Olaf, 1999 hielt Eintracht Frankfurt knapp die Klasse in der Bundesliga. Nimm uns noch einmal mit auf die Reise zu deinem Tor gegen Schalke und dem 5:1 gegen Kaiserslautern.
Es war für mich der emotionalste Moment als Spieler und Trainer. Unvergessen! Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Eigentlich waren wir schon abgestiegen, wir hatten nur noch eine theoretische Chance auf den Klassenerhalt. Wir gewannen in Bremen, gegen Dortmund und mussten es auch gegen Schalke tun. Wir lagen 0:2 zurück und hatten dann plötzlich das Spiel auf 2:2 gedreht. Ich war eigentlich weiter hinten aufgestellt, bin dann aber mit nach vorne gelaufen – warum, weiß ich nicht. Ich hatte den Ball am Fuß und Oliver Reck ans Schienbein geschossen. Der Fußballgott wollte aber, dass der Ball wieder zu mir zurückkommt, sodass ich das 3:2 schießen konnte. So kam es dann überhaupt erst zu diesem Spiel und dem 5:1 gegen Kaiserslautern. Ich kann mich dabei an so viele Dinge erinnern: Zur Halbzeit stand es 0:0, wir machten das 1:0, die bekamen einen Elfmeter – 1:1. Kaiserslautern konnte mit einem Sieg bei uns die Champions League erreichen, wir machten das 2:1, 3:1, 4:1 und das ganze Stadion tobte. Wir dachten alle: Jetzt haben wir es geschafft.
Das Interview mit Olaf Janßen basiert auf der ab sofort abrufbaren neuen Podcastfolge „Eintracht vom Main“.
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Folge 68: Olaf Janßen
Was geschah dann?
Ich bin in der gefühlten 80. Minute ausgewechselt worden, saß auf der Bank und – ich weiß es noch wie heute – da kam jemand zu mir und sagte: Ey, ihr müsst noch ein Tor schießen, ihr braucht noch eins. Es gibt Bilder, wie wir an der Seitenlinie stehen und unsere Jungs nach vorne winken. Die haben uns angeguckt nach dem Motto: Habt ihr schon getrunken? Dann kam eben dieser Pass auf Jan Aage [Fjörtoft; Anm. d. Red.]. Legendär! Er machte den Übersteiger, den er vorher und nachher nie mehr gemacht hat, weil er sich normalerweise dabei das Kreuzband gerissen hätte. Er machte das Tor. Das war unvergessen. Das Spiel war samstags, irgendwann dienstags habe ich mich zu Hause gemeldet und gesagt: Alles in Ordnung, macht euch keine Sorgen.
Denkt man in solch einer Situation überhaupt was? Oder ist so viel Adrenalin, Leere und ein pures Glückgefühl in einem?
Man wird von diesen Gefühlen übermannt. Wir waren theoretisch abgestiegen. Damit hatte keiner mehr gerechnet. Du weißt eigentlich gar nicht, was du zuerst machen sollst. Die ganzen Leute waren am Boden und sind übereinander hergefallen. Es war einfach verrückt. Pure Freude. Der Fußballgott hatte auf jeden Fall seine Hand im Spiel gehabt.
Bringst du dieses Spiel deiner Mannschaft als Beispiel, um Motivation zu wecken?
Diese Geschichte habe ich schon zwei Mal in meiner Trainerkarriere verwendet. Ein Gesichtspunkt ist, niemals aufzugeben und dass dann eben etwas ganz Besonderes auf einen warten kann. Das ist ein Moment, den man dann erleben darf. Das kann man eben nur schaffen, wenn man die Flinte nicht ins Korn wirft.
Es wäre schon cool, der Eintracht ein Finale bieten zu können.
Olaf Janßen, Cheftrainer FC Viktoria Köln
Auch in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Werder Bremen hast du mit Viktoria Köln in der Nachspielzeit das Spiel gewonnen. Sind in deiner Mannschaft einige Mentalitätsmonster?
Definitiv. Nicht nur wegen dieses Spiels, in dem wir übrigens zwei Mal zurücklagen. Hier ist etwas zusammengewachsen. Eine besondere Gemeinschaft, in der meine Führungsspieler eine Menge Verantwortung für die anderen übernehmen. Das finde ich extrem wichtig. Einige von ihnen legen eben genau diese Mentalität an den Tag. Es ist erst aus, wenn abgepfiffen ist. Das zeichnet die Jungs aus. Hier ist kein Zirkus. Hier kümmere ich mich jeden Tag um Fußball, um das nächste Training und das nächste Spiel. Das war eine bewusste Entscheidung. Ich wusste auch, dass der Verein die Potentiale und Mittel hat, um mittelfristig etwas aufzubauen. Zu wissen, hier kann ich etwas schaffen, war ausschlaggebend. Vom Kader und den Inhalten her ist es in dieser Saison das Beste, was ich in den Jahren hier zur Verfügung hatte. Wir haben viel zu wenig Punkte für die erbrachten Leistungen. Ich bin grundsätzlich sehr zufrieden. Auch, weil ich sehe, dass sich das Spiel in die richtige Richtung entwickelt.
Lass uns in Richtung Mittwoch schauen. Dann triffst du mit Viktoria Köln auf die Eintracht. Was erwartest du für ein Spiel?
Gefühlt wird es so sein, dass wir die ganze Zeit dem Ball hinterherlaufen werden und versuchen, durch Konter zum Erfolg zu kommen – mit einem Glücksschuss in Anführungszeichen. Das wird nicht unser Plan sein. Es ist eine geile Herausforderung zu sehen, wie viel Ballbesitz wir gegen die Eintracht hinbekommen und wie oft sie uns vielleicht hinterherlaufen müssen. Wie mutig sind wir und trauen wir uns das zu, zumindest mal eine Chance zu haben. Es wäre schon cool, der Eintracht ein Finale bieten zu können. Denn wer verliert, ist raus.
Hast du dich bei der Auslosung vielleicht sogar einen Tick mehr gefreut?
Ich habe mich riesig gefreut, weil ein Drittligist nicht so oft die zweite Runde im DFB-Pokal erreicht – das ist das erste. Das zweite ist meine ganz besondere Eintracht-Vergangenheit. Diesen Moment [gegen Kaiserslautern; Anm. d. Red.] werde ich nie vergessen. Für mich ist es ein Geschenk, weil ich nicht erwartet habe, als Trainer einer anderen Mannschaft nochmal der Eintracht gegenüber zu stehen.
Wie endet das Aufeinandertreffen?
Ich möchte kein Ergebnis nennen. Ich glaube, dass meine Mannschaft in der Lage sein wird, Frankfurt zumindest zu ärgern. Ich sehe einen Moment und eine Mannschaft, die ihr Herz auf dem Platz lassen wird, die versucht, unsere DNA auf den Platz zu bringen. Deswegen glaube ich, dass der Abend ein cooler Moment wird.
Mehr über Janßens Perspektive auf den Klassenerhalt 1999, seine Zeit als Co-Trainer unter Berti Vogts in Aserbaidschan und seine Arbeit bei Viktoria Köln erfährst Du auf Spotify und überall dort, wo es Podcasts gibt. Reinhören lohnt sich, damit Du bestens vorbereitet bist für das Pokalspiel am Mittwochabend!