Entschieden trotz Unentschieden
Irgendwann musste die Serie ja ein Ende finden. Und wenn nicht in Frankfurt, wo sonst hätte Borussia Dortmund das erste Mal nach 27 Bundesligaspielen ohne Punkteteilung wieder Unentschieden spielen sollen. Nicht nur, weil bereits die drei vorangegangenen Vergleiche in Frankfurt remis geendet hatten, sondern weil die Eintracht mit dem 1:1 gegen den Vizemeister den siebten Teilerfolg im zehnten Saisonspiel verzeichnete. Genau genommen bedeutet das fünfte Remis in Reihe einen neuen Vereinsrekord. 1991/92, 2006/07, 2013/14 und 2018/19 hatte die Kompromissbereitschaft jeweils nach vier Begegnungen ein Ende. Der neuen Marke war sich auch Adi Hütter bewusst, wenngleich der Cheftrainer die Einordnung, „ob das gut oder weniger gut“ sei, anderen überlassen wollte. Zugleich bemerkte der Fußballlehrer: „Sieben Remis in zehn Spielen hatte ich in meiner Karriere noch nicht.“ Fast zwangsläufig wartet der 50-Jährige nun so lange auf einen Sieg wie noch nie in seiner Amtszeit mit dem Adler auf der Brust, was aber nicht nur nach den Eindrücken von Samstagnachmittag nur die halbe Wahrheit ist. Immerhin haben sich die Hessen – vorbehaltlich der Sonntagspartien des zehnten Spieltags – an den vergangenen beiden Spieltagen jeweils tabellarisch verbessert: Von Platz elf auf neun und nun auf Rang acht – der auch am Montagabend noch zu Buche stehen könnte.
Gegen Dortmund muss man ans Limit gehen, das haben wir getan und auf dem Platz alles reingeworfen.
Erik Durm
Entschieden belegten die Hausherren ihre Ankündigungen, von Beginn an hellwach auftreten zu wollen, gegen die Borussia ebenso mit Taten. Mit der frühen Führung durch Daichi Kamada faktisch, durch gleichermaßen messbare Attribute kollektiv. 120,37 gelaufene Kilometer überbot parallel nur Arminia Bielefeld gegen Mainz 05 (122,19). Rot-Schwarz-Weiß sozusagen als Abbild des wie erstmals gegen Leipzig im Innenraum neon-rot beleuchteten Deutsche Bank Park: Im roten Bereich! Weshalb die Selbsteinschätzung von Erik Durm nach dem Wiedersehen mit seinem Ex-Klub gewissermaßen den Nagel auf den Kopf traf: „Gegen Dortmund muss man ans Limit gehen, das haben wir getan und auf dem Platz alles reingeworfen.“ Zumal die Adlerträger gegen die Passmaschinen aus Dortmund gerade vor der Pause alles andere als hinterherliefen, sondern „gut von einer Seite auf die andere kombiniert und immer wieder versucht“ haben, „nach vorne zu spielen“, wie Hütter ausführte. Im Vorfeld hatte sich der Fußballlehrer einen kleinen, aber feinen psychologischen Kniff ausgedacht, um die Anfangsschläfrigkeit der Vorwochen zu bannen. Auch wenn der Österreicher daraus eigentlich „keine große Geschichte machen“ möchte, verriet er im Nachgang: „Wir haben die Abschlussbesprechung nicht im Hotel, sondern hier gemacht; 70 Minuten vor Spielbeginn, um die Spannung hochzuhalten. Die Jungs haben das super umgesetzt.“ Weshalb das größte sogenannte Problem war, „dass wir vor Halbzeit nicht das 2:0 gemacht haben. In der zweiten Hälfte haben wir es verpasst, für Entlastung zu sorgen.“
Raus aus dem Trott
Diesbezüglich machte Hütter auch keinen Hehl daraus, dass für diesen Zweck ein Akteur à la Amin Younes hilfreich gewesen wäre: „Er hätte uns heute in der Schlussphase sicher gutgetan, weil Dortmund gegen Ende riskant gespielt hat. Er war nicht im Kader, weil er sich im Training wehgetan hat und nicht 100-prozentig fit war.“ Im Gegensatz zu Sebastian Rode, die dritte Personalie mit BVB-Vergangenheit neben Durm und Fredi Bobic. Mit dem wiedergenesen Mittelfeldmann sorgte Hütter für eine weitere kleine Überraschung, hatte er sich bezüglich der Aufstellung am Freitag mehr denn je bedeckt gehalten. Die Frage, etwa ob Rode oder Djibril Sow beginnen würde, beantwortete der Spielberichtsbogen mit: Rode und Sow. Der gebürtige Seeheim-Jugenheimer zeigte sich bei seiner Rückkehr in die Startelf einmal mehr omnipräsent, räumte im Zentrum auf, kippte im Spielaufbau links ab und tauchte bei Gegenstößen rechts vorne auf. Auch „Djibril hat das sehr ordentlich gemacht. Ich habe mich für die beiden entschieden, weil sie eine andere Qualität mitbringen als Stefan Ilsanker“, begründete Hütter die Besetzung der Doppelsechs. Der Schweizer rechtfertigte seine zweite Nominierung hintereinander gleichwohl nicht allein kämpferisch, sondern auch fußballerisch: 53 Pässe, 45 derer angekommen, eine Quote von 84,9 Prozent – dreimal top!
Zur Hereinnahme von Aymen Barkok anstelle von Bas Dost erklärte Hütter: „Wir haben mit einer Spitze begonnen, weil wir gegen so eine starke Mannschaft etwas defensiver agieren müssen. Ich bin aber glücklich, wie wir es gemacht haben.“ Barkok, der 2016 just gegen Dortmund erstmals in der Bundesliga von Beginn an auf dem Rasen gestanden hatte, meldete sich derweil fidel wie eh und je zurück, auf wie neben dem Platz: „Mir geht’s gut, ich bin gesund. Ich hatte keine starken Symptome, nur an einem Tag extreme Kopfschmerzen. Seit Mittwoch war ich wieder voll im Training.“
Kreative rennen, Rustikale servieren
Bemerkenswert im Zusammenhang mit der Frankfurter Opferbereitschaft ist in jedem Fall, dass mit Barkok wie dessen feingeistigem Pendant Kamada zwei eigentliche Kreativkräfte die Kilometertabellen anführen: Barkok mit einer durchschnittlichen Laufleistung von 13,01 Kilometern pro 90 Minuten, Kamada in der Summe mit 105,89 Kilometern. In letzterer Kategorie übrigens gefolgt von Martin Hinteregger, dem nicht nur die Frankfurter Rundschau attestierte, „überragt“ zu haben. Mit dem zielgenauen Assist vor dem 1:0 als persönlichem Sahnehäubchen, zumal es die erste direkte Torbeteiligung für den rustikalen Verteidiger in dieser Saison war.
Auf nach Niedersachsen
Wenngleich sie nicht siegbringend war, was das Frankfurter Lager aber wesentlich entspannter auffasste als nach anderen gefühlten Punktverlusten. „Wir haben wieder remis gespielt, aber gegen eine sehr starke Mannschaft. Wolfsburg am Freitag wird auch wieder hart, aber vielleicht haben wir mal das Quäntchen Glück und siegen wieder“, ist Sportvorstand Fredi Bobic guten Mutes. Auch Barkok hat sich seinen Optimismus behalten: „Wir müssen mal wieder einen Sieg landen, die Qualität dazu haben wir. Daher bleiben wir zuversichtlich. Aus den drei Spielen bis Weihnachten möchten wir gerne sieben Punkte holen.“ Dass die Adlerträger dafür einmal mehr in den roten Bereich gelangen müssen, sind sich alle bewusst. Zum Vergleich: Der VfL Wolfsburg spulte in Köln die zweitwenigsten Kilometer (113,70) nach den Bayern ab. Als letztmals eine vergleichbare Remisserie riss, siegte die SGE übrigens im Februar 20019 3:0 bei Hannover 96 – bekanntlich in Niedersachsen...