27.09.2020
Team

„Ich möchte den Fußball verstehen“

Makoto Hasebe ist der aktuell älteste Bundesligaprofi. Der 36-Jährige spricht über Regeneration, Zukunftspläne und gutes japanisches Essen.

Als Makoto Hasebe im Januar 2008 aus Japan nach Deutschland kam, konnte er noch nicht abschätzen, wie lange er hierbleiben würde. „Hase“, wie er von seinen Mannschaftskollegen genannt wird, geht im September 2020 bereits in seine 14. Bundesligasaison. Mit 36 Jahren ist er zudem der älteste Profi in der höchsten deutschen Spielklasse. Die Redaktion der „Eintracht vom Main“ trifft Hasebe in einem seiner Lieblingsrestaurants, dem Muku in Sachsenhausen, zum Interview. Beim gemeinsamen Essen und einem anschließenden Spaziergang am Mainufer spricht er mit leuchtenden Augen über den schönsten Moment seiner Karriere, die japanische Küche und seine Pläne für die Zukunft.

Makoto, warum hast du dir für unser Interview das Muku ausgesucht?
Das ist mein Lieblingsrestaurant in Frankfurt, wenn ich japanisch essen gehen möchte. Ich war bestimmt schon an die 100 Mal hier, die Besitzer sind gute Freunde von mir. Man hat viele verschiedene Spezialitäten zur Auswahl, als Hauptgang bestelle ich meistens Ramen.

Kannst du das Gericht genauer beschreiben?
Ramen sind typisch japanische Nudeln. Das Gericht ist im Prinzip eine Nudelsuppe. Heute haben wir vier verschiedene Ramen zur Auswahl. Zum Beispiel Miso-Ramen, das schmeckt in etwa wie eine Miso-Suppe. Dann gibt es Nudeln und Suppe separat oder sogenannte Tonkotsu-Ramen. Bei diesem Gericht werden die Nudeln mit einer Schweinebrühe aufgegossen.

Sind Ramen deine Lieblingsspeise?
Ich esse das wirklich gerne, wobei Suhsi natürlich auch gut ist. Aber wenn ich mich für eines davon entscheiden müsste, würde ich Ramen nennen.

Die deutsche Küche ist im Vergleich zur japanischen eine eher schwere Küche. Ist das für dich der größte Unterschied?
Ich muss sagen, die japanische Küche ist wirklich sehr gesund. Man sieht das auch daran, dass viele Japaner sehr alt werden. Ich denke, die Ernährung ist da ein entscheidender Faktor. In der deutschen Küche kommen natürlich auch gesunde Produkte zum Einsatz, wie zum Beispiel Sauerkraut. Das ist für mich ein typisch deutsches Gemüse und kam mir gerade als erstes in den Sinn (lacht).

Fleiß und Disziplin allein reichen nicht.

Makoto Hasebe

Du bist jetzt 36 und gehst in deine 14. Bundesligasaison. Inwieweit hat dir deine Ernährung dabei geholfen, dort zu stehen, wo du jetzt bist?
Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist wirklich wichtig. Als ich 20 Jahre alt war habe ich zum Beispiel deutlich mehr Alkohol getrunken, größere Portionen zu mir genommen und vor allem auch ungesunde Sachen gegessen. Mit 21 oder 22 Jahren hat ein Umdenken bei mir eingesetzt. Ich habe mir angeschaut, wie sich andere Sportler ernähren, mir das zum Vorbild genommen und mich allgemein mehr mit dem Thema beschäftigt. Seit 15 Jahren habe ich fast keinen Alkohol mehr getrunken. Außerdem achte ich darauf, mehr Gemüse zu essen. Diese Umstellung ist sicher ein wesentlicher Baustein für meine körperliche Fitness.

Wen hast du dir konkret zum Vorbild genommen?
Eines meiner Vorbilder ist Kazuyoshi Miura. Er ist ein guter Freund von mir. Mit 53 Jahren spielt er immer noch in der japanischen ersten Liga Fußball. Das ist der Wahnsinn. Ich habe von ihm gelernt, dass Fleiß und Disziplin im Training allein nicht ausreichen. Wenn du lange Zeit auf hohem Niveau spielen möchtest, musst du außerdem gesund essen, viel schlafen und viel Wert auf Regeneration legen.

Bis du 53 Jahre alt bist, hättest du noch einige Jahre vor dir in der Bundesliga.
Ich will natürlich weiterspielen, solange es möglich ist. Aber die Qualität in der Bundesliga ist hoch, auch durch ausländische Spieler und junge Talente, die stetig nachrücken. Ich versuche alles, um noch ein bisschen weiterzumachen.

Ich gebe in meinem Leben alles für den Fußball!

Makoto Hasebe

Welche Rolle spielt der Fußball in deinem Leben?
Ich habe in meinem Leben alles für den Fußball gegeben und mache das auch nach wie vor. Ich denke 24 Stunden daran, alles in meinem Leben ist darauf ausgelegt. Meine Familie ist neben dem Fußball das Wichtigste für mich. Es ist nicht immer einfach, eine Balance zu finden. Meine Frau und meine Tochter müssen manchmal wegen des Fußballs zurückstecken, das ist mir bewusst. Aber das wird nach dem Karriereende natürlich anders, dann kann ich ihnen etwas zurückgeben.

Hast du ein Hobby abseits des Fußballs?
Wenn ich ehrlich bin, nein. Fußball ist mein größtes Hobby und zugleich mein Job. Für manche ist das sicher nicht das Richtige, aber ich fokussiere mich bewusst nur darauf. Manchmal versuche ich, mich mit einem Buch oder einem Film abzulenken.

Merkst du körperlich, dass du älter wirst?
Das merke ich auf jeden Fall. Wenn ich 90 Minute gespielt habe, fühle ich mich am nächsten Tag wie ein Stein. Ich brauche mehr Zeit zum Regenerieren und muss mich auch öfter behandeln lassen.

Kannst du bereits sagen, ob das deine letzte Saison als Profi sein wird?
Ich entscheide noch nicht jetzt, ob das meine letzte Saison ist. Seitdem ich 31 Jahre bin, denke ich, dass die nächste Saison meine letzte ist. Aber Gott sei Dank spiele ich mit 36 Jahren immer noch. Deshalb denke ich darüber aktuell wenig nach und konzentriere mich einfach auf meine Aufgaben bei der Eintracht.

Keine Ahnung, ob das meine letzte Saison ist.

Makoto Hasebe

Wie hat sich deine Denkweise auf dem Platz über die Jahre verändert?
Bis ich Mitte 20 war, habe ich wenig nachgedacht. Ich wollte einfach nur auf dem Platz stehen und spielen. Mittlerweile denke ich viel mehr über unsere Taktik und meine Disziplin nach. Ich beobachte auch genau, wie Adi uns trainiert und versuche zu verstehen, warum wir manche Dinge so trainieren. Ich will Fußball verstehen und nicht nur spielen.

Weißt du schon, wie es nach deiner aktiven Karriere weitergehen soll?
Darüber denke ich viel nach und stelle mir die Frage: Wo sehe ich mich? Ich würde gerne in Deutschland meinen Trainerschein machen, weil das hier auf sehr hohem Niveau möglich ist. Außerdem bin ich jetzt schon Markenbotschafter von Eintracht Frankfurt und habe mich bereits intensiv mit der Marketingabteilung ausgetauscht, auch was internationale Kooperationen betrifft. Eine Position als Teammanager wäre für mich interessant. Aber wo es genau hingeht, ist noch offen.

Adi Hütter ist sehr von dir beeindruckt und meinte kürzlich, dass du so etwas wie der verlängerte Arm zwischen Mannschaft und Trainerteam bist. Wie ist euer Austausch?
Ich spreche oft mit ihm über seinen Job als Trainer. Das ist sehr lehrreich für mich. Er hat mir auch deutlich gemacht, dass Trainer und Spieler sein zwei gänzlich unterschiedliche Dinge sind. Aber er hat mir versichert, dass ich das schaffe.

Welche Trainer haben dich am meisten geprägt?
Adi hat mir sicherlich viel beigebracht. Aber auch von Niko habe ich einiges gelernt. Mein erster Trainer in Deutschland war Felix Magath (lacht). Das Training war manchmal wirklich zu hart und seine Art als Trainer ist sehr besonders. Aber mir hat er viel geholfen, er hat auf mich gesetzt und wir sind Deutscher Meister geworden. Das spricht in diesem Fall für sich.

Was bedeutet Frankfurt als Stadt für dich?
Ich fühle mich in Frankfurt sehr wohl. Das ist meine zweite Heimat, auch für meine Familie. Es ist einfach schön hier.

Deine Tochter ist also eine echte Frankfurterin?
Das kann man so sagen. Sie geht in einen deutschen Kindergarten und spricht auch langsam Deutsch. Wahrscheinlich kann sie das bald besser als ich. Sie spricht aber neben Japanisch und Deutsch auch ein bisschen Englisch.

Der Pokalsieg war der schönste Moment meiner Karriere.

Makoto Hasebe

Hättest du jemals gedacht, dass du so lange bei der Eintracht bleiben wirst?
Ich habe nie geglaubt, dass ich so lange bei der Eintracht spielen werde. Ich bin mit 30 Jahren hierher gewechselt und hatte einen Zweijahresvertrag. Ich dachte, dass ich danach vielleicht nach Japan zurückkehre. Gut, dass es anders gekommen ist. Die Eintracht hat mir so viel gegeben, dass ich das als Spieler und auch nach meiner Karriere zurückgeben möchte.

Was war der schönste Moment in deiner Karriere?
Der DFB-Pokalsieg mit Frankfurt war ohne Frage der schönste Moment meiner Karriere. Das war einfach nur unbeschreiblich. Ich bin auch mit dem VfL Wolfsburg Deutscher Meister geworden, aber der Pokalsieg war trotzdem der schönste Moment für mich.

Was war der schlimmste Moment in deiner Karriere und wie bist du damit umgegangen?
Die Relegation mit Frankfurt 2016 gegen meinen Ex-Klub 1. FC Nürnberg war nicht mein schlimmster, aber der schwierigste Moment meiner Karriere. Zwei Jahre zuvor, also 2014, bin ich mit Nürnberg abgestiegen und nach zwei Jahren stand ich wieder dort. Ich habe alles für die Eintracht gegeben, dass sich das nicht nochmal wiederholt. Für mich bedeuten unsere Fans in solchen Zeiten eine enorme Stütze. Egal, ob Heim- oder Auswärtsspiel, sie machen für mich jedes Spiel zu einem Heimspiel. Daraus ziehe ich in solchen Momenten meine Kraft. Ich freue mich sehr darauf, wenn wir in unserem Stadion wieder vor unseren Fans spielen dürfen. Ich kann meine Karriere nicht ohne diesen Moment beenden.

Das große „Adlerträger“-Interview erschien in der neuen Ausgabe der „Eintracht vom Main“, dem Klubmagazin von Eintracht Frankfurt. Die Titelgeschichte widmet sich unter anderem auch den bald 13 Bundesligajahren von Makoto Hasebe und beleuchtet weitere ehemalige Adlerträger und Alterspräsidenten, die einst ihren dritten Frühling erlebt haben.