13.03.2023
Europapokal

Glaubensfrage am Vesuv

Napoli oder Frankfurt: Ein Klub zieht am Mittwoch erstmals ins Champions-League-Viertelfinale ein. Die SSC scheint im Vorteil. Doch selbst deren Trainer traut dem Braten nicht...

Die alte Römerstadt Pompeji, die Amalfiküste, der Vesuv und, natürlich, das Stadio Diego Armando Maradona. Die kulturellen Heiligtümer am Golf von Neapel sind so aufsehenerregend wie der Sturmlauf der SSC Napoli in der Serie A. Aber „als Touristen“, das betonte Oliver Glasner schon unmittelbar nach der 0:2-Niederlage im Achtelfinalhinspiel der UEFA Champions League vor drei Wochen, „werden wir nicht nach Neapel fahren“. Und auch nicht die weiße Flagge hissen, schob der mit dem Wettbewerbsdebütanten vom Main nach den ersten 90 Minuten unterlegene Cheftrainer gleich nach. Warum auch.

Vielmehr beschwor Glasner noch am Samstag die Europapokalmagie unterm Adlerdach: „Ich habe solch riesigen Respekt vor den Jungs. Die Mannschaft hat oft bewiesen, dass sie zu außergewöhnlichen Leistungen fähig ist. Wir werden allen Charakter und Mentalität in die Waagschale werfen, um das, was uns niemand zutraut, Wirklichkeit werden zu lassen!“ Oder wie Aurélio Buta nach dem ersten Duell mit der Società Sportiva Calcio feststellte: „Wir brauchen kein Wunder, wir müssen nur an uns glauben.“

Das mit dem Glauben ist auch im Süden Italiens so eine Sache. Nicht nur, aber vor allem in Bezug auf Klubikone Diego Armando Maradona, den sie in Neapel fast noch mehr als Gott denn als Fußballgott verehren. Die Erinnerungen an den am 25. November 2020 verstorbenen Argentinier sind gerade in dieser Spielzeit präsenter denn je. Nach dem 2:0 über Atalanta BC am Wochenende führen die Azurblauen die Liga zwölf Spieltage vor Schluss mit 18 Punkten Vorsprung an. Der Traum vom dritten Scudetto nach 1990, mit Maradona, wird wöchentlich greifbarer.

Nicht weniger hoch zu bewerten wäre der Einzug in das Viertelfinale der Königsklasse. In Kampanien wie in Hessen wohlgemerkt. Denn beide Klubs erreichten in der Champions League, die erstmalig vertretene SGE zwangsläufig, noch nie die Runde der letzten Acht beim Kampf um den Henkelpott. Demnach scheinen die Hausherren nicht allein wegen der Formkurve, sondern auch qua Hinspielresultat im Vorteil.

Wir wissen, dass wir solche Spiele können!

Kevin Trapp

Eine Annahme, die die Adler beinahe mehr teilen. „Wir sind nicht der Favorit“, sieht etwa Kevin Trapp die Rollenverteilung geklärt, sagt aber im selben Atemzug: „Flutlicht in einem besonderen Stadion gegen eine sehr gute Mannschaft. Doch auch wir haben Qualität und wissen, dass wir solche Spiele können!“ Auf der Gegenseite gibt SSC-Coach Luciano Spalletti gerne den Mahner: „Wir müssen jetzt ruhig bleiben, sehr ruhig. Unser größter Feind wäre die Selbstüberschätzung.“

In derlei Hinsicht haben sich seine Mannen in den vergangenen Monaten seltenst verdächtig gemacht. Die Achse um Verteidiger Min-jae Kim, Mittelfeldmann Stanislav Lobotka sowie die offensiven Shootingstars Victor Osimhen und Khvicha Kvaratskhelia funktioniert wie ein Uhrwerk, wettbewerbsübergreifend 84 Tore stehen im Frühjahr zu Buche. Doch Ausnahmen bestätigen selbst hier die Regel. An der nahezu makellosen Heimbilanz hinterließ vor zehn Tagen S.S. Lazio leichte Kratzer, als die Hauptstädter ein 1:0 entführten. Historisch betrachtet sticht international die Saison 2011/12 ins Auge, als Napoli im Champions-League-Achtelfinale den Chelsea FC zunächst 3:1 besiegte, nach einem 1:4 an der Stamford Bridge aber doch die Segel streichen mussten.

Hoffnungsträger: Rafael Santos Borré.

Beim Versuch, ein vergleichbares Ergebnis zu erzielen, muss Frankfurt allerdings auf seine gefährlichsten Waffen verzichten, weil Randal Kolo Muani rotgesperrt und Jesper Lindström am Sprunggelenk verletzt fehlen. Die ersten Optionen für den Angriff, Rafael Santos Borré und Lucas Alario, haben im Dezember mit italienischem Terrain derweil gute Erfahrungen gemacht. Beim Freundschaftsspiel in Bergamo schnürte der Argentinier einen Doppelpack, der Kolumbianer verwandelte den entscheidenden Elfmeter.

Letztere Disziplin, sollte es nach 120 Minuten dazu kommen, lässt sich den jüngsten Erfahrungen nach durchaus als Vorteil für die Gäste auslegen. Denn Napoli verschoss im laufendem Wettbewerb drei von sechs Strafstößen, zuletzt war auch Trapp dahingehend auf der Hut. Die höchste Torwahrscheinlichkeit liegt nach UEFA-Angaben 2022/23 übrigens in den 15 Minuten vor und nach der Pause; 55 Mal zappelte der Ball zwischen der 31. und 45. Minute, 59 Mal zwischen der 46. und 60. Minute im Netz. Das Wann und Wie wird den Adlern freilich egal sein. „Unser Ziel ist das Viertelfinale. Auch wenn es nicht einfach wird, werden wir alles dafür tun“, bleibt Sportvorstand Markus Krösche zuversichtlich. Der federführend für den Masterplan zuständige Glasner verspricht: „Es geht darum, alles zu zeigen, was wir haben. Und das werden wir machen.“ Für Tourismus bleibt dann immer noch die Sommerpause.

Zum Spiel

Anstoß: Mittwoch, 15. März, 21 Uhr, UEFA Champions League, Achtelfinale, Rückspiel, Saison 2022/23.
Stadion: Stadio Diego Armando Maradona, Neapel.

Programmhinweise

Matchday-Show LIVE läuft ab 13 Uhr auf EintrachtTV, mainaqila, YouTube und Facebook.
EintrachtFM überträgt ab 20.50 Uhr live.
DAZN überträgt ab 20.15 Uhr live.

Die Pressekonferenz vor dem Spiel

Die letzten Informationen vor dem Achtelfinalrückspiel erhältst Du auf der Pressekonferenz am Dienstag, 18 Uhr, mit Cheftrainer Oliver Glasner und Kapitän Sebastian Rode. Live zu sehen auf EintrachtTVmainaqila und Facebook.