Thomas, wo erwischen wir dich gerade?
Ich bin aktuell in Berlin bei meinem Sohn [Tjark Ernst spielt für Hertha BSC; Anm. d. Red.], ich lebe aber in Bochum. Zum Spiel der Eintracht gegen den VfL am Sonntag kann ich nicht ins Stadion kommen, da bin ich in Braunschweig im Stadion.
Bist du dem Fußball auch beruflich noch verbunden?
Ich bin inzwischen als Finanzcoach unterwegs, gemeinsam mit einem alten Mannschaftskollegen aus der Jugend bei Eintracht Frankfurt, René Schlichting. Wir haben lange zusammengespielt. Vor sechs Jahren habe ich als Quereinsteiger begonnen. Durch meine Söhne bin ich dem Fußball natürlich sehr eng verbunden, der Große im Profi- und der Kleine im Amateurbereich. Meine Frau hat auch gekickt, wir sind sehr fußballbegeistert.
Bochum gegen die Eintracht, zwei deiner ehemaligen Vereine treffen am Sonntag aufeinander. Der Tabellenvierte gastiert beim Rang-16., auf dem Papier also eine deutliche Ausgangslage. Allerdings hat der VfL gegen kein anderes Team so viele Bundesligaspiele gewonnen wie gegen Frankfurt. Was erwartest du für eine Partie?
Es gibt so Gegner. Die Paarungen sind über Generationen unterschiedlich, aber das Thema bleibt immer das gleiche. Die Eintracht und Bochum, das war zu meiner Zeit schon so. Es wird für die Eintracht eine schwierige Aufgabe, Bochums Überraschungscoup in München kommt nun noch dazu.
Thomas Ernst …
- … ist gebürtiger Wiesbadener und wechselte vom FV Biebrich 02, ebenso Heimatverein von Jürgen Grabowski, 1981 in die Jugend von Eintracht Frankfurt.
- … wurde 1984/85 mit der A-Jugend der SGE Deutscher Meister.
- ... wechselte 1987 zu den Profis, 1994 zog es ihn dann zum FSV Frankfurt.
- … schloss sich 1995 dem VfL Bochum und blieb sechs Jahre an der Castroper Straße. Anschließend spielte der Torhüter noch für den VfB Stuttgart und den 1. FC Kaiserslautern.
- … war nach seiner aktiven Zeit als Teammanager beim FSV Frankfurt sowie im Vorstand des VfL Bochum tätig.
Du sprichst es an: Bochum kommt aus einem 3:2-Erfolg beim FC Bayern und hat nun mit der Eintracht das nächste Team aus den Top Vier vor der Brust. Wie kann sich der Sieg am vergangenen Spieltag in München auf das Match am Sonntag auswirken?
Trotz der großen Rotation stand bei den Bayern noch genügend Qualität auf dem Platz, und der Spielverlauf war so, dass die Partie auch in die andere Richtung hätte gehen können. Dieser Sieg in München ist ein Mosaiksteinchen in der gesamten Ära von Dieter Hecking, der es verstanden hat, nach und nach in Bochum Stabilität reinzubringen. Über die Stabilität kommt auch Selbstvertrauen, der VfL geht inzwischen etwas unbelasteter und freier in seine Spiele als zuvor. Der Sieg kann einen ordentlichen Schub geben. Die Hoffnung lebt wieder. Alles ist möglich, man kann die Relegation noch vermeiden und direkt drinbleiben, aber auch noch absteigen.
Mit 51 Toren stellt die Eintracht die drittbeste Offensive der Liga, im Hinrundenspiel setzte sie sich mit 7:2 durch. Du als ehemaliger Torhüter: Was kommt da auf die Bochumer zu, wer würde dir als Keeper den Schlaf rauben?
Schlaflose Nächte hatte ich keine, das wird auch Bochums Keeper Horn nicht haben. Da kommt eine super offensivstarke Mannschaft auf Bochum zu, es macht großen Spaß, Spiele der Eintracht zu sehen. Wie sie spielt. Mich persönlich freut es auch für Dino [Toppmöller] total, dass er diese Handschrift hinterlassen kann. Hugo Ekitiké ist klasse, Mario Götze als offensiver Mittelfeldspieler schnickt immer noch tolle Pässe nach vorne – das Gesamtpaket ist einfach stark. Es geht dabei nicht nur um den Sturm, sondern wie die gesamte Mannschaft nach vorne agiert; wie sich ein Nathaniel Brown auf dem Flügel offensiv einschaltet. Bei der Eintracht passt einfach viel zusammen und es kommt nicht von ungefähr, dass sie schon so viele Tore geschossen hat.
Ich bin eher von denen begeistert, mit denen ich zusammengespielt habe, vor allem bei der Eintracht.
Thomas Ernst
Welcher Adlerträger hat sich zuletzt besonders in deinen Fokus gespielt?
Nene Brown. Da er mit meinem Sohn in der U21-Nationalmannschaft spielt, hat man da schon immer mal hingeschaut. Aber wie er sich bei der Eintracht entwickelt hat und wie er dort spielt: Wahnsinn. Ekitiké hat zwar einen Moment gebraucht, aber man konnte schon immer erkennen, was da möglich ist – dieser Speed, und nun trifft er auch konstant.
Gibt es denn einen Gegenspieler aus deiner aktiven Karriere, bei dem du dachtest: „Oh nein, nicht der schon wieder…“?
Mir fällt spontan kein Gegenspieler ein, der immer wieder in Erscheinung getreten ist. Es ist auch schon etwas länger her (lacht). Ich bin eher von denen begeistert, mit denen ich zusammengespielt habe, vor allem bei der Eintracht. Anthony Yeboah oder Uwe Bein, da waren schon einige richtig geile Kicker dabei. Als Tony dann zum HSV gegangen ist, habe ich auch gegen ihn gespielt – das hat schon Spaß gemacht, wenn er keinen gemacht hat.
Gibt es denn einen Spieler heute, bei dem du sagen würdest: „Gegen den würde ich gerne mal ins Eins-gegen-eins gehen“?
Wer mich beeindruckt hat, weil er so spät durchgestartet ist, ist Niclas Füllkrug. Ob nun mit Vollspann, der Seite oder im Eins-gegen-eins: Er hat eine hohe Abschlussquote. Das wäre mal spannend gewesen, ihm gegenüberzustehen.
Dein Sohn Tjark ist in deine Fußstapfen getreten und hütet das Tor von Hertha BSC. Vergleicht man das Torwartspiel zu deiner aktiven Zeit mit dem, was die Keeper inzwischen auf den Rasen bringen: Wie viele Meilen liegen dazwischen?
Kein Vergleich, da liegen viele Meilen dazwischen. Das Kerngeschäft ist aber erst einmal das gleiche: Bälle halten. Was sich aus meiner Sicht stark verändert hat, ist das einstige Hoheitsgebiet Fünfmeterraum – es ist manchmal schon irrwitzig, wie man Spieler wegblocken darf, und bei Torhütern wird nur noch selten gepfiffen. Die Spieleröffnung des Torhüters ist zudem vielen Trainern sehr wichtig. Ich will nicht sagen, dass es ein anderes Spiel geworden ist, aber es hat sich schon sehr gewandelt.
Du hast für die Eintracht Jugend gespielt und warst anschließend sieben Jahre unterm Adlerdach. Nach einem Intermezzo beim FSV Frankfurt folgten sechs Jahre beim VfL Bochum als Spieler, in der Folge warst du auch Sportlicher Leiter. Schlagen am Sonntag zwei Herzen in deiner Brust?
Auf jeden Fall! Es sind die beiden Vereine, mit denen ich emotional noch am stärksten verbunden bin. In Bochum lebe ich noch, Wiesbaden und das Rhein-Main-Gebiet sind meine Heimat. Die Eintracht war meine erste Profistation, ich habe sechs Jahre für die Jugend und insgesamt 13 Jahre dort gespielt – mein längstes Vereinskapitel. Meine Zeit im Vorstand hinzugenommen, waren es in Bochum achteinhalb Jahre. In der Familie meiner Frau sind alle große Eintracht-Fans. Ich weiß, beide Klubs können die Punkte am Sonntag sehr gut gebrauchen und beide sollen am Ende der Saison ihre Ziele erreichen. Die Eintracht kann die Mainzer auch eine Woche später überholen, so dass die Hierarchie in der Region wieder hergestellt ist.
Höre ich da als Tipp ein Unentschieden am Sonntag heraus?
Das mache ich grundsätzlich nicht, da liege ich immer daneben. Beide brauchen die Punkte, Bochum vielleicht etwas dringlicher, aber möge der Bessere gewinnen. Hauptsache, beide Klubs erreichen ihr Saisonziel.
Welchen Weg nimmt der Saisonendspurt für die Eintracht und Bochum?
Ich glaube fest daran, dass beide Vereine ihre Ziele erreichen. Die Eintracht steckt aktuell zwar in keiner einfachen Phase, aber auch in den Spielen, die sie zuletzt nicht gewonnen hat, war ja nicht alles schlecht. Frankfurt hat das Potenzial dazu, unter den ersten Vier zu bleiben, das haben sie in dieser Saison schon häufig gezeigt. Ich würde mir ein Loch in den Bauch freuen, wenn sie es packen.
Deutscher A-Junioren-Meister 1985, DFB-Pokalsieger 1988 gegen Bochum – zwei große Erfolge. Mit welchen alten Weggefährten stehst du noch am häufigsten in Kontakt?
Zwei, drei Mal im Jahr spiele ich für die Tradi der Eintracht – das macht riesig Spaß. Man trifft sich wieder. Mit Uwe Bindewald war ich drei, vier Jahre gemeinsam auf einem Zimmer; auch mit Thommy Lasser, Manni Binz, Rainer Falkenhain und Ervin Skela habe ich noch Kontakt. Nicht wirklich eng, aber man quatscht ab und an.
Sehen wir dich in diesem Jahr im Trikot der Eintracht-Tradi bei „Eintracht in der Region“?
Ja. Ich habe mich schon gemeldet und Bescheid gegeben, wann ich könnte. Bei zwei Spielen werde ich sicherlich dabei sein, das hat bisher immer geklappt, seit ich wieder nominiert werde.