03.03.2021
Bundesliga

Jung, forsch, erfolgreich

Eine eingespielte Startelf, die jüngste Mannschaft der Bundesliga und ein Vorlagenkönig, den aktuell einzig Filip Kostic übertrumpft. Das ist der VfB Stuttgart.

Situation: Für Spektakel zu haben

Der VfB Stuttgart konnte eines seiner ersten fünf Spiele im neuen Jahr gewinnen (dazu ein Remis und drei Niederlagen), holte aus den vergangenen fünf Partien aber zehn Punkte. Insgesamt sieht sich der Bundesligarückkehrer in dieser Saison mehr als im Soll und sorgt immer wieder für fußballerische Furore, wie beispielsweise beim fulminanten 5:1-Auswärtserfolg bei Borussia Dortmund im Dezember. 5:1 lautete auch das Endergebnis am vergangenen Samstag gegen den FC Schalke 04, nachdem der VfB in der Woche zuvor mit 1:0 in Köln gewonnen hatte. Es war erst das zweite Mal in dieser Saison, dass die Schwaben zwei Bundesligaspiele in Folge siegreich gestalten konnten.

VfB Stuttgart 2020/21
Kompakt8 Siege, 8 Unentschieden, 7 Niederlagen, 44:36 Tore, 32 Punkte, Tabellenplatz 10
FormkurveS-N-U-S-S
TorschützenKalajdzic (11), Wamangituka (11), González (6), Castro (3), Didavi (3), Coulibaly (2), Endo (2), Kempf (2), Förster (1), Klement (1), Klimowicz (1), Mangala (1)

Doch trotz des deutlichen Erfolges gegen die Gelsenkirchener haderte Cheftrainer Pellegrino Matarazzo mit der Anfangsphase der zweiten Halbzeit: „Wir haben uns für die zweite Hälfte vorgenommen, mit Energie auf den Platz zu gehen, um Schalke nicht den Glauben zurückzugeben, dass sie hier noch etwas holen können. Nach zehn Minuten in der zweiten Hälfte hat sich aber herausgestellt, dass wir sowohl defensiv als auch offensiv zu wenig gemacht haben. Wir haben die Zweikämpfe nicht gut geführt und auch aus dem eigenen Ballbesitz heraus für zu wenige gute Aktionen gesorgt.“ Über die verdienten drei Punkte freute sich der Coach dennoch, ebenso wie Gregor Kobel. „Wir wollen an diesen Sieg im kommenden Spiel anknüpfen, uns weiterentwickeln und Gas geben“, so der VfB-Keeper.

Trainer: Fortsetzung fixiert

Seit über einem Jahr am Neckar am Steuer: Pellegrino Matarazzo.

Pellegrino Matarazzo übernahm die Bad Cannstätter in der Winterpause der Saison 2019/20 als Nachfolger von Tim Walter auf dem dritten Tabellenplatz der Zweiten Liga. Seine Mannschaft schloss die Spielzeit als Vizemeister ab und stieg so wie angestrebt ins Oberhaus auf. Seine gute Arbeit, die Matarazzo auch in der Bundesliga eindrucksvoll leistet, belohnten die Verantwortlichen unlängst mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2024. „Rino hat unsere Erwartungen vom ersten Tag der Zusammenarbeit an vollumfänglich erfüllt. Er identifiziert sich mit dem VfB und dem eingeschlagenen Weg, mit jungen und entwicklungsfähigen Spielern attraktiv und erfolgreich Fußball zu spielen“, äußerte Thomas Hitzlsperger, Vorstandsvorsitzender beim VfB.

Der Werdegang des 43-Jährigen ist derweil durchaus ungewöhnlich. Matarazzo startete seine Fußballkarriere bei den Columbia Lions, dem Team seiner Universität in New York, an der er ein Mathematikstudium abschloss. Im Jahr 2000 zog es den ehemaligen defensiven Mittelfeldspieler mit amerikanischer und italienischer Staatsbürgerschaft nach Deutschland. Hier spielte er für verschiedene Vereine in der Ober- und Regionalliga, unter anderem bei Wehen Wiesbaden, ehe er seine aktive Laufbahn 2010 bei der zweiten Mannschaft des 1. FC Nürnberg beendete.

Angekommen auf der großen Bühne: Pellegrino Matarazzo.

Dort wurde der Fußballlehrer direkt im Anschluss Co-Trainer von René Müller, unter dem er zuvor drei Jahre lang gespielt hatte, und arbeitete dort auch mit dem Co-Trainer der Profis, Armin Reutershahn. In den folgenden Jahren blieb er dem FCN als Co-Trainer der U23 und als Coach der Jugendabteilung erhalten, ehe er im Juli 2017 bei der U17 der TSG Hoffenheim anheuerte. Ein halbes Jahr später beförderte ihn Julian Nagelsmann, mit dem er sich während der Ausbildung zum Fußballlehrer ein Zimmer geteilt hatte, zum Assistenztrainer. Nach anderthalb Jahren an der Seite von Nagelsmann und dessen Nachfolger Alfred Schreuder verpflichtete der VfB Stuttgart den Newcomer am 30. Dezember 2019 als Chefcoach. Eine Entscheidung, die sich schnell als Ideallösung für den Verein und alle Beteiligten herausstellen sollte.

Taktiktafel: Hoher Aufwand, großer Mut

Flügelflitzer mit Torriecher: Silas Wamangituka.

Im bevorzugten 3-4-2-1- oder 3-4-3-System zeigt der VfB seine Stärken im schnellen Umschaltspiel. Bei Ballgewinn nutzen die Schwaben die sich bietenden Räume mit dem Tempo, das Spieler wie Silas Wamangituka par excellence auf den Platz bringen. Zudem bestritt der VfB seine Partien mit der durchschnittlich jüngsten Mannschaft der Liga (23,9 Jahre). Die Stuttgarter Offensive steht dabei in dieser Saison immer wieder im Fokus, 44 erzielte Tore können nur der FC Bayern (67), Borussia Dortmund (48) und die Eintracht (46) überbieten. Auffällig: Sasa Kalajdzic und Flügelflitzer Wamangituka netzten jeweils elf Mal und erzielten somit gemeinsam die Hälfte aller VfB-Tore.

Kalajdzic stürmt aktuell als einzige Spitze und traf in jeder der jüngsten fünf Partien. Der Zwei-Meter-Hüne steht sinnbildlich für den hohen Aufwand, den der Aufsteiger Woche für Woche betreibt. Gegen Schalke versuchte sich der Österreicher an vier Abschlüssen, wie überhaupt die Württemberger mit 343 Torschüssen die drittmeisten der Liga abgeben. Vergleichbar verhält es sich mit den angezogenen Sprints – 5637 sind die drittmeisten – sowie geführten (112 pro Spiel) und gewonnen Zweikämpfen (insgesamt 2690), was jeweils den zweitstärksten Wert bedeutet.

Absoluter Zielspieler: Sasa Kalajdzic.

In der zuletzt zwei Mal identischen Startelf vertraut Coach Matarazzo im offensiven Mittelfeld auf Kapitän Gonzalo Castro (einer von nur drei aktuellen Bundesligaspielern mit mehr als 400 Einsätzen) und Philipp Förster. Neben Wamangituka sind in der Kette dahinter auf der Doppelsechs Wataru Endo und Orel Mangala gesetzt, links sorgt Borna Sosa für Betrieb und Stabilität. Ersterer erzielte mit seinem Doppelpack gegen den FC Schalke 04 am vergangenen Wochenende seine ersten beiden Bundesligatore. In der Dreierkette kamen zuletzt Konstantinos Mavropanos, Waldemar Anton und Ex-Adlerträger Marc Oliver Kempf zum Einsatz. Mit Nicolás González und Erik Thommy fehlen den Gästen derzeit zwei wichtige Offensivakteure verletzungsbedingt. Mit Daniel Didavi, Mateo Klimowicz und dem 20-jährigen Tanguy Coulibaly stehen allerdings weitere Alternativen zur Verfügung.

Spieler im Fokus: Borna Sosa

Borna Sosa ist auch bei ruhenden Bällen eine Waffe.

Der Linksverteidiger wechselte im Sommer 2017 von Dinamo Zagreb zum VfB Stuttgart, wurde in seinen ersten beiden Saisons aber mehrfach von Verletzungen ausgebremst und kam daher auf jeweils nur zwölf Ligaeinsätze. In der aktuellen Spielzeit stand Sosa bereits in 18 Partien auf dem Feld, spätestens 2021 scheint er seine Stärken endgültig konstant auf den Platz zu bringen. Von seinen bisherigen acht direkten Assists datieren sieben aus dem neuen Kalenderjahr, nur Filip Kostic kommt auf einen mehr. Dabei bereitete Sosa in den jüngsten vier Spielen jeweils mindestens einen Treffer vor, das gelang im VfB-Trikot letztmals Vedad Ibisevic in der Saison 2011/12.

Schwer zu bremsen: Borna Sosa.

Die scharfen und präzisen Flanken des 47-fachen Juniorennationalspielers sind für die gegnerischen Defensivreihen zunehmend schwieriger zu verteidigen. Lediglich Kostic (126) flankte in dieser Saison häufiger als der 23-Jährige (83). „Borna flankt aus jedem Winkel, mal gechippt, mal scharf, mal flach, mal in den Rückraum, mal auf den ersten Pfosten, mal auf den zweiten. Sein linker Fuß ist eine absolute Waffe“, ist sich auch Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat den Stärken des Kroaten bewusst. Ein Vergleich mit dem Idol des Linksverteidigers lag für den VfB-Funktionär daher auf der Hand: „Borna selber hat gesagt, sein Vorbild sei David Beckham. Und ich finde, es ist auch die gleiche Qualität.“ Die aus Sicht der Eintracht am Samstag gerne im Verborgenen bleiben darf.

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