02.06.2019
Historie

Kalli, der Motivator, zum 85.

Karl-Heinz Feldkamp war als Trainer Meister in Deutschland, Ägypten und in der Türkei. Aber auch diverse Pokalsiege konnte feierte er, darunter 1988 mit der Frankfurter Eintracht.

„Kalli“, wie ihn fast jeder im Fußball nennt, war früher schon ein Bummler zwischen verschiedenen Welten. Und als Rentner ist ihm diese Reisefreude geblieben. Im Winter, da findet man ihn mit Ehefrau Helma häufig im Süden Spaniens, in seinem Häuschen in der Nähe von Marbella. Im Sommer ist inzwischen Braunschweig der Lebensmittelpunkt, dort, wo Tochter und Enkelin wohnen.

Schon im Februar in kurzen Hosen zwei oder drei Mal die Woche Tennis zu spielen, der Mandelblüte zuzusehen, „das ist eine andere Lebensqualität“, sagte er kürzlich am Telefon mit fester Stimme: „Das Klima tut einem sehr gut.“ Wenn es dann wieder nach Deutschland geht, dann freut er sich besonders auf seine Enkelin: „Da gibt es für den Opa keine Ausrede, da muss er ran.“

Der Ex-Trainer Feldkamp beobachtet die Bundesliga zwar weiterhin, aber in einem Stadion sieht man ihn nur noch selten. Hamburg wäre ja in der Nähe, aber das ist in dieser Saison auch kein besonders verlockendes Ziel für einen Mann, der auf der Trainerbank schon so viel erlebt hat.

Trainer 1972, Aufstieg 1978, Eintracht 1987

Begonnen hatte die Trainerkarriere für den ehemaligen Regionalliga-Spieler in der Saison 1972/73 bei der SG Wattenscheid. In Oberhausen geboren, also mitten im Kohlenpott, dort hatte er das Kämpfen gelernt. Und das erklärte er auch über viele Jahre seinen Profis: „Aber ich habe nie etwas von einem Spieler gefordert, das er nicht konnte.“ Seinen ersten Aufstieg feierte Feldkamp dann mit Arminia Bielefeld: 1978 gelang den Arminen der Sprung in die Erste Bundesliga. Trotzdem wechselte er zum 1. FC Kaiserslautern und blieb auf dem „Betze“ vier Jahre lang. Borussia Dortmund und erneut Bielefeld waren einjährige „Durchgangsstationen“, ehe er zu Bayer Uerdingen ging und dort 1985 erstmals den DFB-Pokal gewann. 2:1 gegen die großen Bayern, da staunte Fußball-Deutschland!

Im Sommer 1987 unterschrieb er bei Eintracht Frankfurt, führte den bisherigen Abstiegskandidaten nicht nur ins sichere Mittelfeld auf Platz neun, sondern auch ins Berliner Pokalfinale. Etwas mehr als 30 Jahre ist es jetzt her, dass die Adlerträger mit dem 1:0 über den VfL Bochum den Pott zum vierten Mal an den Main geholt haben.

Dass Feldkamp trotzdem am 14. September entlassen wurde, lag auch an den Folgen dieses Triumphs im Olympiastadion. Denn am Abend dieses warmen Frühsommertages wurde nicht nur grandios gefeiert. Im gleichen Hotel, nur ein paar Stockwerke höher, saß das Eintracht-Präsidium zusammen und plante den Verkauf des besten Spielers: Lajos Detari. Der 25 Jahre alte Ungar, der gegen Bochum mit einem herrlichen Freistoß in der 81. Minute getroffen hatte, wollte und sollte nach nur einem Jahr am Main wieder weg. Geholt hatte ihn die Eintracht von Honved Budapest, ausgeliehen für stolze 3,6 Millionen Mark (etwa 1,8 Millionen Euro). In Ungarn ein Fußball-Gott, in der Bundesliga erst einmal ein Azubi ohne Deutschkenntnisse. Es gab Anlaufschwierigkeiten, neun seiner elf Bundesliga-Tore erzielte er in der Rückrunde. Den Durchbruch schaffte der Profi ausgerechnet bei einem Hallenturnier. Feldkamp bezeichnet den Mann, der schon mal mit Fußballschuhen in den ungarischen Nationalfarben (rot, weiß und grün) auflief, noch heute als das Herz der damaligen Mannschaft.

Prägende Zeit

Was in Berlin eingefädelt wurde, fand seinen Showdown ausgerechnet während des Trainingslagers vor der kommenden Saison: An einem Nachmittag am Timmendorfer Strand wurde Detari heimlich zum Flughafen gefahren. Ziel: Griechenland. Genauer Olympiakos Piräus, das für den Mittelfeldstar satte 18,5 Millionen Mark bezahlte. Doch ein Großteil dieser Summe floss nicht an den Main, sondern an die Donau. Weil nie wirklich herauskam, wie sich Honved und die Eintracht das Geld aufgeteilt hatten, machte über Jahre hinweg diese Frage die Runde: Wo sind die Detari-Millionen geblieben?

Feldkamp war vom Abflug seines Stars nur telefonisch informiert worden, was ihn noch zusätzlich ärgerte. „Die Eintracht ohne Detari, das ist, als ob man in einen Mercedes 500 einen VW-Motor einbaut“, schimpft er noch heute. Er ärgert sich, dass er damals nicht gleich reagiert hat: „Ich hätte sofort gehen sollen.“

Der Trainer, der als großer Motivator bekannt war, hatte keine Lust mehr, hatte Motivationsprobleme: „Die Mannschaft, aber auch ich, hat durch den Verkauf einen riesigen Knacks bekommen.“ Er bereut zwar nicht die Zeit bei der Eintracht, „aber das hat mich schon geprägt“.

Und das hat auch dafür gesorgt, dass er der Bundesliga erst einmal den Rücken zeigte. Al-Ahly Kairo hieß seine nächste Station. Manche dachten an Flucht, an das langsame Ende einer großen Karriere. Aber für ihn war Ägypten mit seiner völlig anderen Kultur und Lebensweise einerseits eine Herausforderung, andererseits ein Ort, an dem er frei leben konnte, ohne auf den Detari-Abgang angesprochen zu werden.

Rückkehr nach Deutschland

Doch schon Anfang 1990 kehrte er in die Bundesliga zurück, wieder nach Kaiserslautern. Es wurde seine erfolgreichste Zeit in Deutschland. Zunächst der Pokalsieg 1990, wodurch er als einziger Trainer mit drei verschiedenen Bundesligisten den „Pott“ gewinnen konnte, dann ein Jahr später sogar die Meisterschaft.

1992 verließ er die Pfalz, seine türkische Ära begann. Zunächst für ein Jahr bei Galatasaray Istanbul, wo er bereits nach seiner ersten Saison frenetisch als Meister-Trainer gefeiert wurde. Das Land und die Leute hatten ihn fasziniert, Anfang 1998 kehrte er an den Bosporus zurück, diesmal zu Besiktas Istanbul. Doch nach einem guten halben Jahr war Schluss, es schien, als ob die Trainerkarriere nun wirklich beendet sei. Aber die Zweifler wurden erneut eines Besseren belehrt, der Türkei-Virus ließ ihn und seine Frau Helma einfach nicht los. Im Juli 2007, also im Alter von 73 Jahren, konnte er dem Werben von Galatasaray nicht widerstehen. Jupp Heynckes lässt grüßen! Er arbeitete zunächst als Trainer, dann als sportlicher Leiter für den türkischen Traditionsverein.

Im Mai 2009 war dann endgültig Schluss, der „Kalli“ trat von der großen Bühne ab. Die Lust auf den Bosporus ist ihm aufgrund der politischen Veränderungen längst vergangen: „Wenn wir heute türkische Freunde treffen wollen, dann machen wir das halt beispielsweise in London.“

Mit der notwendigen Gelassenheit und Distanz blickt er auf seine vielen Stationen zurück. Auch auf die Eintracht. Nicht nur allein wegen des Pokalsieges. Beispielsweise auch wegen eines Bruno Hübner, der damals als Spieler in Kaiserslautern nach Feldkamps Pfeife tanzte. Doch nicht nur mit seinem ehemaligen Schützling ist er sehr zufrieden: „Es macht Spaß zu sehen, wie sich die Eintracht entwickelt.“ Auch im hohen Alter von nun 85 Jahren. Alles Gude, Kalli!