03.02.2025
Bundesliga

Frankfurter Bankgeheimnisse

Uzun trifft erneut als Joker, Bahoya serviert im zweiten Anlauf, Toppmöller zieht die taktischen Schlüsse, indem Brown und Collins die Bahn frei machen. Die Eintracht-Wechsel und ihre Wirkung.

Wenn Markus Krösche von seinen eigenen Grundsätzen abweicht, wie am Sonntagabend in der Mixed Zone im Deutsche Bank Park, ist Aufmerksamkeit geboten: „Wir waren auch ein bisschen müde. Ich nutze das nie als Entschuldigung und habe ich auch noch nie gemacht. Aber …“, wiederholte der Sportvorstand sein Eingangsstatement auf Nachfrage nochmal und analysierte mit der gewohnten Sachlichkeit: „Wir haben deutlich mehr Spiele gehabt als Wolfsburg. Wolfsburg ist defensiv sehr robust, sehr stark. Dann fehlt dir auch manchmal ein bisschen die Frische im Kopf. Wir konnten nicht so rotieren, weil krankheitsbedingt gegen Hoffenheim der eine oder andere ausgefallen ist. Dann müssen wir es auch mal akzeptieren, dass die Jungs falsche Entscheidungen treffen.“ Die Sieben-Spiele-in-drei-Wochen-Formel errechneten nach dem 1:1 gegen den VfL Wolfsburg auch andere. Ergänzung on top: Die SGE hat am 20. Bundesligaspieltag ihr 31. Pflichtspiel, die Wölfe ihr 23. bestritten.

Insofern fällt es schwer, an Zufall zu glauben, wenn der am Donnerstag in Rom geschonte Mario Götze 13,13 Kilometer abriss, hinter Union Berlins Benedict Hollerbach die meisten am vergangenen Wochenende. In diesem Zusammenhang mehr als eine Fußnote wert: Trotz „Müdigkeit, vielen Englischen Wochen, viel fliegen und wenig Training“, wie Can Uzun aufzählte, zählten die Hessen mit 121,18 Kilometern zu den fünf lauffreudigsten Mannschaften. Ergo: der Körper konnte, der Geist kämpfte.

Kettenreaktion nach Koch-Knock-out

Den geringsten Aufwand hatte notgedrungen Robin Koch zu verrichten, der in der 15. Minute wegen einer „Schulterverletzung, die ihn mit Sicherheit ein paar Wochen rausnehmen wird“, wie Toppmöller vermutete, für Rasmus Kristensen das Feld räumte. „Ich habe es von nächster Nähe gesehen, das sah schon übel aus, weil er aus guter Höhe auf seine Schulter kracht. Klar war das für die ganze Mannschaft ein großer Schock und auch eine Umstellung und hat es auf jeden Fall nicht leichter gemacht“, schilderte Nebenmann Nnamdi Collins das folgenschwere Luftduell.

Kniff und Brown und Collins

Der Aktionsradius von Nnamdi Collins gegen den VfL Wolfsburg.

Also verschoben sich die Zuständigkeiten. Kristensen statt Collins rechts, Collins statt Tuta halbrechts, Tuta statt Koch in der Mitte. Der Brasilianer stand auch kurz nach dem Seitenwechsel wider Willen im Fokus, als er per Eigentor den Wölfen zum 0:1 verhalf. Es spricht für die gesamte Defensive, dass diese „Nicht-Chance“, wie es Krösche beschrieb, zum einzigen Gegentor führte. Immerhin stellen die Niedersachsen mit 21 Treffern die zweitgefährlichste Auswärtsoffensive der Liga.

Das zum einen. Zum anderen lobten die Verantwortlichen bei aller Kritik und Selbstkritik einer zähen ersten Stunde den Auftritt, ja Auftrieb, auf der Zielgeraden. Das machten die Adler an zwei Faktoren fest.

Der Aktionsradius von Nathaniel Brown gegen den VfL Wolfsburg.

Erstens taktisch: „Wir haben unser Offensivspiel in der zweiten Halbzeit angepasst, sind vom Dreieraufbau weggegangen, haben mehr aus einer Viererkette aufgebaut. Mit speziellen Aufgaben für die Außenverteidiger. Ich glaube, dass man das in der Halbzeit auch gesehen hat. Wir haben uns dann deutlich mehr nach vorne kombinieren können, mehr Energie auf den Platz gebracht“, erklärte Dino Toppmöller am DAZN-Mikrofon, als er auf die Zettelwirtschaft auf der Trainerbank Bezug nehmen sollte. „Wir haben den Aufbau nochmal verändert, indem Nene Brown und ich weiter innen stehen, damit wir mehr Impact noch vorne bekommen. Das hat funktioniert, wir sind besser ins Spiel gekommen“, ergänzte Collins.

Wie am Reißbrett: Das 1:1 durch Can Uzun.

Zweitens energetisch: Dass mit Jean-Mattéo Bahoya und Can Uzun die Joker zwei und vier nach Kristensen direkt am 1:1-Endstand beteiligt waren, kam auch nicht von ungefähr. Bahoya hatte drei Tage vorher in Rom eine ähnliche Flanke ausgepackt, nur ohne Vollstrecker. „Ein Tor, wie wir es uns in der Halbzeit vorgestellt haben, indem wir die beiden Flügelspieler ins Eins-gegen-eins bringen und die Außenverteidiger durchgehen. So entsteht Platz, um so eine Flanke zu schlagen. Can hat sich in eine top Position gebracht, um als ballferner Achter da rein zu gehen“, fasste Toppmöller zusammen.

Nicht nur Uzun und Bahoya

Für Uzun war es derweil nicht nur die sechste direkte Torbeteiligung im Adlerdress, sondern auch das dritte Tor in der Bundesliga: Alle daheim, alle von der Bank kommend.

„Deshalb haben wir ihn eingewechselt. Weil wir wissen, dass er diesen Zug zum Tor hat. Er macht die Wege in die Box, das macht ihn sehr wertvoll. Er kann Dinge besser machen, aber ist auf einem guten Weg. Wir brauchen Geduld mit ihm. Die Einwechslung hat er gerechtfertigt“, urteilte Chefcoach Toppmöller. Auch Krösche dachte nicht allzu kurzfristig und noch weniger personenbezogen: „Es ist immer wichtig, dass du von der Bank Impulse setzen kannst. Das haben wir gemacht. Du hast auch gesehen, dass Can und Jean-Mattéo einen Schritt gemacht haben und wirklich positiv auf ein Spiel einwirken können. Deshalb freut uns das natürlich.“ Ein, zwei Adleraugenblicke später Nachschub Krösche: „Auch Niels Nkounkou ist super reingekommen, hat offensiv sehr, sehr gute Aktionen gehabt.“ Und mit 34,78 Kilometern pro Stunde den dritthöchsten Topspeed hinter Tiago Tomás (34,87) und Jeremie Frimpong (34,84) – alle am Sonntag – aufgestellt.

„Die Einwechsler haben uns nochmal eine weitere Energie gebracht. Die letzten 30 Minuten waren sehr, sehr ordentlich. Mit Power auf dem Platz und Offensivaktionen, ohne die ganz großen Torchancen zu haben“, stieß Toppmöller ins selbe Horn und gewährt seinen Mannen die berühmte Verschnaufpause. Am Mittwoch geht’s weiter mit der Vorbereitung auf das Samstagabendspiel bei Borussia Mönchengladbach.

Neben der Gewissheit, dass mit Koch erstmal der Abwehrchef fehlen wird, hegte Toppmöller die Hoffnung auf einen Kaderplatz für Elye Wahi – „wenn alles normal läuft“. Auch Aurèle Amenda sei „hoffentlich in den nächsten ein bis zwei Wochen so weit, dass wir über Teileinsätze sprechen.“ Und damit über zusätzliche taktische wie physische Optionen.