In zwei Spielzeiten waren die Adlerträger im neuen Jahrtausend im Europapokal präsent: 2006/07 und 2013/14. In unserer Serie über internationale Erfahrungen, in der jeweils drei (Ex-)Eintrachtler zu Wort kommen, haben wir nun mit unserem Co-Trainer Armin Reutershahn und mit Kevin Trapp gesprochen, die jeweils die zweite „internationale“ Amtszeit in Frankfurt erleben. Dazu kommt Michael Fink, der 2006 in allen sechs Partien auf dem Rasen stand. Unseren Tradispieler haben wir bei dieser Gelegenheit gleich zu seiner Meinung über die aktuelle Eintracht gefragt.
Kevin Trapp über…
…die Spiele in der Saison 2013/14: Es war eine grandiose Erfahrung, weil der Verein und vor allen Dingen die Fans das unvergesslich gemacht haben. Insgesamt haben wir eine tolle Saison gespielt, haben die Gruppe dominiert und sind als Tabellenerster ins Sechzehntelfinale eingezogen. Mit dem FC Porto haben wir einen guten, starken und schönen Gegner bekommen. Wir haben zweimal nicht verloren und sind letztlich mit viel Pech ausgeschieden. Dennoch bleibt insbesondere hängen, dass die Fans uns unglaublich unterstützt haben. Das war der absolute Wahnsinn.
…das Auswärtsspiel in Bordeaux: Das sind natürlich Erinnerungen, die man nie vergessen wird. Wir wussten vorher nur, dass viele Fans kommen werden. Aber nicht genau, wie viele und was sie vorhaben. Es war wie ein Heimspiel, eine ganze Kurve voller Eintracht-Fans in Orange. Dann haben wir durch Martin Lanigs spätes Tor das Weiterkommen klar gemacht, das waren Emotionen pur. Erstens wegen der vielen Fans, zweitens wegen der Qualifikation für die nächste Runde.
…die zwei Partien gegen den FC Porto: Mit dem Ausscheiden gegen Porto konnte man rechnen, aber nicht mit diesen Ergebnissen. Wir haben in Porto 0:2 zurückgelegen und 2:2 gespielt. Zuhause war es ein dramatisches Spiel. Wir haben 2:0 geführt, dann stand es 2:2. Zehn Minuten vor Schluss haben wir das 3:2 gemacht, aber leider noch den Ausgleich kassiert. Es war dennoch ein tolles, emotionales Spiel. Wir haben in der Liga noch gegen den Abstieg gespielt, man hat uns die Doppelbelastung angemerkt. Auf der einen Seite war das Ausscheiden schade, auf der anderen Seite haben wir die Bundesliga gehalten. Das war natürlich sehr wichtig. Beeindruckt haben mich natürlich wieder die Fans. In Porto haben sie sogar die Autobahn gesperrt, als sie zum Stadion gelaufen sind. Das haben wir später auf Videos gesehen. Wahnsinn.
…die internationalen Festtage im Herbst 2018: Marco Russ und ich, wir haben ja schon Erfahrung mit internationalen Partien bei uns. Wir konnten ein paar Spielern schon etwas erzählen, was sie erwartet. Das konnten sie spätestens nach dem Heimspiel gegen Limassol nachvollziehen. Es ist einfach besonders und unfassbar, wie die Fans mitgehen. Dass wir nun mit vier Siegen die Qualifikation für die nächste Runde schon in der Tasche haben, freut uns und gibt uns Selbstvertrauen.
Armin Reutershahn über…
…die Spiele im Herbst 2006: Das war eine tolle Zeit für uns mit einer ausverkauften heimischen Commerzbank-Arena gegen Palermo und Newcastle sowie stimmungsvollen Auswärtsspielen in Vigo und bei Fenerbahce. Alle Begegnungen waren sehr ausgeglichen, meistens mit leichten Vorteilen für uns. Leider hat es nicht für einen Sieg gereicht. Speziell in Vigo hätten wir gewinnen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass wir das geschafft hätten, wenn Alex Meier nicht die Gelb-Rote Karte bekommen hätte. Er hat hier in 14 Jahren keiner Fliege etwas zuleide getan, der Platzverweis war unberechtigt. In Unterzahl haben wir sogar noch den Ausgleich erreicht, durch Alex Huber. Von den Ergebnissen her war mehr drin. Wir haben richtig gute Spiele gemacht, obwohl wir in der Bundesliga um den Klassenerhalt gekämpft und daher rotiert haben. Fast alle Kaderspieler kamen zum Zug. Leider sind wir nicht in die nächste Runde eingezogen.
…das entscheidende Spiel bei Fenerbahce Istanbul: Am letzten Spieltag hätten wir gewinnen müssen, um weiterzukommen. Ich war vorher schon bei einem Spiel von Fenerbahce und habe gemerkt, welche Stimmung dort herrscht. Die türkischen Fans sind sehr emotional, darauf hatten wir die Mannschaft eingestimmt. Sie wusste, was auf sie zukommt. Aber im Stadion live ist das nochmal eine andere Dimension. Zico war der Trainer auf der anderen Seite, die Mannschaft war mit türkischen und brasilianischen Nationalspielern bestückt, 50.000 heißblütige Fans haben ihr Team nach vorne gepeitscht. Als wir 2:0 geführt haben, flogen Geldstücke und andere Dinge in Richtung Zico, der vor der Trainerbank ungeschützt stand. Wir mussten gut aufpassen, um nichts abzubekommen. Zico war ohnehin unter Druck, denn auch in der Liga waren die Ergebnisse nicht gut. Fenerbahce hat noch das 2:2 geschafft und ist weitergekommen. Gut für Zico, schade für uns. Aber es war auch für unsere Fans ein tolles Erlebnis.
…die Saison aus persönlicher Sicht: Es war auch für mich als Co-Trainer eine prägende, lehrreiche und schöne Zeit. Ich kam 2004 mit Friedhelm Funkel nach Frankfurt. Wir sind direkt aufgestiegen, haben im nächsten Jahr das DFB-Pokalfinale erreicht und durften dann international ran. Als Co-Trainer habe ich vorher jeden Gegner beobachtet, denn es gab im Scouting- und Analysebereich noch nicht die Möglichkeiten wie heute. Wir haben kaum Bilder bekommen vorher, und wenn, dann nur TV-Bilder, die nicht so aussagekräftig sind. Heute bekommst du Scouting-Feeds, auf denen du das ganze Spielfeld siehst und den Gegner genau in jeder Sekunde analysieren kannst. Ich war also bei Ligaspielen in Palermo, in Vigo, bei Fenerbahce und bei Arsenal gegen Newcastle. Für mich war das eine unglaubliche Entwicklung.
…„sein“ Jahrhundertspiel als Co-Trainer: International war ich vor meiner Eintracht-Zeit auch mit Uerdingen und dem HSV unterwegs, mit beiden Teams übrigens sehr erfolgreich im UI-Cup. Das war insbesondere zur HSV-Zeit mit Cheftrainer Frank Pagelsdorf eine gute Vorbereitung auf die Saison. 1999 haben wir das Finale gegen Montpellier erreicht, sind erst ohne einen Treffer im Elfmeterschießen an der Qualifikation für den UEFA-Cup gescheitert. Danach waren wir im Flow, sind richtig gut in die Saison gestartet und letztlich Dritter geworden. Das bedeutete für den HSV die beste Saison seit 1986/87 und die erstmalige Quali für die Champions League. Entsprechend groß war die Vorfreude bei den Fans, und gleich das erste Spiel – auch für mich in der Königsklasse – fand zuhause gegen den italienischen Meister Juventus Turin statt mit Van der Sar, Zidane, Inzaghi, Davids, del Piero. Eine überragende Mannschaft. Wir haben 1:3 hinten gelegen und die Partie gedreht, Niko Kovac hat das 4:3 erzielt. Dann hat Barbarez Inzaghi am Trikot gezupft, er ist leicht gefallen und es gab Elfmeter. Warum war Sergej eigentlich im eigenen Strafraum? Inzaghi hat verwandelt, Endstand 4:4. Es war ein Jahrhundertspiel vom Ablauf her. Ich schaue mir das Video ab und zu an, das weckt unglaubliche Emotionen. Die Partie ist nicht nur bei mir stärker im Kopf als andere Spiele. Auch das Rückspiel in Turin, das wir sensationell 3:1 gewonnen haben. Darüber redet kein Mensch, obwohl es neben dem Ergebnis an sich mit Zidanes Kopfstoß gegen Jochen Kientz ebenso seine Besonderheit hatte.
Michael Fink über…
…die Qualifikation für die Gruppenphase: Wir mussten uns als Verlierer des DFB-Pokalendspiels für die Gruppenphase in K.o-Spielen erst noch qualifizieren. Gegen Bröndby haben wir zu Hause einen Sahnetag erwischt und 4:0 gewonnen. Michael Thurk war damals unser Held, er hat die ersten drei Tore geschossen. Im Rückspiel hatten wir fast keine Probleme. Die Überraschung beim 2:2 in Kopenhagen war eigentlich nur, dass ausgerechnet unser Abwehrspieler Aleksander Vasoski beide Tore gemacht hat.
…über die Gruppenphase: Der Modus war insgesamt nicht so gut, wir Spieler und auch die Fans hätten zum Beispiel gerne auch mal in England gegen Newcastle gespielt. Bei einem Heimspiel gegen Fener wäre das Stadion sicher voll gewesen. Dennoch waren es natürlich Erfahrungen, die zu den absoluten Höhepunkten meiner Karriere zählen. Obwohl wir kein Spiel gewonnen haben, waren wir in jeder Partie auf Augenhöhe. Doch die Hypothek nach der ärgerlichen Heimniederlage am Anfang gegen Palermo war zu groß. Ich erinnere mich noch, dass die damals in rosa Trikots gespielt haben. Zu dieser Zeit war das absolut ungewöhnlich. In Vigo hätten wir die Niederlage gegen Palermo wettmachen können und eigentlich auch müssen. Dort waren wir die bessere Mannschaft und haben trotzdem nicht gewonnen. Wahrscheinlich weil wir lange Zeit mit zehn Spielern auskommen mussten. Übrigens: Ich erinnere mich noch gut, dass wir damals in Vigo durch unsere Fans schon fast ein Heimspiel hatten.
…die Partie in Istanbul vor fast genau zwölf Jahren: Wir sind sehr, sehr unglücklich ausgeschieden. Wir hätten einen Sieg verdient gehabt. Die Stimmung in Istanbul war fantastisch damals. In etwa so wie bei den Spielen der Eintracht heute, nur noch lauter. In der Türkei legen die Fans bei der Unterstützung ihrer Mannschaft mehr Wert auf Lautstärke denn auf Choreografien. So habe ich das auch zu meiner Zeit bei Besiktas Istanbul zwischen 2009 und 2011 erlebt. Viermal habe ich für Besiktas in der Champions League gespielt, wobei natürlich der Sieg im Old Trafford bei Manchester United herausragt. Die Königsklasse hat die Eintracht zwar noch nicht erreicht, aber die Stimmung hat schon Champions League-Niveau (lacht).
…die Eintracht in dieser (Europapokal-)Saison: Es ist beeindruckend, wie die Mannschaft die Doppelbelastung aus Liga und Europapokal bislang weggesteckt hat. Ich war beim 4:1 gegen Hannover im Stadion, dieser Sieg hat die Mannschaft beflügelt. Diese Euphorie hat sie mitgenommen. Die „neue“ Eintracht ist schon wieder so gut wie die „alte“ in der vergangenen Saison. Die Defensivarbeit stimmt, und in der Offensive brennen sie ein Feuerwerk nach dem anderen ab. Luka Jovic, Ante Rebic und Sébastien Haller sind der Knaller. Besonders imponiert mir Filip Kostic. Da haben die Verantwortlichen einen richtig guten Spieler geholt. Er passt genau zur Philosophie.