Niklas Moisander wird sich des psychologischen Kniffs bewusst gewesen sein, als er die Seitenwahl gewonnen und nach bestem Gewissen genutzt hatte, um die Hausherren in der ersten, und nicht wie gewohnt der zweiten Halbzeit auf die Nordwestkurve zuspielen zu lassen. Dass dann ausgerechnet der Handelfmeter, den auch Cheftrainer Adi Hütter als „glücklich und die Schlüsselszene“ einordnete, unmittelbar vor der Heimkurve die Führung einbrachte, war wohl Ironie des Schicksals. „Vor dem Elfmeter gehe ich eigentlich nur zum Kopfball hoch, bekomme den Ball aber an die Hand. Das ist natürlich keine Absicht und unglücklich, aber so ist die Regel leider“, meinte der Übeltäter wider Willen Ludwig Augustinsson im Nachgang. Als der Ball dann in den Maschen einschlug, war gerade die sechste (!) Minute der Nachspielzeit angebrochen; die Auswechselspieler, die sich bereits in den Katakomben befunden hatten, hatten sich nach Einschreiten des Videoassistenten nochmal zurück in den Innenraum begeben. „André Silva hat lange gewartet und dann sicher verwandelt“, analysierte Hütter den Strafstoß seines Stürmers, der wie bereits vor der Führung im Achtelfinale gegen Leipzig vom Elfmeterpunkt keine Nerven zeigte.
Einmal Katakomben und wieder zurück
Woraufhin sich alle Akteure geschlossen erstmals unter einer in dieser Form außergewöhnlichen Beschallung des Tankard-Klassikers „Schwarz-weiß wie Schnee“ in die Kabine verabschiedeten. Diese wieder verlassen war es sicher eine Erwähnung wert, gleich mit dem zweiten Schuss aufs Tor den 2:0-Endstand markiert zu haben. Noch bemerkenswerter aber, gegen dieses in der Liga von Abschluss- und Standardschwäche geplagte, aber im Pokal auf Hochtouren laufende Werder Bremen nach der Pause nahezu keine Chance zugelassen zu haben. Immerhin hatten die Norddeutschen zuvor zehn Mal in Serie mindestens doppelt getroffen und seit Beginn der Pokalsaison 2018/19 die mit 31 Treffer gefährlichste Mannschaft gestellt. In diesem Zusammenhang hatte sich Chefcoach Hütter tags zuvor gewünscht, „dass Kevin Trapp wieder einen perfekten Tag erwischt.“ „Ich stehe dafür im Tor, ab und zu einen zu halten“, blieb der als Man of the Match ausgezeichnete Schlussmann nach seinen zwei wichtigen Glanzparaden in der ersten Halbzeit ebenso demütig wie in Bezug auf die bevorstehende Auslosung: „Für mich als Saarländer wäre Saarbrücken ein schönes Los, aber ein Heimspiel vor dieser Kulisse wäre natürlich auch sehr viel wert.“Generell spielt die Herkunft im Herzen Europas bekanntlich eine untergeordnete Rolle, wie allein aus der Startformation abzulesen war, in der Trapp sowie der doppelte Staatsbürger Timothy Chandler deutsche Wurzeln besaßen. Inwiefern der krankheitsbedingte Ausfall von Sebastian Rode Auswirkungen auf die Systemänderung von 4-3-3 zu 4-2-3-1 hatte, bleibt das Geheimnis der Beteiligten. Jedenfalls blieb der Bremer Ansatz, die Frankfurter Taktik zu spiegeln, damit Theorie. Werder hatte erstmals seit Dezember mit einer Viererkette begonnen, wobei sich der nach Oberschenkelverletzung blitzgenesene Kevin Vogt situativ vom defensiven Mittelfeld zwischen die Innenverteidiger fallen ließ.Stabiles Dreiländer-Viereck
Dem gegenüber stand mit Stefan Ilsanker ebenfalls ein Winterzugang mit der Nummer drei auf dem Rücken, der im Verbund mit Martin Hinteregger und Djibril Sow ein kongeniales Alpendreieck, gemeinsam mit dem gleichermaßen Erfahrung in der Schweizer Liga besitzenden David Abraham sogar ein stabiles Dreiländer-Viereck bildete. Dafür erntete "Ilse" von Landsmann Hütter auch ein Sonderlob: „Er ist ein Sinnbild der Mannschaft, die 90 Minuten Kampfkraft, Wille und Leidenschaft gezeigt hat.“ Auch wenn der Abräumer sicher darauf verzichten kann, jedes K.-o.-Spiel mit Turban zu beenden, nach dem blauen in Salzburg trug er kurz nach dem Treffer zum 2:0 weiß.Rot wiederum sah in der Nachspielzeit Filip Kostic. „Ich möchte Filip Kostic nicht in eine Ecke stellen. Er hat sich sofort entschuldigt“, sprach selbst Kohfeldt den Serben nach der Grätsche gegen Ömer Toprak von Bösartigkeit frei. Dass der Innenverteidiger wohl mit dem Schrecken und einer Riss-Quetsch-Wunde davongekommen ist, ist in diesem Zusammenhang die beste Nachricht nach jener Szene. „Filip ist ein unheimlich wichtiger Spieler für uns. Schade, dass er uns im Halbfinale fehlt“, wusste auch Trapp, der den grundsätzlich geschaffenen Geist für die Cupwettbewerbe hervorhob: „Wir sind in K.-o.-Spielen schwer zu schlagen und darin mittlerweile sehr erfahren.“ Vier Halbfinals in vier aufeinanderfolgenden Jahren sind der Eintracht in ihrer Vereinsgeschichte noch nie gelungen. Insofern war es wie so häufig kein guter Tag zum Fliegen – nur eben diesmal in ambivalent doppelter Hinsicht.