Oliver, wie blickst du auf das bald endende Jahr 2021 zurück?
Mir gefällt es hier richtig gut, wobei die Familie und Freunde alle auch schon einmal in Frankfurt waren. Nicht nur beim Spiel, sondern auch in der Stadt. Von daher gefällt es meiner Familie genauso gut wie mir. Wichtig ist, dass wir uns sportlich gefangen und große Schritte nach vorne gemacht haben. Es macht viel Spaß, mit der Mannschaft und im Klub mit allen zusammenzuarbeiten oder auch mit den Fans im Stadion zusammen zu sein. Es war ein richtig tolles erstes halbes Jahr!
Zu Saisonbeginn gab es Anlaufschwierigkeiten, ähnlich wie zu deiner Zeit in Wolfsburg. Benötigen deine Mannschaften ein bisschen Zeit, um den Glasner-Fußball zu verstehen oder sind es andere Faktoren?
Ich würde gerne sagen, dass es andere Faktoren sind. Hier ist es meine vierte Cheftrainerstation und bei allen Klubs war es so, dass es am Anfang seine Zeit gebraucht hat. Wir geben den Spielern sehr viele Informationen an die Hand, vielleicht manchmal ein wenig zu viel. Man hat gemerkt, dass sie viel zu Denken hatten. Wenn du auf dem Platz zu viel denkst, wirst du langsam in den Handlungen. So war es auch. Dennoch sehe ich es als wichtig an, dass die Spieler verstehen, warum sie Dinge machen sollen. Denn dann wird es zu ihrer eigenen Handlung. Im Spiel sind sie dann diejenigen, die die Entscheidungen treffen. Wir wollen ihnen zeigen, weshalb es sinnvoll ist, sich in bestimmten Räumen aufzuhalten. Am Anfang sind daher mehr die Köpfe und weniger die Beine gefordert. Gerade sind wir dabei, dass sich das ein wenig dreht. Im Kopf ist schon mehr auf der Festplatte abgespeichert, die Beine machen bereits viel von selbst. Dennoch sehe ich weiterhin viel Input, den wir den Spielern mitgeben können.
Wir haben uns erst richtig kennenlernen müssen, um schließlich die Formation zu finden, die bestmöglich zu den Spielern passt.
Cheftrainer Oliver Glasner
Im Laufe der Hinrunde hast du ein 4-2-3-1, 3-5-2 und zuletzt ein 3-4-3 spielen lassen. War es schwierig, ein passendes System zu finden?
Ich habe in meiner Karriere alles gespielt. Ich versuche natürlich zu schauen, was für die Spieler und den Kader geeignet ist. Es gibt Spieler, die sehr flexibel einsetzbar sind, wie beispielsweise Stefan Ilsanker, der zentral in der Dreierkette, als Innenverteidiger oder auch im defensiven Mittelfeld spielen kann. Wir haben Timothy Chandler, der sowohl rechts als auch links sowie in der Vierer- oder Fünferkette spielen kann. Dann gibt es andere Spieler, die fest in ihren Positionen verankert sind. Wir haben uns erst richtig kennenlernen müssen, um schließlich die Formation zu finden, die bestmöglich zu den Spielern passt. Damit sie sich in ihren Positionen zwischen den Linien, wie zuletzt bei Jesper Lindström, zurechtfinden. Es war für ihn auch etwas Neues, aber es hat zuletzt gut funktioniert.
In welchem Bereich hat die Mannschaft den größten Sprung gemacht?
Ganz klar im Spiel nach vorne. Das war am Anfang auch für mich nicht wirklich schön anzusehen. Wir mussten uns das hart erarbeiten, da die Spieler so viel nachgedacht haben. Jetzt sind viele Aktionen klarer und automatisierter. Ich sehe dennoch weiterhin überall deutliches Verbesserungspotential. Ich verlange von den Spielern, dass sie sich stetig verbessern wollen. Das ist der einzige Punkt, weswegen ich mal sauer werden. Nämlich, wenn ich das Gefühl habe, dass sie es dahin plätschern lassen. Der Ehrgeiz, sich verbessern zu wollen und dies umzusetzen, auch wenn mal etwas nicht klappt, ist mir sehr wichtig.
Sind die Gegentore, die sich zum Hinrundenende wieder gehäuft haben, ein Punkt, an dem du arbeiten möchtest?
Wir haben ganz klar zu viele Gegentore bekommen und waren eine Zeit lang definitiv stabiler. Wir hatten auch eine Phase, in der Kevin Trapp ziemlich viele Unhaltbare gehalten hat und es zu mehr Gegentreffern hätte kommen können. Im Januar und Februar, wenn wir viel Trainingszeit zur Verfügung haben, wird das einen Schwerpunkt bilden. Wir möchten das Spiel nach vorne weiter festigen. Ich denke, dass wir variabler geworden sind. Aber unser Defensivverhalten muss noch besser werden.
Gepaart mit dem Willen und der Bereitschaft der Mannschaft bin ich mir sicher, dass wir noch deutlich besser werden können.
Cheftrainer Oliver Glasner
Gibt es einen Spieler, der dich überrascht hat?
Ich bin extrem angetan von den Charakteren und den Typen, die wir haben. Das sind alles super Jungs, die auch in schwierigeren Phasen im Training immer weiter Gas gegeben und nie für schlechte Stimmung in der Kabine gesorgt haben. Das ist wirklich toll. Außerdem gefällt es mir extrem, wie hochprofessionell Makoto Hasebe ist, der zu Beginn nicht viel gespielt hat. Nicht nur dadurch, wie er mit der Situation umgegangen ist, ist er für die anderen ein Vorbild. Ich bin sehr froh, einen solchen Spielertypen wie ihn in diesem Alter kennenlernen und mit ihm arbeiten zu dürfen.
Wenn du der Hinserie eine Punktzahl von eins bis zehn geben müsstest, welche wäre das?
Wenn es nach mir geht, bewegen wir uns zwischen fünf und sechs, wenn zehn das Beste wäre. Ich bin ein Trainer, der selten zufrieden ist, was mir auch nachgesagt wird, und sehe noch viel Potential. Gepaart mit dem Willen und der Bereitschaft der Mannschaft bin ich mir sicher, dass wir noch deutlich besser werden können. Das, was ich sehe, verglichen mit dem, wo ich hinmöchte, würde deshalb eine Punktzahl zwischen fünf und sechs ergeben.