05.06.2023
Team

In die Geschichtsbücher gezaubert

Fernschuss-Spezi, Bein-Liebling, Elferklau, zwölfmaliger Matchwinner, Champions-League-Rekordschütze: Nach sechs Jahren verlässt Daichi Kamada die Eintracht.

Ein Mann der großen Worte war Daichi Kamada noch nie. Statements setzte der Japaner Zeit seines Daseins als Adlerträger am liebsten auf dem Platz. Nachdem er im Sommer 2017 im Alter von 20 Jahren von Sagan Tosu aus den Schritt nach Europa, nein: ins Herz von Europa, wagte, nahm die Erfolgsgeschichte spätestens zwei Jahre später ihren Lauf.

In der ersten Saison 2017/18 noch mit der Rückennummer 40 und möglichst viel Zeit zur Anpassung bedacht, zählte Kamada zwar noch nicht zum Stamm, aber zum Kader einer multikulturellen Truppe, die 2018 den DFB-Pokal gewann. Die Spielzeit darauf verbrachte Kamada leihweise bei der VV St. Truiden in Belgien, wo Gewöhnung an den europäischen Fußball weiter fortschritt.

Packt auch mal die Grätsche aus: Daichi Kamada, der kämpfende Künstler.

2019 zurück am Main, war der schon immer filigrane, aber zunächst schmächtige Dribbler nicht wiederzuerkennen. Kamada wurde nicht nur robuster und selbstbewusster, sondern zunehmend auch effizienter. Eine Mixtur, die den 1,84-Meter-Mann in seiner letzten Saison nahezu dafür prädestinierte, nicht nur im offensiven, sondern auch defensiven Mittelfeld seinen Mann zu stehen, wahlweise als Halbstürmer neben Mario Götze oder Jesper Lindström, oder als Triebfeder aus der Tiefe neben Djibril Sow.

Daichi macht Sachen, die kein anderer kann.

Uwe Bein

Welches Standing sich Kamada in jenen unterbrochenen vier Jahren erarbeitete, wurde spätestens deutlich, als mit Uwe Bein kein Geringerer als der Urvater des Tödlichen Passes öffentlich bekundete, Kamada sei „einer meiner Lieblingsspieler“ und feststellte: „Daichi macht Sachen, die kein anderer kann“.

In dieselbe Kerbe schlägt auch der renommierte Fußballautor Ronald Reng in der aktuellen 11FREUNDE-Ausgabe, in der er unter anderem „seine wunderbar aufrechte Rückenhaltung im Moment des Abspiels, seine fantastische Fähigkeit, mit einem einzigen Schritt aus dem Stand ins Turbodribbling zu wechseln, oder seine ungewöhnliche tiefe Armhaltung“ adelte.

Eintrachts Japaner in der Bundesliga

  1. Makoto Hasebe: 290 Spiele
  2. Daichi Kamada: 127 Spiele
  3. Takashi Inui: 75 Spiele
  4. Junichi Inamoto: 43 Spiele
  5. Naohiro Takahara: 38 Spiele

Im obersten Regal bewegt sich der 26-Jährige derweil auch statistisch. Wettbewerbsübergreifend stehen insgesamt 179 Einsätze, davon 127 in der Bundesliga, zu Buche.

Mit den 40 daraus resultierenden Treffern ist Kamada im aktuellen Aufgebot noch der Akteur mit dem meisten Toren. Bemerkenswert: 24 Treffer davon gereichten zu einer Führung. Zwölf Spiele ohne Kamada-Tore wären für die Hessen sieglos verlaufen.

15 für die 15

Eilte Kamada zeitweise der Ruf des Euro-Daichi voraus, weil er teilweise mehr international als national knipste – unvergessen 2019/20 sein Doppelpack zum 2:1 beim Arsenal FC in der UEFA Europa League und in der K.-o.-Phase sein Dreierpack beim 4:1 gegen Salzburg – konnte er auch dieses Vorurteil auf dem Höhepunkt seiner Frankfurter Schaffenskraft widerlegen. Neun Buden 2022/23 in der Bundesliga sind persönlicher Saisonrekord, hinzu gesellen sich sechs Assists. Schmankerl dazu: Macht 15 Scorer-Punkte und Platz 15 in der Scorer-Liste für die Nummer 15. Wettbewerbsübergreifend stehen in der abgelaufenen Saison 16 Treffer und sieben Assists im Arbeitsnachweis.

Beweist auch in der Champions League, hier im Gruppenfinale beim Sporting Clube de Portugal seinen Wert: Daichi Kamada.

Besonders in einer Disziplin sorgte der 28-malige Nationalspieler für Aufsehen: Vier Weitschusstore sind Ligaspitze gemeinsam mit Vincenzo Grifo und Lars Stindl. Dass es Kamada auch aus elf Metern drauf hat, bewies er nicht allein aus dem Spiel heraus. Vier Strafstöße verwandelte er mit dem Adler auf der Brust, alle in dieser Saison: Zwei beim 5:1 gegen Leverkusen, einen beim Ligabefreiungsschlag beim 3:0 gegen Mainz im Mai und den Ausgleich beim 2:1 in Lissabon, der den Adlern zum Einzug in das Achtelfinale der UEFA Champions League verhalf. Nebenbei zählt Kamada mit drei Königsklassentreffern zum Toptorschützen der jungen Klubgeschichte in Europas Eliteliga.

Daichi Kamada und Makoto Hasebe mit der Europa-League-Trophäe.

Den wohl wichtigsten Elfmeter aber versenkte Kamada am 18. Mai 2022 zum 3:3 im Penalty-Entscheid in Sevilla. Der Weg dahin ist eine Erwähnung für sich. Als es bei vier von fünf feststehenden Schützen Kamada und der von ihm verehrte Makoto Hasebe werden sollten, unternahm Kamada die Verantwortung, was insofern ungewöhnlich ist, weil in Japan unabhängig von Rang und Namen traditionell der Ältere hierarchisch höher angesiedelt ist. Hasebe nahm den Elfmeterklau der anderen Art natürlich sportlich, gemäß der Devise: Außergewöhnliche Spiele benötigen außergewöhnliche Entscheidungen.

Abschied nach sechs Jahren unterm Adlerdach: Daichi Kamada.

Und außergewöhnliche Spieler, wie Kamada einer ist. Für ein halbes Jahrzehnt im Trikot von Eintracht Frankfurt.

Eintracht Frankfurt sagt Danke!

Arigatō Daichi!