08.06.2023
Eintracht

Hattrick International, Kolo wie einst Diego

Erstmals in diesem Jahrtausend dreimal hintereinander europäisch vertreten, ein neuer Debütbestwert sowie das Tor, Spiel und Zitat der Saison. Die Eintracht 2022/23 zwischen Nieder-Weisel, Japan und Neapel.

Geschichte der Saison: Fast alles ausgereizt

Ja, gegen einen allerletzten Termin hätte sich im Herzen von Europa kein Fan, Fußballer und Funktionär gewehrt. Letztlich sollte es nichts werden mit der nächsten Titelfeier am Römer. So endete eine Saison mit 49 Spielen am 3. Juni mit dem 0:2 im DFB-Pokalfinale. Am 5. Juni verabschiedeten sich viele Eintrachtler in den Sommerurlaub, zehn zur Nationalmannschaft und einige wenige für immer.

Was bleibt, ist eine abermals an Extremen – oft genug nach oben, phasenweise nach unten – nicht arme Saison. Im Pokal ab Magdeburg nach Berlin, als Europa-League-Sieger in der UEFA Champions League debütiert und über die Bundesliga für die UEFA Europa Conference League qualifiziert; im UEFA Super Cup in Helsinki gegen Real Madrid die historisch größtmögliche Bühne betreten. Und hier war noch nicht die Rede von Tourneen abseits des Spielplans, im Rhein-Main-Gebiet mit „Eintracht in der Region“ oder in Japan im Rahmen der ersten Japan Tour. Ob Nieder-Weisel oder Nippon, die Herzen der Menschen waren den Rot-Schwarz-Weißen sicher.

Tor der Saison: Türöffner nach Europa

Sie sollten trotz einer holprigen Fahrt ab Frühling, als nach einer Rekordhinrunde mit 31 Punkten zehn sieglose Bundesligabegegnungen in Serie das Polster schmelzen ließen, ganz zum Schluss nicht enttäuscht werden. Sieben Zähler ergatterten die Adler an den Spieltagen 32, 33, 34.

Das 58. Bundesligator der Eintracht 2022/23 sichert das Europapokalticket fürs nächste Spieljahr: Éric Junior Dina Ebimbe bejubelt den 2:1-Siegtreffer gegen den SC Freiburg.

Aber wie! Die Chance auf einen europäischen Startplatz ist vor dem Liga-Finish gegen den SC Freiburg minimal, doch an diesem Tag passt die Dramaturgie. Nach der Pausenführung der sich zu diesem Zeitpunkt auf Champions-League-Kurs befindlichen Breisgauer gelingt Randal Kolo Muani in der 83. Minute der Ausgleich.

Fast zeitgleich ging Freiburgs Konkurrent Union Berlin in Führung, Eintrachts Konkurrenten Mainz und Wolfsburg lagen hinten. Es blieben beiden Klubs fünf Minuten Nachspielzeit, um in der Tabelle ihre Wunschposition zu erklimmen.

Als der über weite Teile der Rückrunde verletzte Éric Junior Dina Ebimbe in 90. + 1 die Pille über die Linie drückt, brechen alle Dämme. Die Eintracht spielt im nächsten Jahr in den Play-offs um den Einzug in die Gruppenphase der UEFA Europa Conference League. Wenige Tage später bindet sich der Goldjunge bis 2027 an den Traditionsverein.

Nebenbei bleiben die Hessen dank des emotionalen Kraftakts auf der Zielgeraden in den letzten zehn Bundesligaheimspielen 2022/23 ungeschlagen. Und: Nie zuvor nach der Jahrtausendwende in der SGEschichte schafften es die Adler, in drei Jahren hintereinander international vertreten zu sein.

Zahl der Saison: 16

Und damit auch gleich zur Zahl der Saison: Mehr als 16 Punkte nach Rückstand holte kein anderes Team – allein auf die Bundesliga bezogen. Auch international bewiesen die Adler nicht nur eine hohe Lernkompetenz, sondern auch Nehmerqualitäten.

Nachdem sie anfangs noch Lehrgeld im Konzert der Großen zahlen mussten, erkämpfte sich der Königsklassenneuling bis zum Spätherbst zehn Zähler – die größte Ausbeute eines Champions-League-Neulings seit dem VfB Stuttgart 2003/04.

Spiel der Saison: Hessische Ekstase in Lissabon

Wie national am 34. Spieltag erreichten die Frankfurter Fußballer auch auf internationalem Terrain ihr Ziel auf den letzten Metern. Nach vier Punkten aus den ersten vier Begegnungen gegen Sporting Clube de Portugal (0:3), Olympique de Marseille (1:0) und Tottenham Hotspur (0:0, 2:3) musste die SGE die letzten beiden Partien unbedingt gewinnen, um ins Achtelfinale einzuziehen.

Die notwendige Grundlage legte die Eintracht zu Hause mit einem 2:1 gegen Marseille. Nun also am 1. November das Grand Final in Lissabon.

Arthur Gomes bringt den Gastgeber in der 38. Minute in Führung, nach der Halbzeitpause kommt Sebastian Rode für Jesper Lindström – und mit dem Kapitän die Wende. Von Anstoß bis Abpfiff wechselt die Tabellensituation in Gruppe D insgesamt sieben Mal! In der Halbzeitpause war Frankfurt Letzter, nach dem Siegtor in der 73. Minute zwischenzeitlich Erster – bis Tottenham n der Nachspielzeit noch die Spitze zurückeroberte. Die Schützen ins Glück hießen Daichi Kamada (62., Elfmeter) und Randal Kolo Muani (72.).

Gesicht der Saison: Randal Kolo Muani

Wer hätte das kommen sehen können: Eintracht Frankfurt stellt in der Bundesliga den Top-Scorer 2022/23. Hauptverantwortlich zeichnet ein im vergangenen Sommer ablösefreier Neuzugang aus Nantes, der zwar Neugier, aber nicht die Erwartung wecke, in seinem ersten Jahr außerhalb Frankreichs innerhalb weniger Wochen zum Stammstürmer im Adlerdress zu reifen.

Der erste Streich der Nummer neun fiel noch unter die Kategorie Lichtblick, als Kolo Muani als Joker im Eröffnungsspiel gegen den FC Bayern beim 1:6 etwas Ergebniskosmetik betrieb. Neun Monate verzeichnet der Angreifer mit 16 Treffern und elf Assists die meisten Torbeteiligungen im deutschen Oberhaus. Wettbewerbsübergreifend sind 37 Scorer-Punkte: 23 Tore und 14 Vorlagen. Seine sechs Buden im DFB-Pokal stellten zudem den 1980/81 eingestellten Vereinsrekord von Cha Bum-kun ein.

Eine je zweistellige Zahl an Toren und Vorlagen gelangen seit Beginn der detaillierten Datenerfassung in der Bundesliga noch keinem Adlerträger. Ligaweit waren einzig Emil Forsberg (27), Luca Toni (29) und Marek Mintal (30) in ihrem ersten Bundesligajahr effektiver. Werder Bremens Diego kam ebenfalls auf 26.

Zitat der Saison: „Passen Sie mir gut auf unsere Eintracht auf“

Einer, der ebenfalls in seinem ersten Eintracht-Jahr in die Geschichtsbücher einging und nach zwei Jahren den Verein verlässt, ist Oliver Glasner, der nach dem DFB-Pokalfinale, seinem 97. Spiel als Eintracht-Coach, reflektierte:

Als ich nach Frankfurt kam, hat eine ältere Frau, die mir über den Weg gelaufen ist, zu mir gesagt: ‚Herr Glasner, passen Sie mir gut auf unsere Eintracht auf‘. Nach zwei Jahren denke ich sagen zu können, ganz gut auf die Eintracht aufgepasst zu haben. Jetzt switche ich auf ihre Seite und werde Fan von Eintracht Frankfurt. Ich werde zu Hause sitzen, die Zeit grandios in Erinnerung behalten und die Daumen drücken.

Oliver Glasner

Was ansonsten los war