11.05.2020
Leistungszentrum

Die Lounes: Am Ball geblieben

Ali, Mehdi und Adam Loune tragen nicht nur alle den Adler auf der Brust – sondern haben zuletzt auch mehr Zeit unter einem Dach verbracht als gewohnt. Von einer schrecklich begabten Familie.

Es fehlt ihnen sehr. Die Fahrt zum Riederwald, der Gang in die Kabine, die Begrüßung der Mannschaftskollegen und nicht zuletzt das Betreten des Rasens. Bei Familie Loune spielten sowohl das runde Leder als auch Eintracht Frankfurt im normalen Alltagsleben bisher eine überdurchschnittlich große Rolle. Seitdem Adam, mit 13 Jahren jüngstes Familienmitglied, 2017 an den Riederwald wechselte, steht das gesamte Brüdertrio im Dienst der Eintracht. Ali, Leistungsträger in der U19, sowie Mehdi, der als U16-Spieler bereits Luft in der B-Junioren-Bundesliga schnupperte, streifen sich seit 2016 das Adlertrikot über. Damit nicht genug: Auch im Leben von Vater Kassem nimmt der Fußball einen übergeordneten Platz ein. Das Familienoberhaupt leitet eine eigene Fußballschule, in der rund 80 Kinder im Alter von fünf bis dreizehn Jahren angemeldet sind. Hinzu komme die Unterstützung seiner Söhne, beispielsweise mit Fahrten zu den Trainingseinheiten oder Spielen.

„Wie im Traum“

In den vergangenen zwei Monaten konnte das Leben der fußballverrückten Familie, so wie es sich über die letzten Jahre einpendelte, nicht stattfinden. Dass der normale Alltag einmal derart beschränkt seine würde, hätte keiner der Lounes für möglich gehalten. „Als ich das erste Mal vom Virus hörte, war es noch so weit weg. Doch nach und nach realisierte ich, dass diese Krise auch uns in großem Ausmaß betrifft“, sagt Ali, der sich – wie die gesamte U19 – in hervorragender Verfassung befand und sich auf den Saisonendspurt freute. Vater Kassem ergänzt: „Am Anfang konnte ich mir nicht vorstellen, dass unter anderem Schulen schließen und Fußballer nicht mehr trainieren dürfen. Als es dann doch so kam, war es anfangs wie im Traum.“ So groß die Sehnsucht auf dem Platz zu stehen auch war und immer noch ist, in der Beurteilung der Situation waren sich die Familienmitglieder von Tag eins an einig. „Die Gesundheit geht selbstverständlich vor, wir haben jede Entscheidung akzeptiert und respektiert“, so der Familienvater, während seine drei Söhne nickend zustimmen.

Geteilte Sehnsüchte

„Der Alltag sah die letzten Wochen ziemlich leer aus“, resümiert Mehdi, der diese Woche seinen 16. Geburtstag feiert – in kleinem Kreis, nur zusammen mit seiner Familie. Und nachdem Adam verrät, dass ihm in den vergangenen Wochen am meisten seine Mannschaftskameraden und Freunde fehlten, fügt Ali hinzu: „Ich vermisse den Wettbewerbsdruck, die Partien am Wochenende. Darauf haben wir vor Corona wöchentlich hingearbeitet.“ Verständlich, dass eine Familie, deren männliche Mitglieder ausnahmslos Vollblutfußballer sind, ebendieser Sportart hinterhertrauert. Dennoch fällt auf, dass die Lounes der Krise sehr sachlich und ausgeglichen entgegentreten. Das liege, so sind sich alle einig, vor allem an den Gegebenheiten im eigenen Zuhause in Hanau – präziser gesagt: am heimischen Garten. Dank dem ist es Vater und Söhnen nämlich möglich, trotz Einschränkungen die Fußballschuhe zu schnüren. Zwar sei ein solches „Gartentraining“ nicht mit einem regulären Mannschaftstraining vergleichbar, „dennoch ist es für uns eine gute Möglichkeit, am Ball zu bleiben und unsere Fußballlust ein wenig zu stillen“, sagt U16-Spieler Mehdi.

Gartentraining als Ergänzung

Die Trainingseinheiten im heimischen Garten sind dabei keineswegs eine reine Spaßveranstaltung. „Meine Söhne haben von der Eintracht ein Individualprogramm erhalten, das hat erstmal Priorität. Zusätzlich dazu treffen wir uns bis zu viermal in der Woche in unserem Garten, wo wir Technik, Dribbling und Koordination trainieren“, so Vater Kassem. Die drei Adlerträger selbst freuen sich stets auf die gemeinsamen Trainingseinheiten. „Ich versuche, meinen Brüdern viel mitzugeben, kann aber selbst sehr von den beiden profitieren“, sagt Ali, mit 18 Jahren der Erfahrenste der drei Teenager. Mehdi ergänzt, dass es von Vorteil sei, zwei Brüder mit an Bord zu haben: „Dadurch ist bei mir die Motivation höher. Wir machen auch manchmal kleine Wettbewerbe, um uns gegenseitig zu pushen.“ Und für Adam sei es spannend zu sehen, wie weit seine beiden Brüder schon sind. „Ich brauche noch viel Kraft, so wie Ali und Mehdi. Außerdem möchte ich mein Kopfballspiel verbessern“, so der jüngste Sprössling. Besonders stolz zeigt sich Vater Kassem über die Art und Weise, wie seine Kinder den neuen sportlichen Alltag meistern. „Die Jungs machen das gut, sie gehen die Trainings mit der nötigen Ernsthaftigkeit an und versuchen, ihre Schwächen kontinuierlich zu verbessern.“

Wiedersehen macht Freude

Auch Andreas Möller, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), sieht das so. „Herr Möller hat uns NLZ-Spielern geschrieben, dass wir das bis hierhin sehr gut gemacht haben und weiterhin alle an einem Strang ziehen werden, bis wir uns alle gesund am Riederwald wiedersehen“, erinnert sich Mehdi. Apropos „wiedersehen“: Seit einigen Tagen geht es für die Jungs auch wieder in die Schule. War also in den vergangenen Wochen nicht nur Fußball-, sondern auch Lernpause? „Nein!“, entgegnet Adam bestimmt. „Meine Brüder und ich haben über Videokonferenzen und Apps Hausaufgaben aufbekommen, die hinterher per Mail von den Lehrern überprüft wurden.“ Trotzdem sei es insgesamt weniger als in regulären Schulwochen gewesen. Deshalb gab es weitere mentale Unterstützung, und zwar von der Eintracht. Mit Claire Schulz, Sportpsychologin im NLZ, standen die Jungs in regelmäßigem Austausch. Für Ali eine willkommene Abwechslung: „Wir haben über eine App Mental-Work-outs durchgeführt. Hinterher haben wir mit Claire telefoniert und ihr erzählt, was wir dabei empfunden haben. Das war sehr hilfreich und hat uns vom meist eintönigen Alltag etwas abgelenkt.“ Eine spannende Trainingsform, für die im normalen Trainingsalltag kaum Zeit bleibt.

Das Positive sehen

Auch wenn das Ende der Krise noch lange nicht erreicht ist, so ist die Eintönigkeit der vergangenen Wochen mittlerweile wieder etwas bunter. Die neuesten Lockerungen seitens der Politik erlauben beispielsweise, dass Sportstätten wieder öffnen dürfen und somit Trainingseinheiten mit der Mannschaft in naher Zukunft – unter gewissen Voraussetzungen – wieder umsetzbar sein könnten. „Natürlich freut es uns, wenn langsam aber sicher wieder Normalität einkehrt. Aber es muss Sinn machen und die Gesundheit aller darf nicht gefährdet werden“, sagt Ali, der seine persönliche Einschätzung ergänzt: „Ich denke, es wird noch einige Zeit dauern, bis ein ganz normaler Alltag wieder denkbar ist.“ Welch großen Vorteil die Coronazeit hingegen mit sich bringt, erläutert Vater Kassem abschließend: „Normalerweise sind wir immer unterwegs. Die Kinder haben Schule, Trainingseinheiten oder Spiele. Die letzten Wochen haben wir als Familie sehr viel Zeit miteinander verbracht, das ist natürlich ein sehr schöner und positiver Aspekt“, so Kassem. Er fügt an: „Auf lange Sicht gesehen werden wir uns vermutlich wieder weniger zu Gesicht bekommen. So lange es aber so ist, genießen wir das und machen das Beste daraus.“