12.07.2024
Eintracht

„Kein Platz für Selbstzufriedenheit“

Vorstandssprecher Axel Hellmann skizziert die Erkenntnisse aus der vergangenen Saison und spricht über Stimmung, Erwartungshaltung sowie das Trainingslager in den USA.

Axel Hellmann über ...

… Erkenntnisse aus der vergangenen Saison: Der sechste Platz war für Eintracht Frankfurt schlichtweg ein gutes Ergebnis. Gemeinsam haben wir auf mehreren Ebenen eine Reihe von Gesprächen geführt und Einordnungen vorgenommen und ich habe in keinem Gespräch festgestellt, dass es an selbstkritischer Reflexion gefehlt hat. Ähnliche Gespräche haben wir auch außerhalb des Sports intern geführt und uns gefragt, ob es Themen gibt, wo man sagt, dass man den Stein mal umdrehen muss. Auch hier haben wir ein Bouquet an Maßnahmen. Sportlich haben wir folgende Melange festgestellt: Wieso haben wir es nicht geschafft, an unsere Grenzen zu gehen; wieso haben wir es in unseren Heimspielen nicht geschafft, öfter das gesamte Stadion mitzunehmen – klar, die aktive Fanszene hat uns über die gesamte Saison immer unterstützt; wieso haben wir es nicht geschafft, einen Spielstil zu haben, damit die Leute sagen: „Sie haben alles reingeworfen“. Die Art und Weise, wie wir Fußball spielen, begeistern und die Menschen mitnehmen wollen. Wir haben zwei neue Co-Trainer für neue Saison, die eine neue Note reinbringen – das war Dinos [Toppmöller; Anm. d. Red.] Wunsch. Experten, um die Entwicklung der Spieler optimal voranzutreiben; die Frage, wo im gesamtem Staff wir noch besser und klarer werden können. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Saison ist: Wir haben qualitativ eine gute Mannschaft und ich bin davon überzeugt, dass wir viele gute Spieler in unseren Reihen haben – die Schlüsselaufgabe ist das Heben dieses Potenzials. In den nächsten Wochen werden wir uns noch eindringlich damit beschäftigen, was es noch im Kader braucht.

Die gesamte Pressekonferenz zum Nachhören

… der Start in die neue Saison: Für Saisonziele ist es noch zu früh. Im DFB-Pokal haben wir das aus meiner Sicht schwerste Los gezogen, was man hätte bekommen können – auswärts gegen Braunschweig. In der Liga starten wir gegen Dortmund. Wir wissen, was mit dem Auftaktprogramm auf uns zukommt. Ich persönlich habe nicht schlecht gestaunt, als ich die ersten fünf, sechs Spiele gesehen habe. Aber jeder, mit dem ich im Sport gesprochen habe, hat gesagt: Gut so, dann sind die Sinne direkt geschärft.

… das Trainingslager in den USA: Die Reise hat hauptsächlich einen sportlichen Einschlag. Wir vertreten aber auch die Bundesliga und die DFL auf dem US-amerikanischen Markt, vor allem aber auch auf dem mexikanischen Markt – dieser ist für den nordamerikanischen Fußball überragend wichtig, auch in den USA. Dass wir mal über die Grenze gehen und ein Spiel in Mexiko machen, ist von irrer Relevanz. Neben dem sportlichen Schwerpunkt ist es auch ein guter Teambuildingevent, wir werden eine Reihe von spannenden Events und Veranstaltungen haben.

… Transfers: Spielern, die den Weg zu einem ambitionierten Klub wie unserem suchen, schaffen wir durch eine internationale Bühne, gute Trainings- und optimale Rahmenbedingungen Wohlfühlfaktoren, um Leistungsschritte oder gar Leistungsexplosionen zu erzeugen. Das bieten wir. Leistungsexplosionen ziehen die Aufmerksamkeit anderer Vereine an und manche Spieler sagen sich, dass sie ich optimieren wollen. Wir müssen uns einer Realität stellen: Entweder wir holen Spieler mit hohem Potenzial, die sich auf top-internationalem Niveau entwickeln, und kriegen sie zu einem Preis- und Wertniveau, das für uns leist- und bezahlbar ist. Oder wir gehen einen anderen Weg, der bedeutet, dass wir wieder bis kurz vor Transferschluss warten und schauen, wo noch Vakanzen sind; oder holen uns Spieler auf einem anderen Leistungsniveau, die vielleicht ablösefrei sind, dann aber unser Gehaltsniveau sprengen. Wichtig ist, dass wir unsere fußballerische Identität und DNA beibehalten und dabei auch Erfahrung, Identifikationsfiguren und gestandene Spieler im System implementieren, an denen sich die jungen Spieler orientieren können und in der Wahrnehmung draußen den Eindruck erwecken, dass es einen gewissen Bestand und Fortsetzungszusammenhang von Dingen gibt, die wir bei der Eintracht schaffen wollen.

… Erfahrung im Kader: Ich will nicht konkret über Namen sprechen, schon gar nicht in der Transferperiode. Aber natürlich haben wir das Thema erkannt und ich bin mir sicher, dass der Sport eine funktionstüchtige Mischung, die genau die gewünschte Identifikationsfähigkeit auslösen wird, auf den Platz bringt. Mit Seppl Rode und Makoto Hasebe sind uns zwei absolute Leitfiguren der letzten Jahre als Spieler verlorengegangen. Was Identifikation, sportliche Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Führungsfähigkeit betrifft, können wir sie nicht sofort eins zu eins ersetzen – so naiv ist hier keiner.   

Wir müssen das Stadion wieder zu einer Burg machen, in der wir die Menschen für unseren Fußball entflammen.

Axel Hellmann, Vorstandssprecher Eintracht Frankfurt Fußball AG

… die Erwartungshaltung im Umfeld: Es ist nichts Schicksal gegeben, nichts fällt uns einfach zu. Wir können nicht automatisch davon ausgehen, dass wir auch im achten Jahr zum siebten Mal international spielen – wir müssen alles erarbeiten. Man hat sich im Umfeld von Eintracht Frankfurt an internationale Spiele und Bilder gewöhnt. Aber es wäre auch mal ein neunter oder zehnter Platz vermittelbar, wenn die Art und Weise, wie wir uns auf dem Platz zeigen, stimmt – wenn wir an die Grenzen gehen und diese verschieben. Ein Blick auf die Top Fünf der vergangenen Saison zeigt: Stuttgart hat überrascht, man muss aber auch sehen, ob sie in den nächsten Jahren auch international spielen; die anderen vier Klubs sind uns deutlich voraus, daher spielen sie in großer Regelmäßigkeit Champions League. Wer nun glaubt, mit ein paar Stellschrauben in die Phalanx der Top Vier einzudringen, dem will ich diesen Zahn schon früh in der der Vorbereitung ziehen – wenn das die Erwartungshaltung sein sollte, dann bedarf es dringend eines Realitätsabgleichs.

… die Stimmung im Umfeld: Aus meiner langen Erfahrung bei der Eintracht vermag ich zu fühlen und spüren, wann wir wieder genauer den Nerv treffen müssen, was den Klub ausmacht – und der hat einige Eigenheiten. Das ist wie gesagt nicht immer vom Tabellenplatz abhängig. Wir müssen das Stadion wieder zu einer Burg machen, in der wir die Menschen für unseren Fußball entflammen.

… Veränderungen im Deutsche Bank Park: Wir haben die Entscheidung getroffen, 300 bis 400 Plätze für Hospitality Light-Konzepte zu widmen. Ich verstehe die Fans – Gruppen, Fangemeinschaften und Fanfreundschaften – die seit Jahren dort gesessen haben, dass sie nicht begeistert sind und es zunächst einmal als Eingriff in ihr Eintracht-Erlebnis begreifen. Und ich verstehe auch, dass wir an diesem Punkt nicht wachsam und sensitiv genug kommuniziert haben. Es ändert aber nichts an einer sachlichen Einordnung, dass es notwendig ist und dass es diese Räume geben muss und wird. Das Stadion war schon immer so konzipiert. Beim Umbau der Nordwestkurve haben wir immer gesagt, dass wir günstigere Plätze – und zwar tausendfach – im Oberrang der NWK schaffen werden und sichern zudem eine gewisse Preisstabilität zu. Ich bin mir absolut sicher, dass wir für alle, sofern es die Rahmenbedingungen erlauben, eine gute Lösung finden werden.

… die vergangene Saison der Eintracht Frankfurt Frauen: Auch hier hat die Tabellenplatzierung am Ende gestimmt, aber wir waren auch zehn Punkte schlechter als in der Saison davor. Auch hier müssen wir selbstkritisch mit uns umgehen. Wir werden nicht zum Angriff auf Wolfsburg und Bayern blasen, aber wir investieren in die Infrastruktur und den Kader und wir haben die Aufgabe, genauer hinzuschauen. Es gibt wie bei den Männern keinen Platz für Selbstzufriedenheit. Und in den Gesprächen mit Trainern und Spielerinnen habe ich festgestellt, dass sie es genau so sehen.

… die Eintracht in der Region: Wir starten am 20. Juli in Heusenstamm mit dem ersten Spiel eingebettet in die Kampagne „Eintracht in der Region“. Ich möchte auch ein besonderes Highlight erwähnen, da es mir sehr am Herzen liegt: Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums spielen wir am 7. August beim FSV Frankfurt. Das Bruderduell in aller Freundschaft, unser Verhältnis zum FSV ist hervorragend. Am 11. August werden wir einen Familientag haben, an dem sich die Männer- und Frauenprofis vorstellen werden. Und damit leiten wir die heiße Phase der Vorbereitung ein, eine Woche später geht es los.

… die EURO 2024: Die sechswöchige Pause wurde uns versüßt durch ein sehr gelungenes Turnier. Vor allem einen Gedanken fand ich dabei total spannend: Wie systemisch manche Teams aufeinandergeprallt sind und nun sich im Finale zwei Mannschaften gegenüberstehen mit Spanien und England, die sehr unterschiedlich von der Herangehensweise und Beherrschung des Spielgeschehens auftreten. Es wird ein sehr spannendes Finale. Ich bin auch sehr zufrieden mit dem, was uns die deutsche Mannschaft beschert hat. Gegen Spanien auszuscheiden, ist alles andere als eine Enttäuschung – vor fünf Monaten hatten wir noch das Schlimmste befürchtet, nun hat die Nationalmannschaft viele Herzen erobert. Und das kann man auch allgemein über das Turnier sagen, auch mit Blick auf die Spiele in Frankfurt – es sind Bilder, die bleiben. Und diesen Schwung können wir mit in die neue Bundesligasaison nehmen.