Blitzschnell erhielt dieser Satz Kultstatus: "Bruder, schlag den Ball lang!" Ein Satz, den Ante Rebic Prince Boateng nicht nur im Berliner Hotel, sondern auch auf der Fahrt zum Olympiastadion einhämmerte. Ein Satz, der ihn an diesem 19. Mai 2018 zum Pokalhelden werden ließ. "Beim Videostudium der Bayern-Spiele war mir aufgefallen, dass ihre Innenverteidiger immer hoch stehen und wir relativ einfach hinter ihre letzte Linie kommen können. Das war ideal, schließlich verfügten wir über einige schnelle Jungs vorne - so wie mich", erklärte der Kroate später.
Genau so erzielte er in der elften Minute des Finales um den DFB-Pokal die Führung für den krassen Außenseiter. Am Abend zuvor hatte die ehemalige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth noch gemeint: "Ein Eintracht-Sieg über die Bayern ist etwa so, wie wenn Offenbach Frankfurt eingemeinden würde. Der Kleine schluckt den Großen." Doch die erfahrene Politikerin hatte gleich angefügt: "Im Fußball ist sehr Vieles möglich."
Vor allem, wenn der Außenseiter an seine Chance glaubt, den großen Favoriten von der ersten bis zur letzten Minute pausenlos attackiert. Und sich auch vom Ausgleich durch Robert Lewandowski (53.) nicht vom Weg abbringen lässt. Doch so nach 80 Minuten hatte Rebic seine Zweifel am Sieg: "Prince meinte nur, ich soll weitermachen, wir würden gleich noch ein Tor schießen", sagt Rebic. Und der Prinz behielt Recht. Diesmal schlug Danny Da Costa den Ball lang, wieder sprintete Rebic los, schüttelte Süle und Hummels ab, erzielte das 2:1 (82.). Im Sprint fiel dem Profi eine Szene vom Finale 2017 ein, das gegen Borussia Dortmund trotz eines Rebic-Treffers 1:2 verloren wurde: "Es war ein ähnlicher 50:50-Zweikampf mit Dortmunds Matthias Ginter gewesen, bei dem ich nicht voll durchgezogen hatte. Nach der Niederlage waren mir die Tränen in die Augen geschossen, zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Fußballplatz. Nun, in diesem Laufduell, in dieser Millisekunde, dachte ich nur: Junge, du wirst nicht noch einmal weinen, du ziehst jetzt voll durch. So kam es, ich zog an beiden vorbei und schoss das 2:1."
70 Meter bis zur Glückseligkeit
Die Sensation war greifbar, aber die Bayern wollten es noch einmal wissen. Niko Kovac brachte Sébastien Haller für den ausgepumpten Rebic (89.), die vier Minuten Nachspielzeit brachen an. Da kam es im Eintracht-Strafraum zu einem Duell zwischen Boateng und Martinez, die Bayern forderten Elfmeter. Schiri Felix Zwayer bemühte den Videobeweis - und entschied auf Eckball. Inzwischen lief die 96. Minute. Der Ball flog in die Mitte, wurde abgewehrt, kam zu Mijat Gacinovic und der sprintete übers gesamte Feld, rannte aufs leere Tor zu, verfolgt von der aufgerückten Bayern-Meute. 70 Meter bis zur Glückseligkeit.
Keinen hielt es mehr auf seinen Plätzen. Die rund 30.000 mitgereisten Eintracht-Fans nicht, die Ersatzspieler nicht, die Trainer nicht. "Lauf, lauf, lauf!", schrien alle. 3:1! "Alle liefen an der Außenlinie mit ins Glück. Wir schossen den Ball quasi zusammen rein. Ich hielt Nico Kovac umklammert, schrie ihm ins Ohr und riss ihn vor Freude um. Da lagen wir, im Olympiastadion auf dem Boden. Als Pokalsieger. Der Titel war der beste Moment des Jahres", freut sich Ante Rebic noch heute. Nach 30 Jahren war Eintracht Frankfurt wieder Deutscher Pokalsieger geworden, zum insgesamt fünften Mal. Als David Abraham zusammen mit Alex Meier den Pott in die Höhe stemmte, brachen alle Dämme. Tausende sangen: "Europacup, Europacup in diesem Jahr." Und Sportvorstand Fredi Bobic jubelte: "Da werden die Banktürme in Frankfurt wackeln."
Unglaublicher Wille
Vergessen war eine alles andere als optimale Bundesliga-Schlussphase. Mit dem 3:0 gegen den Hamburger SV hatte die Kovac-Truppe von Anfang April an nur noch einen Sieg feiern können, rutschte bis auf Rang acht ab, der nicht mehr für die Europacup-Teilnahme gereicht hätte. Der Akku war leer geworden, doch der unglaubliche Wille, der in dieser Mannschaft steckte, hatte sie nach Berlin gebracht. Dank eines herrlichen Hackentreffers von Luca Jovic, später zum Tor des Monats gewählt, wurde das Halbfinale beim FC Schalke 04 mit 1:0 gewonnen.
Vergessen waren auch die Schlagzeilen um Nico Kovac, nachdem er seinen Wechsel zum FC Bayern bekanntgegeben hatte. Zuerst die Eintracht vor dem Abstieg gerettet, nun den Pokal geholt: Kovac wurde gefeiert und konnte sich als Erfolgstrainer erhobenen Hauptes in Richtung Süden verabschieden.
Epochaler Empfang
Empfangen wurde die Mannschaft am Tag nach dem Triumph in Frankfurt von einer riesigen Menschenmenge. Etwa 100.000 waren auf den Beinen. Lange, sehr lange, dauerte entsprechend die Cabrio-Fahrt vom Flughafen zum Römerberg, der wegen des riesigen Andrangs Stunden vor der Ankunft der Mannschaft geschlossen werden musste. Traditionell ging es auf den Balkon des Römers und der scheidende Trainer rief den Fans zu: "Ich kann gar nicht ausdrücken, wie stolz ich bin. Das Ding ist für euch."
Tagelang gingen die Feierlichkeiten weiter. Ante Rebic hatte es allerdings recht eilig: Er musste zur kroatischen Nationalmannschaft, die in Russland Vize-Weltmeister werden sollte. Der anschließende Empfang in seinem Heimatort Imotski sei der "zweitschönste Moment des Jahres" gewesen, meint Ante Rebic, der für 2019 schon ein klares Ziel vor Augen hat: "Ich will nach Baku!" Dort findet am 29. Mai das Europa League-Finale statt.
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