24.04.2025
Eintracht

„Kann mir keiner mehr nehmen“

Christopher Lenz spricht über das Duell seiner Ex-Klubs Frankfurt und Leipzig, über europäische Nächte mit der Eintracht und seine Rückkehr auf den Platz.

Chris, am Mittwoch hat die TSG verkündet, dass du wieder Teile des Mannschaftstrainings absolvierst. Wie fühlst du dich?
Es hat unfassbar lange gedauert, es gab leider mehrere Rückschläge und ich hatte öfters Schmerzen. Nachdem es sich so gezogen hat, bin ich sehr froh und dankbar, seit dieser Woche wieder mit der Mannschaft auf dem Platz arbeiten zu können. Dieses Gefühl ist durch nichts zu ersetzen.

Ein halbes Jahr Zwangspause liegt hinter dir. Bist du jemals so lange ausgefallen?
Am Dienstag waren es auf den Tag genau sechs Monate. Etwas Ähnliches ist mir erst einmal widerfahren, da war ich 21 oder 22. Aber das war eine andere Situation, weil ich damals von Vornherein wusste, dass es länger dauern wird. Das macht die Umstände nicht wesentlich besser, aber für den Kopf war es einfacher, als wenn es sich wie dieses Mal immer wieder verzögert. Da macht man sich schon mehr Gedanken.

Was würdest du der Zeit Positives abgewinnen – sofern das geht?
Ich glaube, das Wichtigste ist einfach, die positiven Dinge im Leben in den Vordergrund zu stellen. In solchen Phasen ist es hilfreich, die persönliche Erfüllung nicht im Fußball zu suchen, sondern sich mit Freunden, Familienmitgliedern und Mannschaftskollegen auszutauschen und regelmäßige Gespräche und Unternehmungen abseits des Platzes zu haben. Denn wenn du dich ausschließlich auf den Fußball beschränkst als das einzig Schöne im Leben, wirst du nicht glücklich.

Wann hältst du dein Comeback für realistisch?
Ich hoffe noch in dieser Saison.

Dir fehlen noch zwei Einsätze zu 100 Bundesligaspielen. Ist das ein zusätzlicher Anreiz?
Sicher. Ich arbeite daraufhin, möglichst in den letzten beiden Saisonspielen im Kader zu stehen und Minuten zu erhalten. Das ist schon im Hinterkopf.

Am Samstag trifft die Hoffenheimer U23 auf Frankfurts U21. Wäre das eine Option, um wieder reinzukommen?
Rein theoretisch besteht die Möglichkeit, im September habe ich auch ein Spiel für die U23 bestritten. Aber ich möchte mich da gar nicht selbst ins Spiel bringen. Denn Hoffenheim steht kurz vor dem Aufstieg. Die Jungs, die sich in diese Position gebracht haben, haben es verdient, das aus eigener Kraft zu schaffen. Deshalb dränge ich nicht in den Kader, weil sonst einer der Jungen womöglich zu Hause bleiben müsste.

Auf deinem Instagram-Kanal sind ganz oben zwei Eintracht-Motive angepinnt – sicher kein Zufall?
Natürlich nicht! Die angepinnten beziehungsweise oben stehenden Motive sind den wichtigsten sportlichen Momenten und Personen in meinem Leben gewidmet. Dazu zähle ich den Gewinn der Europa League 2022. Die Zeit in Frankfurt kann mir keiner mehr nehmen.

Danach folgte der UEFA Super Cup gegen Real Madrid. Du bekamst es auf deiner Seite mit Valverde und Carvajal zu tun, später kam Rodrygo von der Bank. Deine persönlich größte Herausforderung?

Christopher Lenz im Zweikampf mit Federico Valverde von Real Madrid.

Auf jeden Fall. Ich weiß gar nicht, wie viele Pokale Real Madrid mittlerweile in der Vitrine stehen hat (lacht). Sie haben mit die beste Mannschaft der Welt, damals waren sie vielleicht das Nonplusultra als amtierender Champions-League-Sieger. Das Ergebnis war nicht so toll [0:2; Anm. d. Red.]. Aber wenn man die Kräfteverhältnisse betrachtet, haben wir lange unfassbar gut mitgehalten. Das war mega anstrengend, aber nichtsdestotrotz ein geiles Spiel.

Die europäische Reise fand ihre Fortsetzung in der Champions League – erstmals in der Vereinsgeschichte. Wie fällt dein Vergleich mit der Europa League aus?
Der Titelgewinn in der Europa League ist eine Geschichte für sich. Aber als Profisportler strebt man natürlich immer nach dem Höchsten. Das ist nun mal die Königsklasse. Allein wenn ich daran denke, wie es war, die Hymne zu hören und sich mit den Besten der Besten zu messen, bekomme ich Gänsehaut. Das sollte für alle Spieler, die diese Aussicht haben, Anreiz genug sein.

Hast du ein konkretes Beispiel?
Vor allem das Auswärtsspiel in Neapel.

Christopher Lenz und Ansgar Knauff auf großer Champions-League-Bühne in Neapel.

Trotz Niederlage und Ausscheiden?
Das tat natürlich weh, auch wenn der Einzug ins Achtelfinale schon ein großer Erfolg war. Unabhängig vom Ausgang kam hier dennoch vieles zusammen, was diesen Wettbewerb ausmacht: ein lautes Stadion, ein großer Klub, die Hymne, die zu diesem Zeitpunkt in meinen Augen formstärkste Mannschaft in Europa und die Eintracht-Fans, die uns überall hin zahlreich begleitet haben.

Die Eintracht steht mit fünf Punkten Vorsprung auf Platz drei. Was traust du Frankfurt im Endspurt zu?
Ich sehe Frankfurt auf einem richtig guten Weg. Die Mannschaft, der Verein und die Stadt hätten es nach den bisherigen Leistungen verdient, in die Champions League einzuziehen. Auch wenn es das Restprogramm in sich hat, traue ich ihnen zu, bis zum Ende durchzuziehen. Die Eintracht hat in dieser Saison lange die Europa League gerockt. Die Champions League zu rocken, wäre noch geiler!

Die Eintracht hat in dieser Saison lange die Europa League gerockt. Die Champions League zu rocken, wäre noch geiler!

Christopher Lenz

Frankfurt und Leipzig im vorderen Bereich, Union mit dem vorzeitigen Klassenerhalt: wie aufmerksam verfolgst du die Entwicklung deiner Ex-Klubs?
Ich schaue mir die Ergebnisse und nach Möglichkeit auch die Spiele an. Bei Union habe ich vielleicht bei den Leuten einen kleinen Knacks, nachdem ich nach Leipzig gewechselt bin. Aber das war für mich zum damaligen Zeitpunkt der richtige Schritt: zu einer Mannschaft, die Champions League spielt, und die Nähe meiner Heimatstadt.

Seit September 2024 stehst du bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag. Nach den Metropolen Berlin, Frankfurt und Leipzig ein kleiner Kulturschock oder eine bewusste Entscheidung?
Eine bewusste Entscheidung. Hier herrschen komplett andere Bedingungen als auf meinen vorherigen Stationen. Die Umgebung ist ländlicher, der Verein kleiner, alles ist etwas ruhiger. Das sind Faktoren, aus denen sich Vorteile ziehen lassen. Etwa, wenn es mal nicht so läuft wie aktuell. Auch wenn wir in dieser Saison bewusst einen großen Umbruch vollzogen haben, sind wir nicht zufrieden mit dem Abschneiden. Aber von außen lastet weniger Druck auf einem. Umgekehrt kann es an Standorten wie in Frankfurt helfen, wenn du ohnehin auf einer Erfolgswelle reitest. Da meine ich nicht mal die Fans, die sowieso immer fest hinter der Mannschaft stehen, sondern hier dann eher die Berichterstattung, die für zusätzlichen Schwung sorgt. Das haben wir 2022 unmittelbar gespürt, als irgendwann ganz Deutschland hinter der Eintracht stand.

Die Strecke nach Frankfurt ist überschaubar. Wie eng ist der Kontakt?
Kontakt gibt es zu vielen Leuten, sowohl aus dem Staff als auch aus dem Team: Mit Trappo, Mario, Timmy treffe ich mich immer wieder. Eben die Jungs, mit denen ich gekickt habe. Entweder sehen wir uns in der Stadt oder ich bin mal im ProfiCamp zu Besuch. Wenn es die Zeit zulässt, schaue ich mir auch gerne die Heimspiele vor Ort an.

Apropos Heimspiel: Welche Erwartungen hast du an das Topspiel am Samstag?
Ganz klar: wir sprechen hier wirklich von einem Topspiel! In beiden Teams steckt unglaublich großes Potential. Leipzig hatte in dieser Saison etwas mehr Probleme, gerade international haben sie es sich sicher anders vorgestellt. Beide Mannschaften sind im Schnitt sehr jung. Umso bemerkenswerter finde ich, welche Konstanz die Eintracht alles in allem zeigt. Leipzig hat das Pech, dass ihnen immer wieder ein, zwei Schlüsselspieler weggebrochen sind. Gleichzeitig sehe ich in ihnen einen recht unberechenbaren Gegner. Das war im Pokalspiel zwischen den beiden Teams zu sehen, als zum damaligen Zeitpunkt der Eintracht von außen betrachtet mehr zuzutrauen war. An einem guten Tag kann Leipzig jeden Gegner in der Bundesliga schlagen. Insgesamt glaube ich nicht, dass beide zu sehr auf die Tabelle und auf den Gegner schauen, sondern versuchen werden, ihren Fußball auf den Platz zu bringen.

Dein Tipp?
Schwierig – und auch wenn es langweilig wirkt: als erstes hätte ich ein 1:1 im Kopf.