09.05.2019
UEFA Europa League

Grandioser Kampf führt nicht ins Finale

Frankfurt liefert in London eine heldenhafte Leistung und verpasst das Finale erst im allerletzten Atemzug. Jovic (49.) und Loftus-Cheek (28.) treffen in der regulären Spielzeit.

Die erste Halbzeit gehörte den Briten, die zweite gestalte sich mindestens auf Augenhöhe. Entsprechend folgerichtig der Treffer auf jeder Seite. Spätestens in der Verlängerung war von einem Klassenunterschied nichts zu sehen.

Ausgangssituation: Ein Tor muss her

Durch das 1:1 im Hinspiel war der Gastgeber mit dem Anpfiff aufgrund der Auswärtstorregelung ergebnismäßig im Vorteil. Nichtsdestotrotz hatten die Hessen durch das Unentschieden alle Möglichkeiten, mindestens einen eigenen Treffer vorausgesetzt. Während die Engländer mit einem 3:0 über Watford am Sonntag die Berechtigung für die UEFA Champions League gesichert hatten, spitzte sich für die Eintracht das Rennen um die Europapokalplätze nach dem 1:6 in Leverkusen zu. Was aber für die folgenden 120 Spielminuten ohne Belang sein sollte.

Personal: Zurück zur Doppelspitze

Im Vergleich zum Hinspiel beließ es Adi Hütter bei einem Wechsel. Erwartungsgemäß kehrte Ante Rebic nach abgesessener Gelbsperre zurück in die Startelf, was zugleich die Rückkehr zur Doppelspitze zur Folge hatte. Mijat Gacinovic agierte dafür etwas tiefer im zentralen Mittelfeld, weshalb Gelson Fernandes auf der Bank Platz nehmen musste – erfreulicherweise neben dem rechtzeitig wiedergenesenen Sébastien Haller.

Chelsea macht Ernst

Wer darauf spekuliert hatte, die Blues würden es nach dem Einzug in die Königsklasse etwas ruhiger angehen lassen, sah sich rasch etwas Besseren belehrt. Die Hausherren suchten, vornehmlich über die Außenbahnen, den direkten Weg vors Tor, sich anbahnendes Unheil bereinigten die Adler aber meist mit einer konsequenten Restverteidigung. Umgekehrt versteckten sich die Gäste ebenso wenig und verzeichneten gar die ersten Warnschüsse. Erst köpfte Luka Jovic einen Eckball Sebastian Rodes in die Arme von Torhüter Kepa (4.). Dann fasst sich Danny Da Costa an der Strafraumkante ein Herz und jagte die Kugel volley aufs kurze Eck, doch Kepa lenkte das Leder noch mit einer Hand über die Latte (14.).

Ab Mitte der ersten Halbzeit übernahm der Premier-League-Dritte immer sichtbarer das Kommando und münzte seine zunehmende Überlegenheit alsbald in Zählbares um. Nachdem noch der an den kurzen Pfosten gelaufene Olivier Giroud nach einer Hereingabe Emersons an Kevin Trapp gescheitert war (23.) und Makoto Hasebe einen Kopfball von David Luiz auf der Linie geklärt hatte (24.), besorgte Ruben Loftus-Cheek schließlich das 1:0, indem er aus halblinker Position einen Steckpass Eden Hazards im langen Eck unterbrachte (28.). Bis zur Pause zelebrierten die ballsicheren Blues ihren sogenannten „Sarri-Ball“ und hielten den Bundesligavierten dadurch vom eigenen Kasten fern. Auch wenn die Hessen dadurch viel hinterherlaufen mussten, blieben sie beharrlich und bissen sich zurück in die Partie. Der Chelsea FC kam bis zur Pause nur noch zu einem nennenswerten Abschluss, als Loftus-Cheek einen wuchtigen Umschaltmoment knapp neben das Gehäuse setzte (39.). Bemerkenswert ohnehin das zur Pause ausgeglichene Torschussverhältnis von 5:5 (2:2 aufs Tor).

Serbische Koproduktion und Haller-Comeback

An der Ausgangslage hatte sich gewissermaßen ohnehin nichts geändert: Ein Tor musste her. Und nur vier Minuten nach Wiederanpfiff, als die meisten noch mit einem verweigerten möglichen Handelfmeter haderten, setzte Gacinovic Jovic in Szene, der freistehend keine Nerven zeigte und ins linke untere Eck zum Ausgleich traf (49.)! Der Serbe zog mit seinem zehnten Saisontor in diesem Wettbewerb mit dem bis dahin alleinig führenden Giroud gleich. Ob dann beide Seiten mehr Baku erreichen oder eine Verlängerung vermeiden mochten, ist nicht überliefert. Jedenfalls begegneten sich die Halbfinalisten danach mehr denn je mit offenem Visier, was nicht zuletzt der Spielfreude der Frankfurter zuträglich war. Völlig unbekümmert fackelte Gacinovic einfach mal aus der zweiten Reihe, doch Kepa bekam rechtzeitig die Fäuste hoch (59.). Die hohe Schlagzahl hatte bald jeweils einen verletzungsbedingten Wechsel zur Folge: Jonathan de Guzman bedeutete die offensivere Alternative für den lädierten (und gelb-rot-gefährdeten) Rode (70.), mit der Einwechslung von Davide Zappacosta für Andreas Christensen rückte Cesar Azpilicueta von der rechten Abwehrseite nach innen (74.). Der neue Mann für die defensive Außenbahn hatte seinen ersten Auftritt dann in der gegnerischen Hälfte, als er Trapp mit einem flattrig-flachen Distanzknaller prüfte (78.). Auch Kapitän Azpilicueta stand kurz darauf im Fokus, als er Gacinovic ohne Chance auf den Ball mit offener Sohle an der Außenlinie abräumte, aber mit „Dunkel-Gelb“ denkbar glimpflich davon kam (82.). Überhaupt gestaltete sich die Schlussphase so zerfahren wie nervenzerreißend, Abspielfehler reihten sich an Ballgewinne wie Paraden an Schüsse: Trapp gegen Giroud (87.). In den Mittelpunkt rückte dann das Pendant des französischen Sturmtanks, als im Frankfurter Lager Haller sein Comeback gab (90. + 2). Statt weniger Minuten würde es über eine halbe Stunde dauern…

Verlängerung: Der Adler fährt die Krallen aus

Der zwangsläufige Kraftverschleiß schlug sich unweigerlich auf die Konzentration nieder, sowohl im Passspiel, als auch im Abschluss. So schien Chelsea zunächst wieder gefährlicher, zielte aber reihenweise zu ungenau. Vor allem Ross Barkley sammelte Fleißkärtchen. Auch ein einem unüblichen Fehlpass des ansonsten astreinen Makoto Hasebe gefolgter Konter versandete auf halber Strecke und weil die Adler in Höchstgeschwindigkeit zurückgeeilt waren. Das dickste Ausrufeichen setzte ausgerechnet Haller, als er eine Hereingabe des sich über die linke Seite durchgetankten Filip Kostic mit der Sohle ins lange Ecke leitete, wo David Luiz im letzten Moment den Einschlag verhinderte (100.). Ähnlich wie Zappacosta nach einem Kopfball Hallers (105. + 2). Auf der Gegenseite verzweifelte Emerson an Trapp, Hinteregger senste die Pille endgültig aus der Gefahrenzone (112.). Von der anderen versuchte es wieder Zappacosta – und wieder war Trapp auf seinem Posten (115.).

Fazit: Ein Fußballfest für die Ewigkeit

Blau und Weiß spielten in über zwei Stunden das komplette Repertoire, das der Fußball zu bieten hat: Eine spielerische Ballade der Blues in Halbzeit eins, ein Heavy-Metal-Kraftakt der Eintracht in Durchgang zwei und ein Improvisationsorchester der kompletten Stamford Bridge in der Verlängerung. Mit der ultimativen Ouvertüre im Elfmeterschießen, das keinen Verlierer verdient hatte. 

So spielte die SGE

Trapp - Abraham, Hinteregger, Falette - Da Costa, Rode (70. de Guzman), Hasebe, Gacinovic (118. Paciencia), Kostic - Jovic, Rebic (90. + 3 Haller).

Tore

1:0 Loftus-Cheek (28.)
1:1 Jovic (49.)

Elfmeterschießen

1:2 Haller trifft
2:2 Barkley trifft
2:3 Jovic trifft
2:3 Azpilicueta verschießt
2:4 de Guzman trifft
3:4 Jorginho trifft
3:4 Hinteregger verschießt
4:4 David Luiz trifft
4:4 Paciencia verschießt
5:4 Hazard trifft