Situation
Nicht wenige Beobachter waren im Sommer erstaunt, ob der Trainingsfrequenz, die Peter Bosz im Trainingslager in Zell am See an den Tag legte. Lediglich eine Trainingseinheit täglich stand bei Kai Havertz und Co. auf dem Trainingsplan. Die Idee dahinter: Lieber ein Mal 100 als zwei Mal 50 oder 60 Prozent, also Intensität vor Länge. 14 Punkte nach sieben Spieltagen und damit Teil der großen Verfolgergruppe von Spitzenreiter Borussia Mönchengladbach sprechen neben hervorragenden Laufwerten – Platz eins im Ligavergleich mit 833,3 absolvierten Kilometern – für den vom Niederländer in der Vorbereitung verfolgten Trainingsansatz.
Formkurve
Mit einem 5:1-Sieg im Berliner Olympiastadion gelang der Werkself am vergangenen Spieltag der abgelaufenen Saison mit dem Sprung auf Platz vier im letzten Moment noch der Einzug in die Königsklasse des europäischen Fußballs. Hakt es dort nach zwei Niederlagen zum Auftakt noch, konnte das Team seine PS im Tagesgeschäft Bundesliga zumeist auf den Rasen bringen. In den vergangenen 13 Bundesligapartien gingen die Leverkusener nur bei der 0:4-Niederlage am vierten Spieltag ausgerechnet gegen Bosz‘ erste Deutschlandstation Dortmund als Verlierer vom Feld. Bereits in drei Partien gelang es Ex-Adlerträger Lukas Hradecky, seinen Kasten sauber zu halten. Lediglich Yann Sommer, Ballfänger von Tabellenführer Borussia Mönchengladbach, behielt ebenfalls in drei Partien eine weiße Weste. „Sie sind nicht nur offensiv gefährlich, sondern lassen auch wenige Chancen zu“, ist sich entsprechend Eintracht-Kapitän David Abraham bewusst. Genau genommen 58 Torschüsse – weniger als jeder andere Bundesligist.
Trainer
Als Peter Bosz am 4. Januar dieses Jahres auf dem Pressepodium in der BayArena Platz nahm, war sofort zu spüren, dass dort jemand saß, dessen Weg fast zwangsläufig zurück in die Liga führen musste, in der er 14 Monate zuvor bei Borussia Dortmund seinen Hut nehmen musste. „Ich war noch nicht fertig in der Bundesliga. Die Menschen in Deutschland haben noch nicht den richtigen Trainer Peter Bosz gesehen“, gab er seinerzeit zu Protokoll. Peter Bosz, in seiner aktiven Karriere im defensiven Mittelfeld beheimatet, wurden im Nachgang oft Naivität und das sture Festhalten an seinem System vorgeworfen. Dass der 55-Jährige jedoch durchaus in der Lage ist, im Spiel Änderungen an seiner Formation vorzunehmen wird bei einem Blick auf den vergangenen Spieltag deutlich. In der Partie gegen Leipzig rettete Keeper Hradecky im ersten Abschnitt mehrere Male in höchster Not, als Leipziger Spieler mutterseelenallein vor seinem Kasten auftauchten. „Wir mussten umstellen. Zum ersten Mal seit ich hier bin, standen wir tiefer und haben ihnen die Räume weggenommen. Das hat gut funktioniert in der zweiten Hälfte“, erklärte der Fußballlehrer hinterher. Bosz gilt als detailversessener Fußballfanatiker, der schon mal viereinhalb Stunden mit der Analyse eines Spiels zubringt. In seiner Vita kann er unter anderem auf den Einzug ins Finale der UEFA Europa League mit Ajax Amsterdam 2017 zurückblicken.
Taktiktafel
Ginge es darum, Bayer Leverkusen mit einem Wort zu beschreiben, so wäre die Antwort: Dominanz. Mit durchschnittlich 710 gespielten Pässen pro Spiel, einer Passquote von 89 Prozent und 71 Prozent Ballbesitz verkörpert sein Team die von ihm geforderte Kontrolle und hält das Heft des Handelns in der Hand, wie er kurz nach Amtsantritt im Kölner Stadt-Anzeiger ausführte: „Wenn der Gegner den Ball hat, werde ich unruhig, jetzt kann etwas Falsches passieren. Wenn ich den Ball habe, nicht.“ Bosz und Bayer Leverkusen, das bedeutet in den meisten Fällen, dass der in Apeldoorn geborene Niederländer seine Elf im 4-4-3 – mit Kai Havertz als Verbindungsspieler in der Schaltzentrale – ins Rennen schickt. Auch beim Thema Spielsystem wählt Bosz einen pragmatischen Ansatz, wie er erst am vergangenen Montag im kicker verriet: „Ich denke fast nie in Spielsystemen. Mir geht es darum, dass ich dominant sein und Kontrolle über das Spiel haben möchte. Dafür müssen wir ab und zu einen Spieler weiter nach vorne schieben. Dann ändert sich schon mal das System, ohne dass das einige vielleicht erkennen.“ Der Leverkusener Kader ist es eben für diese Spielphilosophie prädestiniert: Spieler wie Jonathan Tah, Charles Aranguiz, Kai Havertz und Kevin Volland sind mit ihren technischen Fertigkeiten und Qualitäten im Passspiel in der Lage, den Gegner in der eigenen Hälfte einzuschnüren. Auch die in den vergangenen drei Partien praktizierte 3-6-1/3-4-2-1-Formation – mit Kevin Volland als linkem Außenspieler sowie Kai Havertz und Nadiem Amiri auf den Halbstürmerpositionen – hatte keinen Einfluss Auftreten der Bayer-Elf.
Spieler im Fokus: Jonathan Tah
131 Bundesligaspiele und das im Alter von nur 23 Jahren: Jonathan Tah ist trotz seiner Jugend fast schon ein „alter Hase“ im Bundesligageschäft. Tah, geboren in Hamburg und über Altona 93 und den SC Concordia Hamburg in er Jugendabteilung des Hamburger SV gelandet, debütierte bereits im Alter von 17 Jahren in der Beletage des deutschen Fußballs. Für die Saison 2014/15 wurde der passionierte Koch an Fortuna Düsseldorf ausgeliehen. Bayer Leverkusen wurde auf den kernigen Manndecker aufmerksam und stattete ihn mit einem Vertrag über fünf Jahre aus. In Leverkusen mauserte sich Tah, der sich sozial bei der DFB-Stiftung Egidius-Braun engagiert, im Zuge dessen er beispielsweise er schon Mal eine Loge im Stadion reserviert, um an Krebs erkrankten Kindern aus dem Hopp-Kindertumorzentrum ermöglicht eine Partie vor Ort zu verfolgen, schnell zum Stammspieler. Auch im Team von Peter Bosz ist der achtmalige Nationalspieler eine feste Größe im Abwehrzentrum.
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