team. Laut Presse war die Menschenmenge auf dem Römer „mächtiger als im Meisterjahr“, Oberbürgermeister Bockelmann lote in seiner Rede in Richtung der Eintrachtler: „Sie haben durch Ihre Haltung und Ihr Auftreten eine Stadt im Sturm erobert. Sie haben eine völkerversöhnende Aufgabe erfüllt. Und darum gebührt Ihnen der Dank der Stadt und seiner Bürger.“ Wie schon im Jahr zuvor nach der Meisterschaft wurde der Abend im Zoo-Gesellschaftshaus beendet, wo sich auch die Mainzer Hofsänger eingefunden hatten. Die Hofsänger überreichten der Eintracht einen Erinnerungspokal (auch der steht heute im Museum) und sangen mit der ganzen Festgesellschaft ein Eintrachtlied, dass die Spieler seit der Partie gegen Wien nach dem Abpfiff immer unter der Dusche gesungen hatten: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Auch hier noch eine Anekdote: viele langjährige Eintracht-Fans behaupten, das Lied „So ein Tag“ wurde damals für die Eintracht komponiert. Das stimmt leider nicht, das Lied wurde bereits 1952 komponiert.
Das alles ist mittlerweile 60 Jahre her, aber unvergessen. Die Eintracht-Familie freut sich, dass viele Helden von einst bei den Spielen der Eintracht immer noch im Stadion sind. Dieter Stinka, Egon Loy, Hansi Weilbächer, Erwin Stein und Friedel Lutz verfolgen die Spiele der SGE immer noch aus der Meisterloge. Dabei ist immer auch Istvan Sztani – herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle zur Diamantenen Hochzeit kürzlich! – der 1960 für Standard Lüttich spielte. Dieter Lindner kann krankheitsbedingt leider nicht dabei sein. Adolf Bechtold, Hermann Höfer, Alfred Pfaff, Eberhard Schymik, Wolfgang Solz, Hansi Eigenbrodt, Erich Bäumler, Richard Kreß und Erich Meier sind bereits verstorben. Aber auch sie sind unvergessen, denn die Eintracht erinnert sich immer gerne an die „Helden von Glasgow“.
Endspiel in Glasgow, 18. Mai 1960
Real Madrid - Eintracht Frankfurt 7:3 (3:1)
Loy - Lutz, Höfer - Weilbächer, Eigenbrodt, Stinka - Kreß, Lindner, Stein, Pfaff, Meier - Trainer: Oßwald.
Tore: 0:1 Kreß (18.) 1:1 Di Stefano (27.) 2:1 Di Stefano (29.) 3:1 Puskas (45.) 4:1 Puskas (56., Foulelfmeter) 5:1 Puskas (60.) 6:1 Puskas (70.) 6:2 Stein (72.) 7:2 Di Stefano (73.) 7:3 Stein (75.).
Schiedsrichter: Mowat (Schottland).
Zuschauer: 127.621 (im Hampden Park).