18.05.2022
Europapokal

EUROPA-LEAGUE-SIEGER!

6:5 nach Elfmeterschießen gegen den Rangers FC. Trapp hält einen Elfer, Borré verwandelt den entscheidenden.

Der Gewinner der UEFA Europa League 2022 heißt Eintracht Frankfurt!

In einem auf dem Rasen wie auf den Rängen energiegeladenen Finale haben die Adlerträger nach über 120 Minuten, Verlängerung und Elfmeterschießen das bessere Ende für sich. In der regulären Spielzeit hatte Rafael Santos Borré (69.) für den 1:1-Ausgleich gesorgt. Der Held kurz vor Mitternacht heißt Kevin Trapp mit einem gehaltenen Elfer. Borré vollendet.

Personell hatten sich beide Trainer nicht in die Karten blicken lassen, schließlich 80 Minuten vor dem Anpfiff keine Überraschungen aus dem Hut gezaubert. Oliver Glasner schickte die Elf der Vorwochen ins Rennen, mit dem Unterschied, dass Jesper Lindström nach seiner am 5. Mai gegen West Ham erlittenen Oberschenkelverletzung rechtzeitig fit für Startformation geworden war.

Ein Spielertausch stand dennoch früh zu befürchten, als Sebastian Rode mit John Lundstram zusammenrasselte, als der Fuß des englischen Abräumers den Kopf des Frankfurter Kapitän erwischte (5.). Nach mehrminütiger Behandlungspause, Turban und neuem, nicht mit Blut bekleckertem Trikot, ging es für Rode weiter.

Nach dem gewissermaßen Restart ergriff die Eintracht zuerst die Initiative, wirkte konzentriert, wie die Gers um schnelles Spiel in die Spitze bemüht, aber wie der Kontrahent von der Insel nicht mit der größten Leichtigkeit unterwegs. So hatte jedes Team seine abwartenden und dominanteren Phasen, wenngleich die Hessen gefühlt gefährlicher waren. Bemerkenswert, dass bei weitgehenden ausgeglichenen Spielanteilen nach der ersten Halbzeit 19 zu 21 Angriffe, aber elf zu drei Torschüsse zu Buche standen.

Den Anfang machte Daichi Kamada, als er nach einem Ballgewinn, Vorstoß und langem Ball von Almamy Toure ins Dribbling ging, der Ball vor die Füße von Djibril Sow abprallte und der Schweizer in die Arme von Allan McGregor schlenzte (12.). Zielstrebig zeigte sich daraufhin Ansgar Knauff, der in den rechten Halbraum zog, aufs kurz Eck zielte, jedoch in McGregor seinen Meister fand (20.). Dem daraus resultierenden Eckstoß folgte eigentlich ein Querschläger des im Hinterhalt lauernden Lindström, der aber fast noch interessant geworden wäre (21.).

Sow setzte das Leder wenige Augenblicke aus dem Rückraum später einen Tick zu hoch an (21.). Die erste wirkliche Chance hatten die Rangers unmittelbar vor dem Cooling Break in Person von Joe Aribo, dessen Versuch wenige Zentimeter am Kreuzeck vorbeiflog (26.).

Rückkehrer mit vielen Aktionen: Jesper Lindström.

Heiß wurde es auch nach einer halben Stunde, als Lindström nach einer weiteren Eckballfinte draufhielt, aber in der blauen Mauer hängen blieb (30.). Im zweiten Anlauf traf Filip Kostic das Tordach (30.). Der Serbe stand auch im Fokus, als er einen Gegenstoß buchstäblich im Alleingang über die linke Seite initiierte, sich schließlich den Abschluss selbst nahm und rechts vorbeischoss (32.).

Die Schotten ihrerseits kamen Richtung Pause etwas zur Geltung, auch weil die Adler zeitweise etwas zurücksteckten. Eine im Ursprung vermeidbare Ecke zog eine weitere nach sich, woraufhin Lundstram erstmals Kevin Trapp prüfte, der den Kopfball mit den Fingerspitzen über die Latte lenkte (36.). Als gerade die sechsminütige Nachspielzeit angebrochen war, fand Ryan Jack etwas Raum vor, setzte das Spielgerät aber über das Gehäuse (45. + 2).

Verhängnisvolle Verkettung, an deren Ende Joe Aribo Kevin Trapp überwindet.

Analog des ersten Abschnitts fanden die Adlerträger auch nach der Pause zunächst besser in die Begegnung und mehr Räume vor. Tuta fand zwar keine Anspielstation, aber auch keinen Gegenspieler und versuchte es einfach mal aus der dritten Reihe – nicht ungefährlich (48.). Kurz darauf drehte Lindström an der Sechzehnerkante eine Pirouette inklusive abgefälschtem Abschluss, bei dem McGregor machtlos gewesen wäre, aber in einem Eckstoß mündete (49.).

Trauriger Abgang: Vor dem Gegentor hat sich Tuta obendrein wehgetan.

Auf der Gegenseite fand James Tavernier mit einem Querpass über die ganze Feldbreite mangels Klärung Ryan Kent, der freistehend verzog (54.). Ruhiger blieb Aribo, als ein Abstoß direkt wie ein Bumerang zurückflog, Sow versehentlich nach hinten köpfte und Tuta ungewollt in ein Laufduell verstrickte, der als letzter Mann die Balance verlor und die Rängers in Führung gingen (57.). Obendrein hatte sich der Brasilianer verletzt, Makoto Hasebe nahm die zentrale Rolle der Abwehrkette ein (58.).

Die Reaktion auf den doppelten Rückschlag hätte beinahe auf dem Fuß gefolgt. Kostic verlagerte auf Knauff, der legte die Kugel mit einem weiten Ausfallschritt unorthodox zurück und Lindström traf statt dem Netz Verteidiger Calvin Bassey (59.). Keine zehn Zeigerumdrehungen darauf eroberte der Däne den Ball, Rode steckte diesen durch auf Daichi Kamada, der über McGregor, aber auch die Kiste lupfte (67.).

Rafael Santos Borré steht goldrichtig und netzt zum 1:1.

Aber dann! Scharfe Flanke Kostic, richtiger Riecher Borré und schon stellte der Stürmer aus nächster Nähe auf 1:1 (69.). Alles also wieder auf Anfang, und doch sprinteten und fighteten beide Seiten, als gäbe es kein Ende. Der mittlerweile für Lindström reingekommene Jens Petter Hauge  (70.) war gleich im Spiel, sein erster Versuch geriet aber zu hoch (77.).

Ständiger Unruheherd: Filip Kostic.

Anschließend hätte ein Flatterfreistoß von Kostic auch ohne Abnehmer fast nochmal Fahrt aufgenommen, McGregor wirkte vom Aufsetzer überrascht – nächste Ecke (80.). Die Nummer zehn war ebenso bei der letzten nennenswerten Szene der regulären Spielzeit beteiligt, das Geschoss zischte aber am langen Pfosten vorbei (89.). Danach machte Rode Platz für Kristijan Jakic (90. ) und nach weiteren fünf Minuten Nachspielzeit rief die Verlängerung im Estadio Ramón Sánchez-Pizjuán.

Mit schwindenden Kräften, aber ausgeprägtem Willen war Frankfurt wie Glasgow anzumerken, dass sie die andalusische Sommernacht nicht in der Elfmeterlotterie beenden wollten. Mit allen verfügbaren Mitteln ging es hin und her, mit Mut zum Risiko – und mehr Möglichkeiten der SGE. Borré war nach einem Ausrutscher Basseys auf und davon, geriet aber schließlich zu sehr in Bedrängnis (94.). Auch Knauff entwischte, zielte im Vollsprint aber nicht genau genug (100.). Auf der Gegenseite fackelte der frisch gekommene Scott Arfield nicht lange, hatte aber seinerseits zu wenig Zielwasser getrunken (94.).

Einschwören auf die Verlängerung.

Also ein letztes Mal Seitenwechsel, eine Viertelstunde auf die weiße Wand zu. Neben Christopher Lenz für Evan Ndicka (100.) nun auch mit Ajdin Hrustic für Sow auf dem satten Grün (106.). Dem Australier gehörte gleich die nächste Aktion – drüber (107.). Trapp hielt gegen Borna Barisic (106.) und Kent (114.) die Stellung. McGregor musste bei Jakics Distanzknaller nicht eingreifen (114.). Dafür dessen Pendant in Orange, als der deutsche Nationalkeeper erst im Eins-gegen-eins mit Kent löschte (118.) und in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit der Verlängerung einen Freistoß von Tavernier aus dem Winkel fischte (120.) und damit das Elfmeterschießen besiegelte.

Mega Rettung kurz vor Schluss: Kevin Trapp treibt Ryan Kent zur Verzweiflung.

Den ersten Stich setzten die Blauen, indem sie die Platzwahl gewannen und sich für den Entscheid vor dem eigenen Anhang entschieden. Nachdem die jeweils ersten drei Schützen verwandeln konnten, parierte Trapp gegen Aaron Ramsey. Kostic zeigte dafür keine Nerven und knipste sein Team in Front. 4:3. Glasgow trifft. 4:4. Borré – trifft! 5:4! Eintracht Frankfurt ist Europa-League-Sieger 2022!!!

Da ist das Ding! Unbändige Freude bei Elfmeterheld Kevin Trapp.