Situation
„Ich nehme kein Blatt vor den Mund.“ Mit diesen Worten eröffnete Jos Luhukay die Pressekonferenz kurz vor dem ersten Saisonspiel gegen Arminia Bielefeld. Der für seinen markanten Schnäuzer bekannte Niederländer fiel schon häufiger durch seine direkte Art und seine Geradlinigkeit auf. Und so füllten sich die Notizblöcke der Journaille an diesem Tag wie von alleine. Zu viel Komfortzone, zu wenig Intensität in Scouting und Nachwuchs, die Mannschaft scheinbar nicht tauglich, um die Ziele des Vereins zu erreichen: Luhukays aufgeführte Mängelliste war lang. Er forderte Zugänge in allen Mannschaftsteilen, sah „kein Gerüst“, auf dem er aufbauen konnte. „Primär geht es darum, 20 frische Spieler auf den Platz zu bringen, die mehr als 25 Spiele hinbekommen“, bemängelte Luhukay die Verletztenmisere der Kiezkicker. Ein Mitwirken im Aufstiegsrennen erschien für den 56-Jährigen ohnehin unrealistisch.Formkurve
Verlief der Start insgesamt durchwachsen, so hofften sie am Millerntor, dass der 2:0-Sieg gegen den Hamburger SV der Mannschaft einen Schub verleihen und sie durch die Rückrunde tragen sollte. Doch dem war nicht so: Aus den folgenden fünf Partien holte das Team von Jos Luhukay lediglich einen Sieg und findet sich so nach elf Spieltagen auf dem zwölften Tabellenplatz wieder.Besonders die Niederlage im Heimspiel am vorvergangenen Samstag gegen den SV Darmstadt 98 schmerzte angesichts ihres Zustandekommens. Nach einer Ecke köpfte SVD-Kapitän Victor Palsson in der 80. Minute zum Auswärtssieg für seine Farben ein. Es folgte am vergangenen Sonntag eine 0:1-Niederlage und der Absturz auf Platz zwölf.Trainer
Jos Luhukay legt schon seit jeher großen Wert auf Disziplin, Fleiß und Ordnung. „Meine Eltern haben mir das so beigebracht“, gab er einst in einem Bild-Interview zu Protokoll. Trotz seines strengen Führungsstils legt der in Venlo geborene Luhukay Wert darauf zu betonen, dass er stets ein gutes Verhältnis zu seinen Spielern pflegte: „Ich bin streng und geradlinig. Aber meine Ex-Spieler kommen gerne zu mir zurück. Das spricht dafür, dass ich kein ganz böser Mensch sein kann.“ Zumal der frühere Mittelfeldspieler, der 1995 unter dem Trainer Armin Reutershahn mit den Amateuren des KFC Uerdingen in die Oberliga aufstieg, auch Fußballlehrer drei Mal um eine Spielklasse kletterte: 2008 führte er Borussia Mönchengladbach, 2011 den FC Augsburg und 2013 Hertha BSC und die Bundesliga.Taktiktafel
Dem Deutsch-Iraner Hossein Ensan in die Karten zu schauen ist so gut wie unmöglich: Ensan ist Pokerweltmeister 2019 und ein Meister darin, seinen Gegnern nicht die eigene Taktik preiszugeben. Analog dazu stellte Jos Luhukay sein Gegenüber oftmals vor ähnliche Rätsel. Ob im 4-1-4-1, dem 4-2-3-1, 3-4-2-1 oder dem 4-4-2 mit Doppelsechs – auf ein festes System lässt sich Luhukay nicht reduzieren. Einem ist es jedoch einerlei, in welchem System es aufs Feld geht: Immerspieler Daniel Buballa. Der 29-Jährige ist unter Luhukay gesetzt und kommt entweder in der Innenverteidigung oder auf der linken Seite zum Einsatz und besticht dabei mit Führungsqualitäten, unbändigem Kampf und eisernem Siegeswillen. Im Mittelfeld avancierte der erst 19-jährige Finn Ole Becker zur zentralen Figur im Spiel der Hamburger. Becker ist ein klassischer Mittelfeldregisseur, der sich mit seinen strategischen Fähigkeiten und klugen Pässen auf sich aufmerksam gemacht hat.Spieler im Fokus: Mats Möller Daehli
In der Bundesliga beim SC Freiburg in zwei Jahren nicht über den Status des Ergänzungsspielers hinausgekommen, entpuppte sich der sympathische und bodenständige Blondschopf, der hin und wieder per Linienbus ins Training fährt, als absoluter Glücksgriff für die Hamburger. „Christian Streich hat mir gesagt: St. Pauli passt zu dir. Gehe da hin und gib alles“, verriet Möller Daehli vor kurzem in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt. Gesagt, getan. Im Winter 2017 brach der 23-malige norwegische Nationalspieler seine Zelte an der Dreisam ab und schnürte fortan die Stiefel für die Kiezkicker. Warfen den einstigen Jugendspieler von Manchester United vor allem in seiner ersten Saison am Millerntor immer wieder Verletzungen zurück, absolvierte er in der vergangenen Spielzeit 32 von 34 möglichen Partien im deutschen Unterhaus. Mit dem Beginn der laufenden Saison schwang sich Möller Daehli endgültig zur unverzichtbaren Figur im Spiel der Paulianer auf – auch Adi Hütter weiß um die Qualitäten des offensiven Mittelfeldspielers: „Mit Mats Möller Daehli und Fin Becker haben sie zwei junge Talente im Kader.“ Sieben Torvorlagen in zwölf Pflichtspielen unterstreichen die Aussagen des Eintracht-Cheftrainers.