Wer es am vergangenen frühsommerlichen Wochenende in Frankfurt so auslegen wollte, erlebte, wie die Eintracht und die Stadt Frankfurt den FC Karpaty Lviv auf der Sonnenseite des Lebens empfingen. Eine Handvoll Vertreter des ukrainischen Erstligisten sowie 20 Nachwuchsfußballer der U16 waren nicht nur am Samstagabend beim Fußballfest gegen Leipzig im Deutsche Bank Park zu Gast, sondern zeigten auch am Sonntagvormittag im Riederwaldstadion ihr fußballerisches Können, als sie in einem spannenden U16-Freundschaftsspiel gegen die Schützlinge von Alex Meier mit 2:4 unterlagen.
Das Aufeinandertreffen war außerdem mit einem Spendenaufruf verbunden, dem die rund 300 Zuschauerinnen und Zuschauer großzügig folgten und der rund 2000 Euro einbrachte. Das direkt begünstigte Clinical Center of Children's Healthcare geht auf die Empfehlung von Karpaty Lviv zurück.
Hierbei handelt es sich um ein Krankenhaus, das mit Beginn der russischen Militäraggression gegen die Ukraine zu einem Zentrum der Aufnahme schwerkranker Kinder aus allen Landesteilen wurde – jährlich über 20.000.
Mit Beginn der russischen Militäraggression gegen die Ukraine wurde das Krankenhaus zu einem Zentrum der Aufnahme von Kindern, die unter onkohämatologischen, onkologischen, nephrologischen und seltenen Krankheiten, angeborenen Immundefekten und rheumatologischen Erkrankungen leiden, sowie Kinder vor und nach Organtransplantationen und Knochenmarktransplantationen.
Seit Beginn der Feindseligkeiten wurden im Krankenhaus über 15.000 intern vertriebene und aus den Kampfgebieten evakuierte Kinder aufgenommen; über 41.000 dieser Kinder wurden ambulant betreut.
Vorstandsmitglied Philipp Reschke nach dem Empfang im ProfiCamp: „Es ist eine großartige Gelegenheit, dass beide U16-Teams im Riederwaldstadion gegeneinander spielen können. Und natürlich sucht man darüber hinaus auch den inhaltlichen Austausch, versucht, voneinander zu lernen, Eindrücke voneinander und miteinander zu gewinnen.“
Die Ukraine braucht gerade jetzt auch weiterhin unsere Solidarität.
Vorstandsmitglied Philipp Reschke
Der Angriff Russlands auf die Ukraine und der fortwährende Kriegszustand prägen die Verbindung vom ersten Tag an. Schon wenige Tage nach Kriegsbeginn folgten die ersten Spendenaktionen in verschiedenen Sportabteilungen des Vereins. Anfang September 2023 lud das Eintracht Frankfurt Museum zu einer Veranstaltung: „Ukraine – Fußball und Fans in Zeiten des Krieges“. An jenem Abend im Stadtwald zu Gast war unter anderem Oleg Soldatenko, lebend in Lviv und Fußballfan des FC Karpaty Lviv, der in der Organisation „Football Supporters Europe“ (FSE) seit vielen Jahren in Diensten fankultureller Interessen tätig war. Der Ursprung einer engen Verbindung, die durch die Städtepartnerschaft zwischen Lviv und Frankfurt in 2024 weiter gestärkt wurde.
Reschke: „Das waren sehr intensive Tage mit beeindruckenden Vorträgen, auch im Museum, und lebendigen Diskussionen. Damals wurde die Idee geboren, mit dem FC Karpaty in den Austausch zu kommen, sobald es die Umstände zuließen und vielleicht eine weitergehende Partnerschaft begründen können. Umso größer ist die Freude, dass wir mit der Einladung nach Frankfurt und dem Freundschaftsspiel nun einen ersten Schritt gehen konnten.“
Wie sich nach der Ankunft herausstellte, hatten die Gäste aus der Westukraine die Nacht vor ihrer Anreise noch im Luftschutzbunker verbringen müssen. Umso bedeutender war es, rund 1000 Kilometer von der Heimat entfernt zumindest für ein Wochenende so etwas wie Normalität zu erleben. Dazu trug unter anderem auch der anschauliche Vortrag von Nicolai Adam, Leiter Internationale Sportprojekte, bei, der sowohl das Nachwuchskonzept als auch die Eintracht insgesamt vorstellte. Zu aller Überraschung schaute am Ende Falkner Norbert Lawitschka samt Attila vorbei. Den Löwen aus Lviv gefiel’s. Ebenso das gemeinschaftliche Foto vor dem Steinadler im Foyer. Ein Motiv, das beide Seiten weiter mit Leben zu füllen gedenken, wie Reschke bestätigt: „Die Ukraine braucht gerade jetzt auch weiterhin unsere Solidarität. Da bietet sich für uns Frankfurter die Verbindung zu der Stadt Lviv und dem FC Karpaty bestens an, um Brücken zu bauen.“
Eileen O'Sullivan schließt sich dem an. Frankfurts Stadträtin sagte am Rande des von der ukrainischen wie deutschen Nationalhymne intonierten U16-Duells: „Es ist wichtig, dass wir das in konkreten Projekten mit Leben füllen. Wir hatten bereits einen Schüleraustausch mit einer Schule in Frankfurt, die Schülerinnen und Schüler aus Lviv hergebracht hat. Es ist essentiell, dass junge Menschen miteinander in den Austausch gehen, um die Lebensrealitäten der anderen zu verstehen. Ich bin davon überzeugt, dass das der Samen ist, der gesät werden muss, damit am Ende auch Global Citizens – Menschen, die über die Grenzen hinausdenken – entstehen.“ Die nun vorangetriebene Zusammenarbeit mit Lviv fand ihren vorläufigen Abschluss nachmittags im Stadtgebiet, Verköstigung auf dem Boot „Frau Rauscher“ inbegriffen.
Taras Hordiyenko, Technischer Direktor des FC Karpaty Lviv, resümiert: „Es waren sehr viele intensive Eindrücke, es fällt schwer, das in wenigen Worten auszudrücken. Wir alle sind glücklich, die Jungs sind glücklich. Die Eltern berichten mir, dass jeder der Jungen sehr angetan vom Aufenthalt war. Wir haben sehr gute Verbindungen geknüpft und Freundschaften geschlossen. Das ist notwendig für die Zukunft. Wir sind froh und dankbar, dass Eintracht Frankfurt seine Größe und Wahrnehmung auch zu derlei Zwecken nutzt. Wir wünschen uns, irgendwann in Frieden in den Austausch zu kommen. Das steht für uns über allem.“ Die Einladung für einen Besuch in Lviv hatte die Delegation bereits am Samstag ausgesprochen und betont: „Fußball ist unser gemeinsamer Spirit.“