31.07.2024
Team

„Eine ganz andere Hausnummer“

Jan Fießer, einst Spieler und Trainer im NLZ, bringt neue Erfahrungen nach Frankfurt mit: Holländische Schule, Wunder mit Bochum, Ausbildung zum Fußballlehrer. Die Hintergründe.

Jan, willkommen zurück bei der Eintracht! Lass uns zuerst auf deine ersten Profistationen nach deiner Zeit am Riederwald blicken.
Nach meinem Abschied 2020 gab es zwei Anfragen: Eine davon war von Vitesse Arnheim und Thomas Letsch, den ich auf Empfehlung von Frank Leicht glücklicherweise von mir überzeugen konnte und da mein erklärtes Ziel immer der Profibereich war, musste ich für meine Zusage nicht lange überlegen. Die etwas mehr als zwei Jahre waren unglaublich lehrreich und haben sehr viel Spaß gemacht: Vierter in der Liga, Pokalfinale gegen Ajax im ersten Jahr, im zweiten Jahr sind wir in der Conference League erst im Achtelfinale gegen AS Rom ausgeschieden. Dann wurden wir anfang unserer dritten Saison vom VfL Bochum verpflichtet. Das erste Jahr dort war alles andere als normal. Wir sind mitten in der Hinrunde mit einem Punkt eingestiegen, der direkte Klassenerhalt grenzt an ein Wunder. Bis zur Trennung Anfang April standen wir zu keiner Zeit auf einem Abstiegsplatz. Aber im Fußball geht es bekannterweise schnell und daher geht es jetzt für mich bei der Eintracht weiter. Ich freue mich extrem, dass ich wieder für meinen Verein arbeiten darf!

Wie kam der Kontakt zustande?
Ich hatte auf einmal einen Anruf von Markus Krösche auf dem Handy, dann ging alles relativ schnell. Ein erstes Telefonat mit Dino Toppmöller, danach das erste Treffen mit ihm und dem Trainerstab. Kurz darauf habe ich unterschrieben und schon ging es los. Eigentlich stand für mich nicht zur Debatte, Thomas zu verlassen, da wir eine sehr enge und vertrauensvolle Beziehung hatten, was im Profifußball vielleicht unüblich ist, wenn man sich vorher nicht gekannt hat. Aber was soll man machen, wenn sein Herzensverein vor der Tür steht.

Was sich hier entwickelt hat, ist Wahnsinn!

Jan Fießer

Welche Eindrücke hast du nach den ersten Wochen?
Was ich auch meiner Frau immer wieder sage: Es ist eine andere Hausnummer. Aus der Jugend zu Vitesse war ein großer Schritt, zu Bochum ein noch größerer. Aber an die Eintracht reicht für mich nichts heran. Ich kenne den Verein, seit ich 2002 als Spieler herkam [U17 und U19 bis 2006; Anm. d. Red.]. Was sich hier entwickelt hat, ist Wahnsinn! Ich habe in den ersten Wochen schon viel gelernt und mitgenommen.

Was zum Beispiel?
Die Abläufe in einem so großen Team, alle Mitarbeiter mitzunehmen. Jeder will und muss auch dazugehören, damit wir erfolgreich sind. Das meistert Dino sehr gut.

Wie würdest du dein Aufgabenprofil definieren?
Inhaltliche Schwerpunkte bei mir sind das Spiel im letzten Drittel und der Spielaufbau unter Druck. In diesen Aspekten bilde ich ein Team mit Dino. Auch in die Trainingsgestaltung bin ich involviert und zudem mit dem Athletikbereich im engen Austausch, was die Belastungssteuerung angeht.

„Spiel im letzten Drittel und der Spielaufbau unter Druck“ sind Trainingsschwerpunkte von Dino Toppmöller und Jan Fießer.

Inwieweit hat dich die holländische Schule in der Eredivisie geprägt?
Die Zeit in den Niederlanden war für mich und meine Familie sehr prägend. Andere Kultur und andere Sitten. Fußballerisch habe ich viel mitgenommen, das habe ich auch im ersten Gespräch mit Dino erwähnt. Ich hatte das Glück, dass während meiner Zeit Erik ten Hag [aktuell Manchester United; Anm. d. Red.] und Arne Slot [jetzt Liverpool FC; Anm. d. Red.] Ajax beziehungsweise Feyenoord trainiert haben. Dadurch habe ich sehr viel mitgenommen, was das Spiel mit dem Ball und insbesondere das Verhalten im letzten Drittel angeht. Viele Prinzipien waren mir vorher in der Art und Weise so im Detail nicht bekannt. Klar ist aber auch, dass wir als Trainerteam eine andere Schule kannten. Der Schlüssel war, beide Seiten zu vereinen: Gegen den Ball unsere Philosophie auf den Platz zu bringen und den technisch-taktisch bestens ausgebildeten niederländischen Spielern offensiv ihre Freiheiten beziehungsweise ihre gelernten Automatismen zu lassen.

Der Großteil aller Teams stößt an seine Grenzen, je näher es Richtung Tor geht – was ist das Erfolgsrezept?
Im Grunde ist es kein Geheimnis, weil sich jeder die Spiele der genannten Trainer anschauen kann. Es geht ganz viel um Automatismen. Der komplette holländische Fußball hat mehr oder weniger die gleichen Prinzipien im letzten Drittel. Runtergebrochen geht es darum, viel Automatismus ins Team zu bekommen und dass die Spieler verinnerlichen, welche Räume belaufen und bespielt werden sollen.

Du machst aktuell die Ausbildung zum Fußballlehrer. Wie ist hier der Stand?
Die Lizenz läuft seit Anfang Januar und das Zertifikat, sofern man besteht, gibt es im Januar 2025. Durch die Umstrukturierung der Lizenzen ist die Belastung mittlerweile human mit einmal pro Monat für drei Tage. In der Sommerpause war es ein wenig mehr und intensiver. Dass die DFB-Akademie hier ums Eck liegt, ist hervorragend. Besser geht’s nicht!