30.04.2020
Interview

„Hatte meinen Platz gefunden“

Tuta über seine explosionsartige Entwicklung vom Reservisten zum Leistungsträger, die Situation in Belgien, das Leben in Kortrijk und seine Zukunft.

Lucas, wo lebst und trainierst du derzeit?
Aktuell halte ich mich Kortrijk auf, wo ich im Guldensporenstadion trainiere. Mein Appartement liegt nur fünf Minuten vom Klubgelände entfernt. Hierzu muss ich sagen, dass sich Kortrijk zweifellos sehr stark von Frankfurt unterscheidet. Es ist eine kleine Stadt mit wenigen Freizeitmöglichkeiten. Dafür gibt es in der Nähe andere Städte, die ich besuchen konnte, wie Gent, Lille, Brügge und viele weitere.

Die ersten 15 Spiele wurdest du nicht berücksichtigt. Seit November hast du dann jedes der 18 möglichen Spiele über 90 Minuten bestritten. Was ist passiert?
Tatsächlich waren die ersten Monate sehr schwierig für mich. Ich musste hartnäckig bleiben und hart arbeiten, um das Vertrauen des Trainers zu gewinnen, sodass er der Ansicht war, dass ich dem Team helfen könnte. Diese Chance ergab sich zu einem guten Zeitpunkt und ich habe meine Arbeit offenbar sofort ordentlich gemacht, was es mir ermöglicht hat, die ersten Schritte auf dem Platz zu machen.

Eine Woche nach deinem ersten Tor kam die Zwangspause durch die Coronakrise. Schlechtes Timing?
Unglücklicherweise schon. Ich befand mich gerade in einer guten Phase und hatte meinen Platz gefunden. Sicher wird sich die aktuelle Situation irgendwann beruhigen. Bis dahin werde ich weiter hart arbeiten und den Kopf oben behalten.

Welche Erfahrungen hast du in Belgien gemacht?
Ich denke, dass ich mich vor allem mit Blick auf meine Kommunikationsfähigkeit auf dem Spielfeld entwickelt habe. Die Jupiler Pro League ist nicht mit der Bundesliga zu vergleichen, weil die Mannschaften hier abwartender und weniger dynamisch agieren. Dafür spielen in Belgien wie in Deutschland gleichermaßen viele Talente.

In Kortrijk finden sich viele verschiedene Nationalitäten wieder. Erleichtert das die Integration?
Das würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Denn es gab nur einen Südamerikaner im Kader, der Mitte der Saison gewechselt ist. Aber ich kann mich mit den Teamkameraden auf Englisch verständigen.

Was machen deine Deutschkenntnisse?
In Belgien ergibt es sich zwangsläufig, dass ich mehr Englisch spreche, deshalb befinden sich meine Deutschkenntnisse noch im Anfangsstadium.

Hast du Kontakt zur Familie, geht es ihnen gut?
Ja, ich stehe in regelmäßigem Austausch zu ihnen. Im Moment hält sich meine Frau in Brasilien auf und kann mich nicht besuchen kommen, aber wir sprechen viel miteinander.

Worin siehst du die größten Unterschiede zwischen dem Fußball in Südamerika und Europa?
Der Hauptunterschied liegt in der Dynamik. Der heutige europäische Fußball ist so körperbetont wie nie. Zweifellos ist es eine schwere Aufgabe für viele Brasilianer, sich dem europäischen und vor allem dem deutschen Fußball anzupassen.

In Sao Paulo warst du Rechtsverteidiger, aktuell spielst du im Zentrum. Wo siehst du dich am stärksten?
Es ist schon so, dass ich es liebe, in der Innenverteidigung zu spielen. Aber ich kann auch auf der rechten Seite meine Rolle gut ausfüllen.

In Frankfurt befinden sich drei Abwehrspieler auf der Zielgeraden ihrer sportlichen Laufbahn. Fühlst du dich bereit, in ihre Fußstapfen zu treten?
Zunächst lag bei meiner Leihe nach Belgien mein Hauptaugenmerk darauf, Selbstvertrauen zu tanken und in einer Verfassung zurückzukehren, in der ich für den Coach eine bestmögliche Option darstelle. Ich hoffe, dass ich mich bald einbringen kann und werde hart darauf hinarbeiten, bis ich meine Chance erhalte.

In welchen Bereichen musst du dich noch verbessern?
Ich glaube, ich muss mich immer und in allen Aspekten des Spiels entwickeln. Aber wenn ich zwei Dinge nennen müsste, wäre das, noch athletischer zu werden und mich in Luftduellen besser zu behaupten.

Was kannst du uns über die Situation und Stimmung in Belgien in Bezug auf die unterbrochene Saison berichten?
Irgendwann wird es eine Entscheidung geben müssen. Erst dachte ich, dass es am 24. oder 27. April [auf Mai vertagt; Anm. d. Red.] eine Entscheidung geben würde. Ich hoffe, wir werden bald Antworten mit Blick auf die Saisonfortsetzung erhalten.

Hältst du eine vorzeitige Rückkehr nach Frankfurt für denkbar?
Ich würde es so sagen: Ich habe im vergangenen Jahr in Belgien weiter Fortschritte gemacht und würde mich freuen, diese auch bald bei der Eintracht zeigen zu können. Dennoch möchte ich mich natürlich bis Vertragsende an die Pläne Kortrijks halten. Zu einigen der Frankfurter Jungs halte ich ohnehin Kontakt.