Es war – wie eigentlich immer, wenn sich zwei Bundesligisten gegenüberstehen – „das erwartet schwere Spiel“. Da ließe sich so ziemlich jeder Protagonist zitieren. Erst am Dienstag hatte Cheftrainer Dino Toppmöller ein Pokalduell „auf Augenhöhe“ prognostiziert und die Chancen auf „50 zu 50“ beziffert. Auf Nachfrage, ob die Aussichten angesichts der jüngeren Bilanz gegen die Elf vom Niederrhein und des Heimvorteils nicht besser stünden, erwiderte der Fußballlehrer: „Dann sagen Sie 55 zu 45 – wie sie wollen. Wir wissen, dass es ein sehr schwieriges Spiel ist.“
Was der 43-Jährige vor seiner DFB-Pokalpremiere im Herzen von Europa nicht ahnen konnte: Nach 15 Minuten hießen die Kräfteverhältnisse, zumindest was Mannstärke in Fleisch und Blut betraf, zehn zu elf, weil Arthur Theate als letzter Mann die Hand zu Hilfe nahm und wegen der Vereitelung einer klaren Torchance früh Feierabend hatte. Der Belgier entschuldigte sich hinterher beim Team und lud seine Kollegen zum Essen ein. Es dürfte nach dem Verlauf der über 80 Minuten in Unterzahl mehr süß denn sauer schmecken.
Alle Tore im EintrachtFM-Kommentar
„Ich habe den Jungs vor dem Spiel gesagt: wir sind nicht müde! Ihr seid Kämpfer und wir geben heute 100 Prozent“, gewährte Toppmöller hinterher Einblicke in seine Ansprache. Vor dem Fight gegen die Fohlen wohlgemerkt. Hinterher stieß Hugo Ekitiké ins selbe Horn: „Alles Kopfsache. Wir kennen keine Müdigkeit!“
Der Franzose muss es wissen, erfüllte er gewissermaßen eine Doppelrolle. Gegen den Ball als erste Anlaufstation am Mittelkreis, bei Ballgewinn regelmäßig als finale Anspielstation und verkappter Rechtsaußen. Selten zu bremsen, ein Mal eiskalt – das 1:0 fiel quasi mit dem Pausenpfiff. Wer am Mittwochabend wegen des Berufsverkehrs erst gegen 18.25 Uhr seinen Platz eingenommen haben sollte, hätte das nominelle Ungleichgewicht schwer erkannt.
Collins und „das Spiel seines Lebens“
Oder sich über die erste Einwechslung zu diesem Zeitpunkt gewundert. Weil es nach dem Platzverweis so gut wie keine Spielunterbrechung gab, wartete Nnamdi Collins eine gefühlte Ewigkeit auf … den Sprung ins kalte Wasser. Und auf ein Sonderlob von Vorstandssprecher Axel Hellmann, der Collins hinterher „wohl das Spiel seines Lebens“ attestierte.
Der 21-Jährige Abwehrmann verriegelte nicht nur wie sein 20-jähriges Pendant auf links, der 20-jährige Startelfdebütant Nathaniel „Nene“ Brown, seine Seite. Collins suchte auch so häufig wie kein anderer Akteur den Pass ins letzte Drittel: sechs Mal. Vorstöße hielten sich wegen der geschrumpften Frankfurter Feldanteile in Grenzen.
Jedenfalls bis zur 70. Minute, als sich die Nummer 34 einmal ein Herz fasste. Oder wie Collins die Szene vor seiner ersten und einzigen Torschussvorlage beschrieb: „Ich wollte einfach irgendwie nach vorne kommen, um der Mannschaft zu helfen. Den Rest haben dann Mario und Omar erledigt.“ Götzes Versuch wurde abgeblockt und prallte zu Marmoush, der kurz zuvor erstmals seit Februar von der Bank gekommene Topscorer besorgte den 2:1-Endstand.
Schreckgespenst kurz vor Halloween
Der letzte Assist nach Ellyes Skhiri und Mario Götze ging schließlich auf das Konto von Kaua Santos, der inmitten der Jubeltraube dem Matchwinner eine Maske zusteckte, die sich irgendwo im Spektrum zwischen Joker, Jigsaw und dem Phantom der Oper bewegte. Toppmöller meinte am Vorabend von Halloween schmunzelnd: „Omar kann für jeden Gegner ein Schreckgespenst sein, auch ohne Maske …“
Ausblick: Heimspiel-Hattrick
Keine Frage, die Frankfurter Jungs auf dem Rasen hatten nicht weniger Grund zur Ausgelassenheit als die Menschen im Deutsche Bank Park. Darunter nicht zuletzt der vor dem Anpfiff feierlich verabschiedete Oliver Frankenbach, seit 1998 für Eintracht Frankfurt tätig und seit 2015 im Vorstand der Eintracht Frankfurt Fußball AG. An diesem Donnerstag legt er offiziell sein Amt als Finanzvorstand nieder.
Umso weniger war Ausscheiden für die SGE eine Option, wenn sie den im weiten Rund geäußerten Traum von Frankenbach erfüllen möchten: „Ich wünsche mir nichts anderes als einen Heimsieg und den Einzug ins Achtelfinale und möchte im Mai als Fan im Berliner Olympiastadion dabei sein!“
Bis dahin sind noch drei Siege zu gehen. Der nahe Fokus liegt derweil auf der Bundesliga am Samstag und der UEFA Europa League am Donnerstag. Match zwei und drei am Stück im Stadtwald. Und Anlass genug für Toppmöller, verbal auf dem Gaspedal zu bleiben: „Das war ein Sieg des Willens und der Leidenschaft. Genau so werden wir auch das Spiel gegen Bochum angehen!“ Egal wie die Sterne stehen.